Читать книгу Warum scheißen die Vögel auf Buddhas Kopf? - Harry Mi Sho Teske - Страница 6
ОглавлениеDer Hintergrund
Zen Buddhismus ist das ausgewogene Zusammenspiel von Mitgefühl und Weisheit und somit Buddhismus in Reinform. Zen ist ein Weg zur Befreiung aus eigener Kraft, weil er gänzlich mit den Fähigkeiten und Kräften des Praktizierenden arbeitet. Rinzai-Zen bietet über das „Sitzen in Stille“ hinaus noch die Methode der Kōan an, also der Meditationsaufgaben, die dem logischen Denken zunächst unverständlich erscheinen und dem Zen-Schüler helfen sollen, seine eigene freie Buddhanatur zu erkennen.
Da Mitgefühl und Weisheit die beiden Standbeine des Zen-Buddhismus sind, ist es naheliegend, dass die Kōan des Rinzai-Zen sich zuerst mit der Entwicklung von Weisheit befassen, bevor sie sich dem Mitgefühl widmen. Und zwar aus einem guten Grund: Weisheit ist die Ursache, die Buddhismus zu dem macht, was er ist: Der Weg der Befreiung durch Leerheit. Auf Grundlage der Erkenntnis der Leerheit ist die Entwicklung von Mitgefühl eine unweigerliche Folge, weswegen im Zen so viel Wert auf Erkenntnis gelegt wird.
Wenn Sie sich wundern sollten, warum ich die japanischen Namen für die chinesischen Meister verwende, so liegt es daran, dass wir den Zen-Buddhismus in seiner jetzigen Form nur noch in Japan finden.
Die zwei Kōansammlungen Mumonkan (Das torlose Tor) und Hekigan Roku (Die Aufzeichnung von der smaragdgrünen Felswand) sind die beiden wichtigsten Werke der Kōanausbildung und bilden zusammen das Mark des Rinzai-Zen. Das Mumonkan ist das Einstiegswerk in die Kōanausbildung und wurde von dem chinesischen Zen-Meister Mumon Ekai im Jahre 1228 erstmals veröffentlicht. Es enthält 48 Kōan, die das Weisheitsauge des Zen-Schülers öffnen sollen, wenn er diese Meditationsaufgaben mit seinem Meister durcharbeitet.
Die zweite Sammlung Hekigan Roku wurde von dem chinesischen Zen-Meister Engo Kokuron rund einhundert Jahre vor dem Mumonkan veröffentlicht und enthält 100 Kōan des Meisters Setchō Jūken. Sie haben den Zweck, das geöffnete Weisheitsauge zu schärfen und die Einsicht in das Wesen der Wirklichkeit zu vertiefen.
Die Lebensdaten der alten historischen Meister habe ich, soweit vorhanden, mit aufgenommen; die einiger Meister und handelnden Personen sind jedoch nur bruchstückhaft erhalten geblieben, dafür bitte ich um Nachsicht.
Ich habe mich bei den Kōan, Kommentaren und Gedichten auf das Original beschränkt und jeder Interpretation enthalten, um dieses Buch als Arbeitsgrundlage für die Kōanausbildung zur Verfügung zu stellen. Die ergänzenden Anmerkungen sind auf das Notwendige begrenzt und nur angebracht, wo sie zur Verdeutlichung des Sachverhaltes unabdingbar sind. Sie sollen dem Zen-Schüler die Möglichkeit geben, in die Gepflogenheiten des Chinas der T’ang-Dynastie, der Blütezeit des Zen, einzutauchen und den unverfälschten Geschmack der Kōan zu genießen.
Kōan sind eine effiziente Methode der Wirklichkeitserkenntnis und können dem Schüler zu einer neuen Weltsicht verhelfen, die ihn die Dinge des Lebens mit anderen Augen sehen lassen und eine Sicht ermöglichen, die ihn über die Tragik und das Leiden des menschlichen Lebens erheben. Er wird in die Lage versetzt, das Dasein als spielerische Angelegenheit zu empfinden, in der er keine größere Aufgabe erkennt, als allen fühlenden Wesen mit unendlichem Mitgefühl und liebender Güte zu begegnen und ihnen auf ihrem Weg zur Befreiung behilflich zu sein.
Allein dieser Aufgabe dienen die Kōan. Es ist Sinn und Zweck dieses Buches, sie ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuführen.
