Читать книгу Warum scheißen die Vögel auf Buddhas Kopf? - Harry Mi Sho Teske - Страница 7

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Die zehn vorbereitenden Kōan

Nachdem der Schüler erste Meditationserfahrungen mit dem Sitzen in Stille gemacht und gelernt hat, mithilfe des Zählens der Atemzüge von eins bis zehn allmählich zur Ruhe zu kommen, kann mit der Übung der Kōan begonnen werden. Dazu wird eine Auswahl an vorbereitenden Kōan benutzt, die frei kombiniert werden können und je nach den Vorerfahrungen des Praktizierenden eingesetzt werden.

Beginnen wir mit dem ersten Fall, in dem der Schüler sich an den Sprachgebrauch in der Kōan-Schulung gewöhnt und merkt, dass ihm nichts geschehen kann. Trotz der vordergründig aggressiven Ausdrucksweise herrscht im Raum der Begegnung zwischen Lehrer und Schüler, im Dokusan-Raum, eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts und der Hochachtung vor den Bemühungen des jeweiligen Gegenübers und niemals wird die geistige und körperliche Grenze des anderen verletzt. Obwohl im Zen-Buddhismus ein durchaus bestimmter Ton die gegenseitige Kommunikation bestimmt, ist doch das Verhältnis unter den Praktizierenden und mit dem Zen-Meister von einer Harmonie geprägt, die im gewöhnlichen Alltagsleben Ihresgleichen sucht. Dazu müssen aber alle Ängste verschwinden, die sonst den normalen Umgang unter den Menschen bestimmen und genau dazu dient dieses Kōan:

1 Auf dem Boden liegt ein Fächer. Wenn du ihn einen Fächer nennst, bekommst du dreißig Schläge. Wenn du ihn nicht einen Fächer nennst, bekommst du auch dreißig Schläge. Was ist das?Hat der Zen-Übende diese erste Hürde gemeistert wird ihm oder ihr klar, dass überhaupt nichts Schlimmes in der Kōan-Ausbildung passiert und es lediglich unsere Vorstellungen und Konzepte sind, die uns den Spaß am alltäglichen Leben immer wieder verderben. Wir müssen mit diesen Phobien ein für alle mal Schluss machen, wenn wir ein Leben führen wollen, das nicht mehr bestimmt wird durch die täglichen Hindernisse wie Antriebslosigkeit und dem Fehlen an Lebensenergie, die so lange unseren Alltag dominiert haben.Als nächstes kommt ein Kōan dessen Betonung darauf liegt, dass es nichts gibt, was nicht aufs Engste mit uns verbunden wäre. Es gibt im Zen-Buddhismus keine Kleinigkeiten, wie es auch nichts Großartiges gibt, das unseren Geist beeinflussen könnte, außer den Dingen, denen wir diese Macht einräumen. Wir sind vollkommen frei zu entscheiden, ob irgendein Ding oder Sachverhalt in der Außenwelt Einfluss auf uns und unser tägliches Leben hat oder auch nicht. Das Kōan dazu lautet:

2 Eine Glocke steht vor dir, ist sie innerhalb oder außerhalb deines Geistes?In diesem Kōan geht es darum, nicht mehr auf die äußeren Maßstäbe von innerhalb oder außerhalb zu reagieren, sondern direkt zur Wirklichkeit der Glocke vorzudringen. Was ist die Wirklichkeit einer Glocke? Ist es eine Eigenschaft unseres Geistes oder existiert die Glocke vollkommen unabhängig davon? Es geht gar nicht mal um die Eigenschaft der Glocke, sondern viel mehr um die Eigenschaft unseres Geistes, den wir erst einmal bis in alle Einzelheiten ergründen müssen. Genau genommen hat dieser Geist gar keine Eigenschaften und er ist immer so groß oder so klein wie die Objekte, mit denen er sich gerade beschäftigt. Er hat keine Farbe und kann doch jede Farbe der Welt annehmen, er hat keine Gestalt und kann doch jede Gestalt annehmen, die wir ihm geben. Er ist die Grundlage dafür, dass wir in einem fortgeschrittenen Stadium der Meditation unseren Körper unendlich vervielfältigen und ihn sofort wieder vereinfachen können.Das dritte Kōan, dass zum Einüben der grundlegenden Arbeitsweise mit diesen scheinbar so komplizierten Fällen gedacht ist, die jedoch in Wahrheit die einfachste Sache der Welt darstellen, ist ein Fall, der mit dem Ritual in der Zendo, der Meditationshalle, zusammenhängt. Er behandelt die Tatsache, dass, bevor die Meditierenden in der Zendo Tee eingeschenkt bekommen, zuerst der Buddha auf dem Altar bedient wird. Obwohl diese scheinbar aus Metall bestehende Figur den Tee gar nicht anrührt, ist er doch der erste, der dieses köstliche Getränk erhält, und die Frage taucht auf, ob das nicht pure Verschwendung ist. Mit dieser Frage soll sich auch der Schüler des Zen-Buddhismus beschäftigen und so lautet das nächste Kōan:

