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245. Ludwig Börne71
Оглавление30. Oktober 1831
[Börne an Jeannette Wohl, 2. November:] Sonntag habe ich mit Heine bei Valentin* zu Mittag gegessen. Wir trafen uns zufällig vor dem Hause und traten zugleich ein. Als wir ins Zimmer kamen, fragte ich Madame Valentin*: „Ist denn der Boden stark genug, kann er zwei große Männer wie wir zugleich tragen?“ Es war das erstemal, daß ich mit Heine in Gesellschaft war. Mit mir sprach er wenig, ja, er blieb immer von mir entfernt und suchte sich einen eigenen Mittelpunkt. Abends, da mehrere Leute zur gewöhnlichen Sonntagsgesellschaft kamen, bemerkte ich, daß Heine mit keinem der Bedeutenderen, Gebildeteren sprach, sondern sich gerade dem Jüngsten in der Gesellschaft, fast noch ein Knabe, zur Seite setzte und sich mit ihm unterhielt. Er war gerade bei besserer Laune als gewöhnlich, ich kann ihn also nicht einmal mit seiner Hypochondrie entschuldigen.
Seit kurzem ist eine Schauspielerin vom dritten Range mit ihrem Manne, einem Theaterdichter, hier. Bei diesen Leuten ist Heine zu allen Zeiten des Tags. Und das sind nicht etwa genialisch-joviale-lebenslustige Menschen, sondern ganz solid-bürgerliche, aber auch sehr gewöhnliche Menschen... Man merkt es dem Heine deutlich an, wie er immer gern was besonders Auffallendes sagen möchte und lieber schweigt, als etwas Gewöhnliches spricht. Besonders ärgert mich an ihm seine Sucht, immer Lachen zu erregen. Lachen ist eine der untersten Seelenbewegungen, und ein Mann von Geist sollte auf höhere Wirkungen ausgehen. Er hat mir neulich gesagt, daß er spiele, und ich habe ihm ganz freundschaftlich den Text darüber gelesen. Was ich gegen das Spiel vorgebracht, schien ihm alles neu zu sein. Überhaupt mag er sich um die Moral nie viel bekümmert haben. Der arme Heine wird chemisch von mir zersetzt, und er hat gar keine Ahnung davon, daß ich im geheim beständig Experimente mit ihm mache.