Das Wort Zen geht zurück auf das Chinesische Wort Ch’an, das wiederum ein Kurzform von Ch’anna und die Übersetzung des Sanskritausdruckes Dhyāna ist. Dhyāna ist die Bezeichnung für Versenkung oder Meditation ganz allgemein und im Besonderen die Bezeichnung für die acht Versenkungsstufen des Buddhismus, die im Folgenden noch näher beschrieben werden. Das Anliegen des Buddhismus ist in erster Linie die Erkenntnis und Verwirklichung der vier edlen Wahrheiten, die der Reihe nach besagen, dass die menschliche Existenz mit Unzufriedenheit und Leiden verbunden ist. Das Leiden und die Unzufriedenheit sind durch Ursachen entstanden und die Hauptursache ist der Durst oder das Verlangen nach Dasein und positiven Sinneseindrücken und das bildet den Inhalt der zweiten edlen Wahrheit. Weil die Unzufriedenheit durch Ursachen entstanden ist, kann sie auch durch Aufhebung dieser Ursachen wieder beseitigt werden. Die dritte edle Wahrheit besagt, dass das Ende der Ursachen für die Unzufriedenheit das Nirvāna ist. Die vierte und letzte der edlen Wahrheiten ist der achtfache Pfad, der langsam ins Nirvāna führt. Dieser Pfad besteht aus der Stufe der Erkenntnis der vier edlen Wahrheiten und der Leerheit aller Erscheinungen sowie dem Entschluss, dieser Unzufriedenheit ein für alle mal zu entkommen. Als dritte Stufe kommt die Rede, indem man alles Schädigende aus der Sprache entfernt sowie viertens das rechte Handeln, das auf alle körperlichen Aktivitäten verzichtet, die zu weiteren Leiden führen würden. Die fünfte Stufe ist der richtige Lebenserwerb, der zum Beispiel empfiehlt, nicht mit Drogen oder Waffen zu handeln. Als sechste Stufe folgt die Anstrengung, die alles unternimmt, was dem Heil förderlich ist und alles unterlässt, was ihm zuwider läuft. Die siebente Stufe ist die vollkommene Achtsamkeit mit den vier Grundlagen, auf die ich ebenfalls noch zu sprechen komme, und die achte Stufe bedeutet vollkommenen Sammlung: Das ist das Kerngebiet des Zen-Buddhismus.
Die vier Grundlagen der Achtsamkeit sind erstens die Achtsamkeit auf den Körper mit allen Handlungen, die eine materielle Ebene haben, und allen körperlichen Voraussetzungen, die der oder die Praktizierende mitbringt. Die zweite Grundlage sind die Gefühle, die normalerweise eingeteilt werden in positive, neutrale und negative Gefühle, wobei man sich darüber streiten kann, was denn neutrale Gefühle sein sollen. Als dritte Grundlage der Achtsamkeit kommt der Geist ins Spiel, womit die allgemeine Verfassung des Geistes gemeint ist, also ob er zum Beispiel dumpf und träge ist oder wach und aufmerksam und so weiter. Dann kommt die vierte und gleichzeitig auch die schwierigste Grundlage der Achtsamkeit, die Objekte des Geistes und das sind die Gedanken, die deswegen so schwierig zu beobachten sind, weil man sich leicht mit ihnen identifizieren kann.
Diese vier Grundlagen der Achtsamkeit machen einen Großteil des buddhistischen Weges aus. Ihre Übung ist Jedem zu empfehlen, der Fortschritte auf diesem Weg machen will. Sie stehen in ihrem Wert noch vor der Sammlung, die doch den Abschluss des edlen achtfachen Pfades darstellt. Man kann zur Not ohne größere Fortschritte in der Sammlung den Weg durchaus gewinnbringend praktizieren, aber ohne eine Zunahme an Achtsamkeit ist niemals ein Fortschritt auf dem meditativen Weg zu erreichen.
Als vordringlichste Aufgabe haben wir uns jetzt jedoch den Hindernissen zu widmen, die vor der Meditation stehen und uns den Eintritt in eine meditative Versenkung häufig schwer machen. Diese Hindernisse sind eine verzerrte Form der reinen geistigen Energie und sie suchen jeden Meditierenden heim, egal wie begabt er oder sie ist. Das erste der fünf Hindernisse ist die Müdigkeit, die jeden Meditierenden früher oder später überkommt und häufig schon im Vorfeld der Meditation dafür sorgt, dass wir gar nicht erst anfangen zu meditieren. Das nächste der Hindernisse, die auch als Nīvaranas bezeichnet werden, ist die Gier, die anfängt bei ganz kleinen Sachen, wie etwa einem Keks oder etwas zu trinken, und sich ausdehnen kann bis zu einer enormen sexuellen Gier, die man kaum mehr beherrschen kann. Sie überkommt wie Jeden in mehr oder weniger spektakulären Anfällen. Unsere Aufgabe dabei ist lediglich, sie zu beobachten! Das dritte Hindernis, das manchmal auch als Hemmung bezeichnet wird, ist die Boshaftigkeit, die sich auf einen Menschen oder einen Sachverhalt richten kann. Sie reicht von einer ganz leichten Ablehnung bis hin zu abgrundtiefem Hass und ist auch eine der Haltungen, mit der wir in der Meditation früher oder später intensiv zu kämpfen haben. Auch hier heißt das Mittel der Wahl: einfach nur beobachten ohne der Boshaftigkeit in Rede oder Tat nachzugehen. Als nächstes und viertes der fünf Hindernisse ist das Gedankenrasen zu nennen, das jeder von uns schon erlebt und zur Genüge versucht hat, zu bekämpfen. Aber es lässt sich nicht bekämpfen und wird im Gegenteil noch sehr viel intensiver, wenn wir den Fehler machen und versuchen, dagegen anzugehen.