3 Warum bekommt der Buddha auf dem Altar Tee?Es ist eine oberflächlich betrachtet belanglose Frage, aber auf einer tieferen Ebene bekommt diese Frage dadurch Gewicht, das es ohne den Buddha auf dem Altar in der Zendo gar keinen Tee geben würde. Ohne den Buddha auf dem Altar oder besser gesagt ohne Mañjushrī, den Bodhisattva der Weisheit, würde es nicht einmal die Zendo geben, in der die Meditierenden des Zen-Buddhismus gemeinsam üben.Den nächsten Fall bildet ein Kōan, der das Problem von Leben und Tod behandelt und dieses Problem ist eines der wichtigsten im ganzen Zen-Buddhismus. Woher kommen wir, wohin gehen wir und was ist unsere letztendliche Bestimmung? Wenn wir dieses Kōan wirklich gemeistert haben, dann kann uns kein Tod mehr schrecken und kein Leben kann uns über Gebühr in seinen Bann ziehen, dann sind wir wirklich frei, jederzeit zu kommen und zu gehen ohne eine Spur hinter uns zu lassen. Das Kōan, das zu dieser Art von Erfahrung führt und von der Angst vor dem Tod befreit, lautet folgendermaßen:

4 Wenn du und ich gestorben sind, wo werden wir uns wiedertreffen?So ein Kōan ergibt erst dann Sinn, wenn wir aufgehört haben über ein Jenseits zu spekulieren, das ausschließlich in unserer Fantasie existiert und eine Ausgeburt der überschäumenden Hoffnungen oder Befürchtungen tief in unserem Inneren ist. Nichts ist gegen diese Vorstellung einer jenseitigen Welt einzuwenden, außer der Tatsache, dass sie uns völlig vom Geschehen im Hier und Jetzt ablenken und dazu noch in einen Bereich entführen, der niemals Wirklichkeit wird. Eine Wiedergeburt im Himmel oder der Hölle ist genauso reine Spekulation wie die Erwartung eines endgültigen Todes mit dem dazugehörigen vollkommenen Verschwinden unserer geistigen und körperlichen Komponenten.In dieselbe Kerbe schlägt der folgende Fall, in dem es unter anderem um die Frage nach der Determination, der Vorbestimmung des Menschen geht. Aber anders als im vorherigen Kōan geht es hier nicht oder nur ansatzweise um unser Schicksal nach dem Tod, sondern genau umgekehrt um unsere Vergangenheit. Im Buddhismus herrscht die Vorstellung einer unendlichen Kette von Wiedergeburten, nach der wir schon endlose Weltzeitalter im Rad der Zeit unterwegs sind und unser jetziges Leben nur eine Vorbereitung auf das ist, was uns nach dieser unendlich kurzen Episode erwartet. Das Kōan, das diesen Aspekt unserer menschlichen Existenz behandelt, lautet wie folgt:

