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246. Ludwig Börne71
ОглавлениеAnfang Dezember 1831
[Börne an Jeannette Wohl, 8. Dezember:] Heine saß in Hillers Konzert neben mir. Der ist so unwissend in Musik, daß er die vier Teile der großen Sinfonie für ganz verschiedene Stücke hielt und ihnen die Nummern des Konzertzettels beilegte, wie sie da aufeinander folgen. So nahm er den zweiten Teil der Sinfonie für das angekündigte Altsolo, den dritten Teil für ein Violoncellosolo und den vierten für die Ouvertüre zum „Faust“! Da er sich sehr langweilte, war er froh, daß alles so schnell ging, und ward wie vom Blitz gerührt, als er von mir erfuhr, daß erst Nr. 1 vorbei sei, wo er dachte, schon vier Nummern wären ausgestanden...
Als ich dem Heine erzählte, der Artikel aus der „Börsenhalle“ stünde auch in der „Frankfurter Postzeitung“, war er wie erstarrt vor Erstaunen und Schrecken. Er sagte, das sei nicht möglich, daß Rousseau etwas habe drucken lassen, worin er, Heine, beleidigt wäre; denn er kenne ihn seit zwölf Jahren. Auf jeden Fall wären die Stellen, die ihn beträfen, gewiß im Artikel weggeblieben. Lesen Sie ihn doch in der „Postzeitung“ und schreiben Sie mir, ob sich das wirklich so verhält. Wenn der Heine nur halb ein solcher Schuft ist, als er freiwillig bekennt, dann hat er schon fünf Galgen und zehn Orden verdient. Schon zwanzigmal gestand er mir, und das ganz ohne Not, dem Argwohn zuvorkommend, er ließe sich gewinnen, bestechen. Und als ich ihm bemerkte, er würde aber dann seinen Wert als Schriftsteller verlieren, erwiderte er, keineswegs; denn er würde gegen seine Überzeugung ganz so gut schreiben als mit ihr. Und glauben Sie nicht, daß das Scherz sei: es beweist mir, daß Heine schon ist, was werden zu können er nicht leugnet. Daß er offen und freiwillig von seiner Verdorbenheit spricht, beweist nichts gegen den Ernst; das ist die alte bekannte List, durch Selbstanklage der Überraschung seiner eigenen Vorwürfe und der andern keck in den Weg zu treten. Es sind Ausfälle aus der Festung des Gewissens, um die Belagerung zurückzudrängen.
... Schade ist es um Heine, daß seine schönste dichterische Begeisterung ihm aus dem Tranke sinnlicher Liebe kömmt, und ich habe ihm das gestern selbst gesagt. Zehn Jahre reiferen Alters werden ihm viel von seinem Werte nehmen...
[In den „Kritischen Blättern der Börsen-Halle“ Nr. 72 vom 14. November 1831 war eine scharfe Kritik gegen Börnes „Briefe aus Paris“ erschienen; auch Heine war darin mehrfach genannt.]