Man sagt, dass der Grund dieses verbreiteten Hindernisses eine Art von Schuldgefühlen oder ein schlechtes Gewissen ist. In der Tat leiden wir viel mehr darunter, wenn wir uns irgend etwas vorzuwerfen oder zu bereuen haben, und merken es kaum, wenn wir zufrieden mit uns selber sind. Aber auch dieses Hindernis vergeht schnell, wenn wir die Gedanken einfach nur beobachten, dann können sie schon fast in die erste Meditationsstufe übergehen, aber dazu später mehr. Das letzte und fünfte Hindernis ist gleichzeitig das heimtückischste von allen, denn wenn wir es nicht ganz objektiv beobachten, führt es dazu, dass wir mit der Übung Schluss machen und dann haben die Hindernisse oder Nīvaranas gewonnen! Das fünfte Hindernis ist der Zweifel. Anfangs kommt er ganz unterschwellig daher, um sich dann zum Zweifel an unserem Lehrer und dem ganzen Buddhismus zu verdichten. Der Zweifel ist das gefährlichste der fünf Hindernisse. Wenn wir ihn nicht früh genug erkennen, führt er dazu, dass wir mit der Meditation Schluss machen und wieder in unser altes Leben mit seiner Unzufriedenheit zurückfallen. Aber was hilft, ist, wenn wir die Nīvaranas Müdigkeit, Gier, Boshaftigkeit, Gedankenrasen und Zweifel nur aufmerksam beobachten. Dann verwandeln sie sich in ihre eigentliche Natur und werden klarer und erleuchteter Geist, was sie eigentlich schon sind. Wie gesagt stellen sie nur eine verzerrte Form unseres reinen Geistes dar!
Wenn die Hindernisse einmal nicht anwesend sind, und das kommt häufiger vor als wir es zu Beginn der Zen-Übung mitbekommen, dann sind wir auch schon in der ersten Versenkungsstufe, der Gedankenfassung. Diese Meditationstufe wird häufig gar nicht als solche wahrgenommen weil sie noch Ähnlichkeit mit unserem normalen Geisteszustand hat. Dieser Zustand hat das Denken als wesentliches Merkmal. Aber in der Gedankenfassung identifizieren wir uns nicht mehr mit dem Denken, sondern beobachten es nur noch, und zwar so wie eine Wolke, die am Himmel erscheint, eine Zeitlang vorüberzieht und am Horizont verschwindet und dann erscheint auch schon die nächste Wolke. Oder wir betrachten die Gedanken wie den Klang einer kleiner Glocke, die angeschlagen wird, der Klang dauert eine kurze Zeit und vergeht wieder, bis die Glocke erneut angeschlagen wird.
Die zweite Versenkungsstufe tritt ein, wenn das Denken zum Schweigen kommt und wir in der Meditation ein Gefühl der Freude und des fast ekstatischen Wohlbefindens erleben. Diese Freude ist gerade dadurch bedingt, dass das Denken nicht mehr im Vordergrund steht und wir endlich die Ruhe des Geistes erfahren, der nicht mehr Denken muss. So eine Freude ist noch etwas grober Natur denn sie braucht als Auslöser den Moment des Aufhörens mit dem Denken und weil dieser Zustand, diese Freude noch durch Bedingungen entstanden ist, folgt darauf der Einstieg in die dritte Meditationsstufe.
Diese Meditationsstufe trägt den Namen Glückseligkeit und sie ist in der Tat ein Zustand puren Glücks, der die einzige Eigenschaft des Geistes darstellt, der vollkommen in sich selber versunken ist. Ein Geist, der völlig in Ruhe gelassen wird, unbeeinflusst von äußeren Reizen bleibt und auch nicht mehr danach giert, ist von Natur aus glücklich und zufrieden und das ist seine einzige Qualität. So kann man sagen, dass auf dieser Versenkungsstufe der Geist des Menschen in seiner eigentlichen Heimat angekommen und zu Hause ist. Sie haben vielleicht bemerkt, dass die zunehmend höheren Stufen der Meditation dadurch erreicht werden, dass man dem Geist erlaubt, sich immer mehr zu entspannen. Eigentlich werden diese Stufen durch reines Loslassen erlangt, sie gehen sozusagen vom Gröberen zum Feineren durch zunehmende Entspannung.
Als nächstes kommt eine Versenkungsstufe, die nicht mehr auf irgendwelche Wohlgefühle oder Wehgefühle angewiesen ist und sich durch reine Präsenz im Hier und Jetzt auszeichnet, diese Meditationsstufe heißt Gleichmut.
Der Gleichmut ist die höchste Stufe, die im Bereich der körperlichen Meditation erreicht werden kann. Sie ist keinesfalls verwandt mit der Gleichgültigkeit, die fast das Gegenteil vom Gleichmut darstellt. Die Gleichgültigkeit ist eine Geisteshaltung, die bewusst ausgrenzt und auf ganze Teile der Wahrnehmung absichtlich verzichtet, wohingegen dem Gleichmut nichts entgeht. Seine Achtsamkeit ist vollkommen geworden. Es ist eine klare und, um es mit einem optischen Vergleich zu sagen, sehr helle geistige Anwesenheit, die sich selber klar bewusst ist. Mit dem Gleichmut haben wir die Grenze der körperlichen Wahrnehmung erreicht. Jetzt haben wir die Möglichkeit, uns entweder mit diesen Versenkungsstufen zu begnügen oder aber den Körper zu verlassen und uns auf eine Reise in die unkörperlichen Meditationsstufen zu begeben. Wenn wir die zweite Alternative wählen, dann erwarten uns erstaunliche Erfahrungen in Bereichen, die uns bis dahin eher utopisch vorgekommen sind.