5 Wer warst du vor der Geburt deiner Eltern?Diese 5. Kōan behandelt die Frage, wer wir gewesen sind, noch bevor unsere Eltern die Gestalt angenommen haben, in der wir sie kennen. Sie ist auf der logischen Ebene vollkommen unsinnig, aber führt uns ebenfalls in den Bereich der Spekulation, in dem wir uns immer wieder herumtreiben, ohne dass uns die Tatsache so recht bewusst ist. Wir beschäftigen uns häufiger mit diesem inneren Selbstbildnis, als es den meisten von uns gegenwärtig ist und das führt zu den wildesten Annahmen, die keiner genauen Untersuchung standhalten.Der nächste Fall in dieser Reihe von vorbereitenden Kōan ist die Frage nach dem konkreten Alter des Bodhisattva Avalokiteshvara. Ein Bodhisattva ist ein Wesen, das aus lauter Mitgefühl mit allen leidenden Mitwesen auf die Erleuchtung verzichtet, bis alle auf diesem Stand sind und befreit vom Leiden und der Unzufriedenheit in der Welt. Avalokiteshvara bedeutet „der auf die Schreie der Welt hört“ und wirklich ist er derjenige, der allen Wesen mit liebender Güte beisteht. Er verkörpert eine der beiden Eigenschaften der Buddhaschaft, das Erbarmen „Karunā“, und deswegen wird er häufig als Mahākarunā, das große Erbarmen, bezeichnet, während die andere Eigenschaft die Weisheit ist, die vom Bodhisattva Mañjushrī verkörpert wird. Avalokiteshvaras grenzenloses Erbarmen drückt sich in seiner wunderbaren Macht aus, allen Wesen zu helfen, die sich in akuter Gefahr an ihn wenden. Im Volksglauben der Asiaten schützt er zudem vor Naturkatastrophen und gewährt reichen Kindersegen. Ikonographisch sind dreiunddreißig verschieden Darstellungsformen des Avalokiteshvara bekannt, die sich durch die Anzahl der Köpfe und Arme sowie die Attribute unterscheiden. Häufig wird er zum Beispiel mit tausend Armen und Augen und elf Gesichtern abgebildet.In China wird Avalokiteshvara unter dem Namen Kuan-Yin verehrt, in Japan unter den Namen Kannon oder Kanzeon und in beiden Ländern wird sie vorwiegend als ein weibliches Wesen betrachtet. Die Kōanfrage lautet:

6 Wie alt ist der Bodhisattva Avalokiteshvara?Mit dieser Frage nach dem Lebensalter eines transzendenten Wesens betritt der Zen-Übende Neuland und zu Beginn versucht er oder sie die Frage von sich zu weisen oder auf eine Ebene zu verlagern, die jenseits der Vorstellungskraft ist. Wenn er dann sein ganzes Pulver verschossen hat, kommt er langsam zu der Erkenntnis, dass die ganze Welt ja das ganze Universum in seinem Geist existiert und natürlich auch alle transzendenten Wesen wie der wunderbare Bodhisattva Avalokiteshvara. Kommen wir zu einem weiteren Fall, der sich mit den Eigenschaften von zwei anderen Bodhisattvas befasst, nämlich dem Bodhisattva Mañjushrī und dem Bodhisattva Samantabadhra. Sie stellen zusammen mit dem historischen Buddha Shakyamuni eine Dreiheit dar, die in japanischen Zen-Tempeln überall anzutreffen ist. Der Bodhisattva Mañjushrī verkörpert, wie schon gesagt, die Weisheit, die die Leerheit der eigenen Person und aller Erscheinungen erkennt, und sein Name bedeutet wörtlich „Der edel und sanft ist“. Er ist am besten an seinem Reittier, einem Löwen, zu erkennen und in der Regel wird er in japanischen Tempeln und Klöstern mit ihm zusammen dargestellt. Der Bodhisattva Samantabhadra wird mit seinem Reittier, einem weißen Elefanten, abgebildet und als Schützer all jener verehrt, die die Lehre darlegen. Sein Name bedeutet „Der Ringsum Segensreiche“ und er verkörpert die Weisheit der Wesensgleichheit, die die Einheit von Gleichheit und Verschiedenheit begreift. Sein Symbol ist das alle Wünsche erfüllende Juwel und häufig wird er mit tiefblauer Körperfarbe dargestellt. Die zu diesen beiden Bodhisattvas gehörende Kōanfrage lautet:

