Читать книгу Am Stammtisch der Rebellen - Harry Gmür - Страница 18
VII.
ОглавлениеDer Ruhe des Himmels glich der gemächliche Lärm der Straße. Ohne Eile wanderten die beiden am Fluss entlang.
«Es ist mehr als halb elf», bemerkte Alfred nach einem Blick auf die Riesenuhr an dem alten Kirchturm drüben am andern Ufer.
«Deine geliebte Erna wird dir eine schöne Szene machen!», stichelte Doris mit unverborgener Schadenfreude.
Er gab keine Antwort.
«Alf, Lieber – schwör mir, dass du das Schäbige nicht tun wirst, das sie von dir fordert!», verlangte sie schroff.
«Wirst du zu mir stehn?», fragte er nach kurzer Besinnung.
«Zweifelst du?»
«Unter allen Umständen?»
«Du weißt es, unter allen Umständen.»
«Es wird dir schwerfallen!»
«Schwerer, als ohne dich zu leben?»
«Vieles, worum ich dich bat, werd ich von dir fordern müssen!»
Fast wurde sie zornig. «Schwör mir, dass du dieses eine Mal nicht tun wirst, was du zu tun verabscheust!»
«Unsre Königin hat dich einer genannt», sprach er in erneuter Benommenheit. «Ich schwöre meiner geliebten Königin, dass ich nie wieder tun will, was ich zu tun verabscheue. Ich schwöre Ihrer Majestät, Ihres Volkes Banner in der Welt zu entfalten, das bisher zwischen engen Mauern im Schatten lag. Königin – verrate niemals deinen treusten Knecht, der sich freudig rüstet, für dich zu sterben!»
«Alf, du sprichst wie ein Narr, und du bist ja völlig besoffen», lachte sie auf. «Aber trotzdem – ich nehme dich beim Wort, und ich weiß, du wirst’s halten. Und auch du kannst ruhig sein. Selbst wenn ich dich jemals verraten, wenn ich gemein an dir handeln sollte – aber ich schwör’s dir, obwohl ich eine ganz gemeine Person bin, das wird nicht vorkommen! –, aber selbst wenn es vorkäme, kannst du ganz sicher sein: Nie wieder, niemals werd ich einen Menschen so irrsinnig lieb haben, wie ich dich lieb habe, Alf – gerade jetzt, aber auch früh, wenn ich erwache; und wenn ich mein Mittagessen koche und du immer noch nicht anrufst; und wenn es klingelt und du endlich am Apparat bist; und wenn ich auf dich warte in einem Café – aber wenn du mich lange warten lässt, dann hass ich dich natürlich! Und wenn du endlich da bist und mich küsst; und in der Nacht, wenn ich aufwache, und ich bin ganz allein, und ich kann nicht schlafen, und ich male mir aus, wie du neben mir liegst; und nach allem auch, wenn du zu mir heimkommst und über mich herfällst wie ein wildes Tier über sein kleines Weibchen – ein Weibchen», und nun lachte sie wiederum schelmisch, «das dem bequemen alten Kater immerhin ein paar ganz hübsche Kniffe beigebracht hat!»
Sie wohnte in dem Teil der Altstadt, der jenseits des Flusses lag, in einer reizenden Einzimmerwohnung im obersten Stock eines jahrhundertealten, doch im Innern vollständig modernisierten Hauses. Mitternacht war vorüber, als das Mädchen den Geliebten wieder in das steil ansteigende romantische Gässchen hinuntergeleitete.
Vor der Haustür umarmten sie sich ein letztes Mal.
«Dass du nicht bleiben kannst!», beklagte sie sich. «Die ganze Nacht müsstest du bleiben; du kannst mir glauben, ich würde dich überhaupt nicht schlafen lassen.»
Mit unendlicher Mühe riss er sich los.
«Bleib fest, ich halte dir den Daumen!», rief sie ihm nach.
Im Laufschritt ereilte er den überfüllten letzten Zug der Straßenbahn, der den Ausreißer nach Hause zu befördern vermochte.