Der erste unkörperliche Bereich ist die Versenkungsstufe der Raumunendlichkeit, in der jegliche Begrenzungen ihre Aufgabe verlieren und wir uns dem unendlichen Raum anvertrauen. Diese Erfahrung kann uns im ersten Moment etwas Angst machen, aber wir können die Angst schnell überwinden, indem wir uns klarmachen, dass alles, was wir im Bereich der Raumunendlichkeit erleben, sich lediglich in unserem Geist abspielt.
Am schnellsten kommen wir in diese Meditationsstufe, indem wir den Raum immer weiter ausdehnen, beginnend mit dem Zimmer, in dem wir uns befinden, und folgende Meditation ausführen: Wir stellen uns vor, dass dieser Raum keine Grenzen hat, wie auch nicht die Stadt oder der Ort, an dem wir uns befinden und ebenso wenig der Landkreis und die Nation, in der sich dieser Ort befindet. Nicht einmal der Kontinent, in dem dieses Land liegt und der Planet, auf dem sich dieser Kontinent befindet, ist durch irgendwelche Grenzen von der Außenwelt abgeschnitten. Der Planet Erde kreist frei in einem Sonnensystem, das wiederum nur einen kleinen Teil einer unendlich größeren Galaxie, der Milchstraße, ausmacht und schon sind wir im Bereich der Raumunendlichkeit, in dem es keinerlei Grenzen gibt. Und das ist erst der Beginn einer Reise ins vollkommen Unbekannte.
Die nächste Versenkungsstufe erreichen wir, indem uns klar wird, dass der unendliche Raum durch unser Bewusstsein entstanden ist und eben dieses Bewusstsein ist genauso unendlich wie der Raum. Dem zufolge trägt diese Meditationsstufe auch den Namen „Bewusstseinsunendlichkeit“, denn sie hat im Vordergrund die Unendlichkeit des Bewusstseins. In dieser Meditationsstufe wird der Raum zu Bewusstsein, denn der ganze Raum ist nur im Geist entstanden und somit auch ein Produkt des Geistes, der auf dieser Stufe keinerlei Begrenzungen mehr hat. Wir sind, wie Sie sich erinnern, immer noch im Bereich der körperlosen Meditation und diesen Bereich verlassen wir auch in den nächsten beiden Meditationsstufen nicht mehr!
Die eigentliche Stufe des Zen-Buddhismus ist jetzt der folgende Bereich der „Nicht-Irgendetwasheit“, in dem es keinerlei Definitionen und keine Begriffe mehr gibt und jeglicher Versuch, ihn zu beschreiben, versagt. Der Bereich den Raumunendlichkeit und der Bewusstseinsunendlichkeit liegen hinter uns und wir sind bereit uns auf eine Ebene zu begeben, die jenseits aller Worte und mündlichen Aussagen liegt und vor der ein Versuch der Beschreibung von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Es ist hier keine Grenze im materiellen und körperlosen Bereich auszumachen und wir haben die volle geistige Freiheit erlangt, zu der unser jetziges Bewusstsein fähig ist. Als nächstes betreten wir die letzte Meditationsstufe des unkörperlichen Bereichs. Diese Versenkungsstufe trägt den Namen „Weder-Wahrnehmung-Noch-Nicht-Wahrnehmung“.
Mit dieser geistigen Meditationsstufe sind wir im feinsten Bereich des Bewusstseins angekommen und wir können nicht mehr davon sprechen, ob ein Wahrnehmender da ist oder nicht und ebenso wenig, ob eine Wahrnehmung stattfindet oder nicht. Es ist ein erhabener Zustand, den wir eigentlich erst würdigen können, wenn wir uns wieder auf den Weg zurück durch die unkörperlichen Versenkungsstufen machen und ich kann Ihnen nur raten, nicht in den unkörperlichen Stufen aus der Meditation auszusteigen, sondern immer zuerst in Ihren Körper zurückzukehren.
Wir gehen von der Stufe der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nicht-Wahrnehmung in den Bereich des Nicht-Irgendetwas, von hier in den Bereich der Bewußtseinsunendlichkeit, weiter in die Raumunendlichkeit und kehren wieder in unseren Körper, in den Gleichmut zurück. Hier können wir gefahrlos aus der Meditation aussteigen, wir können aber auch im Bereich der Glückseligkeit, im Bereich der Freude oder im Bereich der Gedankenfassung mit der Meditation Schluss machen. Anfangs werden wir auch noch von den Hindernissen, also der Müdigkeit, der Gier, der Boshaftigkeit, dem Gedankenrasen oder dem Zweifel, heimgesucht. Diese werden allerdings immer brüchiger und verschwinden schließlich ganz.