7 Mañjushrī reitet auf einem Löwen. Samantabadhra reitet auf einem weißen Elefanten. Was ist dein Reittier?Hinter dieser Frage steht die Aufforderung, den Wirkungsbereich von transzendenten Wesen in der eigenen Erlebnissphäre zu erkennen und aktiv an ihr teilzunehmen. Die Gefahr ist groß, dass wir die Wirkungsweise der beiden Vertreter des buddhistischen Pantheons nach außen verlagern und so den Kontakt zu ihnen verlieren. Derjenige, der die Leerheit der Person und aller Erscheinungen erkennt, und derjenige, der alle Wünsche erfüllt und die Lehrenden des Buddhismus beschützt, ist nicht irgendwo da draußen zu finden sondern sie sind Anteile deiner eigenen Person, die du selber in dir entdecken kannst. Jetzt kommen zwei Kōan, die die Distanz des Schülers zu diesen schwierigen Problemen verringern sollen und sie kommen aus dem ganz gewöhnlichen Alltag der Zen-Praktizierenden, um ihnen den Zugang zu erleichtern. Die erste Frage betrifft die Definition der Dinge, die unseren Tagesablauf bestimmen, und es ist eine einfache Frage nach dem Zustand der Blumen in einer imaginären Vase. Verstricken wir uns in eine Aussage über die Lebenskraft dieser Pflanze beziehungsweise den Zustand ihres Verblühens, sind wir auch schon in einer Falle, aus der es kein Entkommen mehr gibt. Ziehen wir uns von dieser Frage zurück und reagieren mit totaler Verweigerung, ist das nur ein Zeichen für die Vermeidung von Konflikten und führt ebenfalls nicht zu einer befriedigenden Lösung. Die für diesen Fall wie geschaffene Frage bezüglich der Blumen in der Vase lautet:

8 Sind die Blumen in der Vase tot oder lebendig?Eine zufriedenstellende Antwort auf diese Kōanfrage ist schlicht und einfach nicht möglich. Wir müssen unbedingt zur Wirklichkeit dieser Blumen vordringen, um dieses Problem einfach hinter uns zu lassen. Es ist das Verstricktsein in das dualistische Denken, dass diese Frage so überaus schwierig erscheinen lässt, aber wie bei allen Kōan ist die Lösung der Aufgabe von einer entwaffnenden Einfachheit.Der zweite Fall betrifft unsere Identifikation als Mann oder als Frau, an die wir uns so intensiv gewöhnt haben, dass uns gar nicht mehr auffällt, wie unsere wahre Natur die dualistische Trennung von Mann und Frau einfach übersteigt. Wir sind zwar als Mann sozialisiert oder auch als Frau aber auf einer tieferen Ebene unseres Dasein sind wir weder Mann noch Frau und doch beides zugleich. Die Rolle, an die wir uns gewöhnt haben und die seit unserer Empfängnis mehr oder weniger festgelegt ist, wird durch ein Übungskōan aufgedeckt, das in seiner Form recht einfach aussieht aber mehr beinhaltet, als auf den ersten Blick erscheint. Das Kōan lautet:

9 Ein Mann geht über die Straße, ist es der jüngere oder ältere Bruder?Im Fall, dass der Praktizierende ein Mann ist, wird eine alternative Form des Kōan benutzt, die lautet:Eine Frau geht über die Straße, ist sie die jüngere oder ältere Schwester? Je nach dem Grad der Rollenidentifikation reagiert der Schüler oder die Schülerin erst einmal mit Ablehnung auf dieses Kōan und es gibt kaum jemanden, der es auf Anhieb und ohne weitere Hilfe sofort meistert. Damit sind wir schon fast am Ende unserer zehn vorbereitenden Kōan angekommen und es bleibt noch ein einziges übrig, bis wir soweit sind, dass wir uns den Aufgaben aus dem Mumonkan und dem Hekigan Roku widmen können.Das letzte Problem, das wir zu bewältigen haben und das für viele eine nicht zu unterschätzende Aufgabe darstellt , betrifft eines der Zufluchtsobjekte des Buddhismus, zu denen der Schüler in der Regel jetzt oder im Laufe der kommenden zehn Kōan seine Zuflucht nimmt und das ihm hilft, die weiteren Fälle immer müheloser und mit weniger Anstrengung zu durchlaufen. Das letzte der vorbereitenden Kōan lautet:

10 Warum scheißen die Vögel auf Buddhas Kopf?Diese Kōan stammt vom Zen-Meister Hakuin Ekaku und wurde im 17.Jahrhundert in Japan in die Kōan- Schulung eingebracht. Meister Hakuin, von dem ein sehr bekannter Lobgesang auf die Praxismethode des Zazen stammt, wollte mit diesem Fall seine Schüler testen, ob sie schon in Lage sind, das Objekt ihrer Ehrfurcht zu transzendieren. Damit sind die zehn Übungskōan vollständig, können den Zen-Schülern vorgelegt werden und wir widmen uns jetzt den achtundvierzig Kōans aus der Sammlung Mumonkan.

Warum scheißen die Vögel auf Buddhas Kopf?

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