Читать книгу Warum scheißen die Vögel auf Buddhas Kopf? - Harry Mi Sho Teske - Страница 20
ОглавлениеFall 11: Jōshū sieht die Eremiten
Das Kōan
Meister Jōshū ging zu einer Eremitage und fragte: „Ist der Meister da? Ist der Meister da?“ Der Eremit hob seine Faust.
Jōshū sagte: „Das Wasser ist zu seicht, um hier vor Anker zu gehen.“ Und er ging weg.
Er kam zu einer anderen Eremitage und fragt wieder: „Ist der Meister da? Ist der Meister da?“ Dieser Einsiedler hob auch seine Faust.
Jōshū sagte: „Frei zu geben, frei zu nehmen, frei zu töten, frei zu retten.“ Und er machte eine tiefe Verbeugung.
Mumons Kommentar:
Beide hoben ihre Faust, warum wurde der eine akzeptiert und der andere zurückgewiesen. Sage mir, was ist hier die Schwierigkeit? Wenn du ein entscheidendes Wort dazu sagen kannst, wirst du erkennen das Jōshū’s Zunge keinen Knochen hat, einmal hilft er einem auf, einmal schlägt er ihn nieder, in völliger Freiheit. Ich muss dich jedoch erinnern: Die beiden Eremiten konnten Jōshū ebenfalls durchschauen. Wenn du sagst, dass es irgendetwas zu unterscheiden gibt zwischen den beiden Eremiten, hast du kein Auge der Erkenntnis. Und wenn du sagst, dass es keinen Unterschied zwischen den beiden gibt, dann hast du ebenfalls kein Auge der Erkenntnis.
Mumons Gedicht:
Das Auge wie eine Sternschnuppe,
der Geist wie ein Blitz.
Eine todbringende Klinge,
ein lebenspendendes Schwert.
Erklärung:
Jōshū Jūshin (Chao-chou Ts’ung-shen), 778–897, war Schüler und Dharmanachfolger von Nansen Fugan und hatte selber dreizehn Dharmanachfolger.
Ist der Meister da? Hinter dieser Frage des Meisters Jōshū steckt eine ganz andere, nämlich die ob der Eremit den Meister in sich selber schon erkannt und auch verwirklicht hat oder ob er noch auf der Suche nach ihm ist. Vordergründig sieht es so aus, als ob Jōshū sich lediglich nach der Anwesenheit des Eremiten erkundigen will und damit feststellen möchte, ob dieser in der Eremitage und bereit ist Besucher zu empfangen, aber so einfach ist die Sache nicht. Denn Jōshū möchte erfahren, ob der „Meister des Geistes“ anwesend ist.
Der Eremit hob seine Faust. Diese einfache Handlung des Einsiedlers zeigt auf den Punkt gebracht den Zustand seiner Konzentration und seines Samādhis. Im Fall des ersten Eremiten scheint es damit nicht weit her zu sein, denn der Kommentar Jōshūs lässt keinen anderen Schluss zu. Der Fall des zweiten Einsiedlers stellt sich jedoch ganz anders dar, denn Jōshūs Kommentar lässt in diesem Fall große Anerkennung und tiefen Respekt erkennen.
Das Wasser ist zu seicht, um hier vor Anker zu gehen. Jōshū kommentiert das Heben der Faust und kommt zu dem Urteil, dass die geistige Verfassung des Einsiedlers noch nicht tief genug ist. Aber auch der Einsiedler kann sich seine Meinung über Jōshūs Kommentar bilden. In der Zen-Ausbildung geht es um eine ständige Verbesserung des Zustands der Versenkung und der Erkenntnis in das Wesen der Dinge. Zu erkennen, dass die eigene Einsicht noch nicht tief genug ist, ist schon der erste Schritt zur authentischen Erfahrung.
Frei zu geben, frei zu nehmen, frei zu töten, frei zu retten. Bei diesem Einsiedler hat Jōshū anscheinend die Meinung, dass er in der Lage ist, auch den Geisteszustand des Fragenden zu erfassen. Obwohl dieser Eremit doch offensichtlich dieselbe Handlung vollzieht wie der erste Einsiedler, fällt Jōshūs Urteil über ihn doch offenbar ganz anders aus.
das Jōshūs Zunge keinen Knochen hat Jōshūs Zunge hat keinen Knochen, weil sie seinen freien Geist erkennen lässt, der spontan auf die jeweilige Situation und sein Gegenüber reagieren kann. Mal kann er in einem durchaus barschen Ton seinem Gegenüber klarmachen, dass der noch eine geraume Zeit an Zen-Meditation und spirituellen Studium braucht, um zu einer Erkenntnis zu gelangen, die das Wasser tief genug macht, um dort vor Anker zu gehen. Und ein anderes Mal drückt er seine tiefe Bewunderung und seinen ehrlich gemeinten Respekt aus, um die Erfahrung des Einsiedlers zu bestätigen.