Das ist kurz gesagt der Gang durch die acht Versenkungsstufen, der den Pfad der Meditation ausmacht und im Normalfall zwei bis drei Jahre an Meditationserfahrung braucht. Es ist dabei zu bedenken, dass die Erleuchtung damit noch nicht erreicht ist und es einer Art geistigen Quantensprungs bedarf, um zu einer Erkenntnis der Leerheit durchzudringen.
Dieser Pfad über die acht Versenkungsstufen dient in erster Linie dazu, die fünf Geistesgifte unter Kontrolle zu halten, dann zu minimieren und sie schließlich zum Erliegen zu bringen. Diese fünf Geistesgifte sind die Wut, der Egoismus oder Stolz, die Begierde, die Eifersucht und die Unwissenheit als absichtliches Nicht-Wissen-Wollen, also die Ignoranz. Inwieweit die Meditation diese fünf Geistesgifte im Einzelnen bekämpft, würde den Rahmen dieser Einleitung sprengen, es sei nur gesagt, dass die intensive Beschäftigung mit den Kōan (nichts anderes ist der Gang durch die acht Versenkungsstufen) zu einer schrittweisen Auflösung der fünf Geistesgifte führt. Außerdem geleitet der Pfad der Meditation den oder die Praktizierende dahin, in sich die zwei Eigenschaften des geklärten und gleichmütigen Geistes zu verwirklichen, die die unbedingte Voraussetzung für den Weg eines Bodhisattvas sind. Diese beiden Eigenschaften sind die Weisheit, die im Idealfall die Leerheit direkt zu erkennen vermag, und das große Mitgefühl, das den Pfad zu einem Befreiungsweg für alle fühlenden Lebewesen macht.
Nachdem man eine Zeit lang diese Meditationen durchgeführt hat, kommen immer deutlicher die sieben Erleuchtungsglieder zum Vorschein, die aus der Achtsamkeit, der Wirklichkeitsergründung, der Willenskraft, der Freude, der Ruhe, der Sammlung und dem Gleichmut bestehen. Es ist klar, dass bei einer regelmäßig ausgeübten Meditation gar nichts anderes als Achtsamkeit herauskommen kann, denn wenn die Meditation nicht gerade aus einer Art Trance besteht -was bei Anfängern, die keine vernünftige Einweisung in das Zazen bekommen, der Fall sein kann-, dann nimmt die Achtsamkeit mit jeder Meditationsrunde weiter zu. Achtsamkeit ist also das erste Erleuchtungsglied, das ständig zunimmt und bei nicht nachlassender Anstrengung vollkommen wird. Als nächstes nimmt die Fähigkeit, das Gesetz von Ursache und Wirkung in der Realität zu beobachten, im enormen Maß zu und man kann gar nicht anders als dieses grundlegende Naturgesetz immer besser zu verstehen. Wirklichkeitsergründung ist also das nächste Erleuchtungsglied, das auf diesem Pfad der Meditation verwirklicht wird.
Aus dieser Wirklichkeitsergründung folgt direkt die Willenskraft oder Energie, denn die Anstrengung in der Meditation wird im Laufe der Zeit zu einer gewohnten Eigenschaft, die sich zu einer automatischen Qualität der Person verwandelt. Die Freude ist das logische Resultat dieser Anstrengung, die über Jahre in die Meditation gesteckt worden ist und sich nun in reine Freude verwandelt.
Im Laufe der Zeit hat sich ebenfalls eine weitere Eigenschaft des erleuchteten Geistes herauskristallisiert, nämlich die Ruhe oder auch Gestilltheit genannt, und diese Ruhe führt dazu, dass der menschliche Geist nach nichts anderem mehr giert und mit dem momentan Vorhandenem völlig zufrieden ist. Er ist im wahrsten Sinn des Wortes gestillt und seine Aktivitäten sind nicht mehr auf die Außenwelt ausgerichtet. Das heißt, dass er frei von allen überflüssigen Leidenschaften geworden ist. Stattdessen hat er oder sie nun das Erleuchtungsglied der Sammlung beziehungsweise des Samādhi erreicht, dass vollkommen zu einem Teil der Persönlichkeit geworden ist und die Wahrnehmung der Welt grundlegend verändert hat.
Das letzte Erleuchtungsglied, das noch fehlt, ist wieder der Gleichmut, der die vollkommene geistige Unerschütterlichkeit mit sich bringt und die Krönung der geistigen Eigenschaften darstellt.
Diese sieben Erleuchtungsglieder sind zum unveräußerlichen Besitz des Praktizierenden geworden und er kann sich immer und überall auf sie verlassen, ohne sie erst durch Mediation hervorrufen zu müssen.
Durch die Entwicklung der Erleuchtungsglieder haben sich fünf weitere Fähigkeiten herausgebildet, die man als die fünf Kräfte bezeichnet und die die Erhabenheit eines derartigen geistigen Zustandes widerspiegeln. Diese fünf Kräfte, auch Balas genannt, sind das Vertrauen, die Energie, die Achtsamkeit, die Konzentration und die Weisheit. Sie gehören zusammen mit den Erleuchtungsgliedern zur Gruppe der zur Erleuchtung gehörenden Dinge.
Die erste und wichtigste Eigenschaft ist das Vertrauen in die buddhistische Lehre und die eigenen Fähigkeiten, aber auch in den Lehrer und in die Gemeinschaft derjenigen, die dieser Lehre und dem Lehrer folgen. Die zweite Fähigkeit ist die Energie beziehungsweise die freudige Energie, die ein Kraftpotential ohne vergleichbares Gegenstück bildet und zu vorher nicht geahnten Aufgaben befähigt, die weit über das normale menschliche Maß hinausreichen. Die dritte Eigenschaft ist wieder die Achtsamkeit, die aus der Übung der vier Grundlagen der Achtsamkeit hervorgegangen ist und die vierte Eigenschaft ist die Sammlung oder Konzentration auf die acht Versenkungsstufen. Die fünfte Eigenschaft oder Fähigkeit ist schließlich die Weisheit, die die Leerheit der Person und aller Erscheinungen erkennt und letztlich von der Unwissenheit als letzte der zehn niederen Fesseln befreit.
Die zehn niederen Fesseln sind die Bindungen an das niedere Dasein im Kreislauf der Wiedergeburten und letztlich für alles verantwortlich, was wir als Leiden und Unzufriedenheit in unserem weltlichen Dasein erleben. Die stufenweise Befreiung von diesen Fesseln befreit uns gleichzeitig von allem Leiden, das wir bis hierhin in Samsāra, der Welt der Leidenschaften und Begierden, erfahren haben. Diese zehn Fesseln tragen den Namen Saṃyojana und bezeichnen den Pfad über die vier Stufen der Heiligkeit, die nacheinander zur vollkommenen Freiheit führen.
Die erste Fessel ist der Glaube an eine feste Persönlichkeit oder einen unverbrüchlichen Wesenskern in der Seele, der von Wiedergeburt zu Wiedergeburt immer gleich bleibt. Die zweite Fessel ist die Zweifelsucht, die nicht zu verwechseln ist mit dem Zweifel, der eine positive und eine zerstörerische Ausformung hat. Die Zweifelsucht ist die zerstörerische Gestalt des Zweifels und kommt niemals zur Ruhe solange diese Fessel besteht, sie muss alles und jeden anzweifeln und kann bildlich gesprochen an nichts ein gutes Haar lassen. Die dritte niedere Fessel ist das Hängen an Riten und Regeln, das uns weismachen will, wir müssten auf viele Rituale und Vorschriften achten, wenn wir die Erleuchtung erreichen wollen. In Wirklichkeit brauchen wir keine Regeln, denn die Erleuchtung ist schon in uns anwesend und das einzige, was wirklich nottut, ist, dass wir auf unsere alten Konzepte und Denkmuster verzichten. Sind diese drei niederen Fesseln einmal überwunden, dann haben wir die Stufe eines Siebenmal-Wiederkehrers oder In-den-Strom-Eingetretenen, eines Sotāpanna erreicht und wir sind sicher, dass wir nur noch siebenmal in einem der höheren Daseinsbereiche wiedergeboren werden, bevor wir die endgültige Befreiung erlangen.
Die nächsten beiden Fesseln vier und fünf sind die Begierde und der Hass in ihren gröberen Formen, die, wenn sie einmal weitgehend überwunden sind, zur Stufe des Einmalwiederkehrers führen, der wie der Name sagt nur noch einmal in dieser Welt erscheinen wird. Sind die ersten fünf Fesseln ganz überwunden, führt das automatisch zur Stufe des Nichtwiederkehrers, der nicht mehr in dieser Welt wiedergeboren wird.
Die letzten fünf Fesseln sind feinerer Natur und ihre Überwindung befreit den Praktizierenden von aller Unzufriedenheit in dieser Existenz. Sie sind der Reihe nach das Hängen und die Begierde nach Feinkörperlichkeit, dann das Hängen und die Begierde nach Unkörperlichkeit, das Eingebildetsein auf die Stufe der Verwirklichung, die körperliche und geistige Unruhe und schließlich als letzte der zehn Fesseln die Unwissenheit. Wenn diese Fesseln alle überwunden sind gibt es nichts mehr, was den oder die Praktizierende noch an den Kreislauf der Wiedergeburten bindet und er oder sie ist jetzt vollkommen frei.
Der Weg ist nun auch frei für die sechs Eigenschaften eines Bodhisattvas, eines Erleuchtungswesens, denn der Praktizierende hat jetzt nicht mehr die Vorstellung von sich als ganz normales menschliches Durchschnittswesen, sondern er hat den großen Pfad des Mahāyāna Buddhismus betreten, des großen Fahrzeuges, das alle fühlenden Wesen mit zur Erleuchtung nimmt. Er ist nicht mehr allein auf dem Weg in die Freiheit, sondern bietet allen Wesen einen gangbaren Pfad ins Nirvāna an.
Die Eigenschaften, die er dafür benötigt, sind Vollkommenheit des Gebens, denn das Geben ist das direkte Gegenmittel gegen den Egoismus, der das grundsätzliche Übel unserer Zeit darstellt; dieses Geben bezieht sich sowohl auf materielle Dinge wie Geld oder Lebensmittel, aber auch auf geistige Dinge wie Wissen und Erkenntnisse. Die zweite Vollkommenheit ist das ethische Verhalten. Diese Eigenschaft macht ihn zu einem Anziehungspunkt für andere fühlende Wesen, die in seiner Gegenwart keinerlei Angst mehr zu haben brauchen. Die nächste Eigenschaft, die nicht mehr so einfach zu entwickeln ist, ist die Geduld; vor allem die Geduld angesichts ungerechter Behandlung oder verletzender Worte. Die vierte Vollkommenheit ist die Energie oder Lebenskraft, die ansteckend auf interessierte Mitmenschen wirkt. Diese Energie ist nicht mehr abhängig von der Meditation oder irgendeiner Übung und steht jederzeit dem Praktizierenden zur Verfügung. Die fünfte Eigenschaft eines Bodhisattvas ist die Meditation oder das Samādhi, das jetzt nicht mehr zu erschüttern ist und dem Zen-Praktizierenden eine ständig verfügbare Quelle der Kraft und Inspiration ist. Die sechste und wichtigste Eigenschaft des Bodhisattva ist die Weisheit, die die Leerheit aller Erscheinungen und Personen zweifelsfrei erkannt hat. Ohne diese Weisheit kann er wieder auf niedrigere Grade der Erscheinungswelt zurückfallen, aber mit dieser Weisheit ist ihm ein dauerhafter Verbleib im Hier und Jetzt sicher!
Jetzt kommen vier Eigenschaften, die auch zu den Eigenschaften eines Bodhisattva gezählt werden, aber erst in einem späteren Stadium dazukommen. Diese vier Eigenschaften sind die Vollkommenheit der Methode, die Vollkommenheit des Gelöbnisses, die Vollkommenheit der Kraft und die Vollkommenheit des Wissens.
Die Vollkommenheit der Methode folgt direkt auf die Weisheit, das heißt, sie baut auf den anderen sechs Vollkommenheiten auf und beinhaltet die Fähigkeit, jedem Lebewesen die passende Methode zur Erleuchtung zuzuordnen und ihm die ihm gemäße Aufgabe zu geben, die genau zu seinen Fähigkeiten passt, ihn weder überfordert noch unterfordert und ihm so auf dem Weg zur Erleuchtung in adäquater Weise hilft. Die Vollkommenheit des Gelöbnisses besagt, dass er sich einer besonderen Meditationsgottheit verschrieben hat und gelobt, diesen Weg bis zu seinem körperlichen Ende weiterzugehen. Es ist sozusagen ein Bund fürs Leben, den er eingeht und auf dem er die weiteren Fortschritte bis zur Befreiung aller Lebewesen praktiziert. Auf dieser Vollkommenheit des Gelöbnisses basiert auch seine Vollkommenheit der Kraft, die ihm aus der Verbindung mit der Gottheit erwächst und die das menschliche Maß um ein vielfaches übersteigt. Die Arbeit mit einer Meditationsgottheit ist nicht zu vergleichen mit einem gewöhnlichen Gottesdienst, denn das Wesen, dem man sich verpflichtet hat, ist vollkommen aus der Leerheit entstanden und kehrt auch wieder dahin zurück, wenn seine Aufgabe erfüllt ist. Ihm kommt keinerlei Existenz in der Außenwelt zu und es ist die Vereinigung von Leerheit und Glückseligkeit.
Die vierte Vollkommenheit ist schließlich das Wissen um die Definitionen, die mit dem Buddhismus im Zusammenhang stehen und es ist nicht umsonst die letzte der insgesamt zehn Vollkommenheiten, denn mit ihr ist die Unwissenheit völlig beseitigt. Der Buddhismus hat seine Aufgabe erfüllt, wenn dieses letzte und hartnäckigste Geistesgift entwurzelt ist und dann kann man ihn getrost wieder zurück in die Werkzeugkiste der Methoden legen, aus der er gekommen ist. Dann braucht man ihn nicht mehr und es wäre töricht, ihn weiter mit sich herumzuschleppen und sein freies Leben mit irgendeinem „ismus“ zu beschweren, denn dann gibt es nichts mehr außer dem Weg, er ist so weit und grenzenlos geworden wie der Weltraum.
Man hat jetzt die Stufe eines vollkommen Erleuchteten erreicht und könnte an dieser Stelle aus dem Existenzkreislauf aussteigen, allerdings hält einen die Vollkommenheit des Gelöbnisses davon zurück und man arbeitet weiter an der Befreiung aller fühlenden Wesen, bis auch der letzte die vier edlen Wahrheiten verstanden hat und alle auf der gleichen Stufe der Wirklichkeit angekommen sind. Es gibt auf dieser Ebene keinen Unterschied mehr zwischen Absoluter Wirklichkeit und Relativer Wirklichkeit und doch sind sie nicht dasselbe. Die Relative Wirklichkeit ist die Ebene der Worte und Begriffe, des Denkens und der Konzepte und diese Ebene ist eine ganz andere als die Absolute Wirklichkeit, in der es keinerlei Konzepte, keine Worte und Begriffe mehr gibt. Wir lernen auf dem spirituellen Weg zuerst diese Ebene der Wirklichkeit kennen und haften dann für gewöhnlich eine ganze Zeit an ihr fest, bis wir wieder zur Relativen Ebene der Wirklichkeit zurückkehren und dann die Verschiedenheit in der Einheit wahrnehmen. Dies ist noch nicht das Ende des spirituellen Weges, aber an dieser Stelle kann ich nicht weiter darauf eingehen, um den Rahmen des Vorwortes nicht zu sprengen.
Das, was wir normalerweise als Person wahrnehmen, ist nichts weiter als eine Ansammlung von körperlichen Faktoren, von Gefühlen und Emotionen, von Wahrnehmungen und gedanklichen Konzepten, von psychischen Willenskräften und geistigen Gestaltungen und schließlich vom Bewusstsein allgemein. Dieser Ansammlung zusammen wie auch jedem einzelnen der körperlichen und geistigen Faktoren, die auch als Gruppe der Anhaftungen, Skandhas, bezeichnet werden, kommt keinerlei Wesenhaftigkeit zu. Sie sind in sich vollkommen unbeständig, sie sind leer von inhärenter Existenz und sie sind letztendlich leidvoll. Wenn wir unser Heil in ihnen suchen, dann sind wir dazu verurteilt, Runde um Runde im Existenzkreislauf zu erleben, ohne dass jemals ein Ausweg aus dieser Situation zu erwarten wäre. Wenn wir jedoch die Leerheit der fünf Skandhas zweifelsfrei erkennen, dann sind wir befreit und unser Dasein ist nicht mehr an Existenz und Nicht-Existenz gebunden, wir sind frei von Leben und Tod und nicht mal mehr an die menschliche Existenz gebunden, auch nicht an die göttliche! Wir können in jedem Bereich vollkommen frei entstehen und wieder verschwinden, ohne ein Spur darin zu hinterlassen. Meister Rinzai hat es einmal als „wahrer Mensch“ bezeichnet, der jederzeit durch unser Gesicht ein- und ausgeht.
Zum Schluss möchte ich Ihnen die zwölffache Kette des bedingten Entstehens vorstellen, die verantwortlich ist für unser ständiges Wiedererscheinen in dieser Welt und die gleichzeitig den Schlüssel bietet, wie wir aus dieser ausweglos erscheinenden Lage ausbrechen können.
An erster Stelle steht wie immer die Unwissenheit um die vier edlen Wahrheiten und die Leerheit der gesamten Erscheinungen, die den Anfang der Kette bildet. Aus dieser Unwissenheit entstehen die Willensregungen mit ihren heilsamen, schädlichen oder neutralen Auswirkungen und dem nächsten Glied der Kette, dem Bewusstsein, das die Grundlage für alle weiteren Entwicklungen schafft. Dieses Bewusstsein bringt das hervor, was wir als Name und Gestalt bezeichnen und das alle geistigen und körperlichen Komponenten eines neuen Menschen beinhaltet, insbesondere die sechs Sinne Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten und das Denken. Durch diese Sinnestore nehmen wir Kontakt mit der Außenwelt auf und erleben eine scheinbar von uns getrennte Welt, die bestimmte Empfindungen wie angenehm, unangenehm oder neutral hervorrufen. Aus dieser Empfindung entsteht das Begehren nach den angenehmen Dingen des Lebens und durch das wiederholte Begehren schließlich die Anhaftung an diese angenehmen Dinge. Die Anhaftung unter anderem an die Konzepte und Vorstellungen setzt einen neuen Werdeprozess in Gang, der letztlich in einer Geburt mündet und mit Alter, Krankheit und Tod seinen Abschluss findet.
So dreht sich dieses Rad von Unwissenheit, Willenskräften, Bewusstsein, Name und Form, sechs Sinnestoren, Kontakt, Empfindungen, Begehren, Anhaftung, Werden, Geburt und schließlich Alter und Tod unaufhörlich bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir die Erleuchtung erreichen und uns klar wird, dass wir nur an einer Stelle Einfluss auf dieses Rad haben, nämlich an der Stelle zischen dem siebten und achten Glied, der Empfindung und dem Begehren. Wenn auf eine Empfindung kein Begehren mehr erfolgt, sind wir frei von den weiteren Folgen dieses Kreislaufs und der ganze Spuk hat ein Ende.
Damit sind wir am Ende dieser Einführung und sehen, dass durch eine relativ kurze Zeit der Schulung in den drei Bereichen von Meditation, bewusster Lebensführung und Weisheit ein Prozess zum Stillstand gebracht werden kann, der sonst ewig weiterläuft.
Wir beginnen jetzt mit dem praktischen Teil der Ausbildung, den Kōan, wobei ich Ihnen gleich sage, dass Sie keine Antworten auf diese Probleme erhalten, sondern zu Anfang mit noch mehr Fragen dastehen werden als jetzt, aber seien Sie hoffnungsvoll! Wenn Sie das Glück haben, diese Kōan mit einem Meister des Zen durchzuarbeiten, dann steht am Ende die größte Erfahrung eines menschlichen Lebens vor Ihnen: Die Freiheit von Leben und Tod.