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257. Karl Gutzkow89

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1832/33

Heine, jünger, weniger Meister seiner Leidenschaften, viel auf äußern Erfolg im Publikum gebend, mochte vielleicht nicht ganz unbefangen bleiben über das Aufsehen, das die Pariser Briefe machten. Nun kam über die in Paris wohnenden Deutschen außerdem noch das Assoziationsfieber. Die zahlreichen deutschen Handwerker, Kommis, Gelehrte, die in Paris wohnten, wollten durch Adressen und öffentliche Erklärungen die überrheinische Sache unterstützen; man schrieb Versammlungen aus und bezeichnete die, welche von ihnen fortblieben, mit Namen, die vom Verdacht in Zeiten politischer Aufregung bald erfunden sind. Heine, der nur Begriffe von kleinen, literarischen Bundesgenossenschaften hat, erschrak vor diesen massenhaften Verbrüderungen und fühlte sich von allen den demokratischen Zumutungen, die gerade an ihn als einen Freiheitsdichter ergingen, höchst belästigt. Aus früheren Lebensverhältnissen her, als gelernter Kaufmann, war er gewohnt, sich bei Namensunterschriften sehr schwierig finden zu lassen; da sollte nun alle Tage vermittels einer Adresse ein Fürst vom Thron gestoßen werden, oder durch Subskriptionslisten für hunderttausend kleine politische Zwecke gewirkt werden, und immerzu die Feder in der Hand und seinen Namen da hinzuschreiben – das war ihm wirklich sehr unangenehm. Gern hätte er die von den Fäusten der Handwerker ganz schmutzigen Subskriptionsbögen unter seinen glasierten Händen durchschlüpfen lassen, aber einige Terroristen paßten auf und drohten nicht undeutlich mit der Guillotine, die vielleicht über Nacht die Ordnung des Tages werden konnte. Besonders ärgerte es Heinen, daß Börne, der kränkliche Mensch, so einen fanatischen Königsfresser spielte und das ganze Ding mit der Revolution, das sich nur gedruckt, in Vorreden, datiert „Paris am Tage der Bastille“, hübsch machte, so ernst nahm und jede Tollheit, die einer aufs Tapet brachte, mit unterschrieb. Börne und Heine aßen zusammen an einem Orte, wo viele deutsche Handwerker verkehrten. Zwischen der Suppe und dem Rindfleisch kam regelmäßig eine schmutzige Subskriptionsliste den Tisch herunter. Heine war in Verzweiflung. Er wartete die Gelegenheit ab, wo er losbrechen konnte, und ergriff diese endlich, als die Listen sich unter anderm einmal auch gegen den Papst und dessen politisches Verfahren in der Romagna aussprachen. Was sie der Papst anginge erklärte er unwillig und unterschrieb sich nicht mehr. Man kann nicht leugnen, daß Heines Benehmen hier von vielem Verstande zeugte. Nur hätte er sich dann von dem Umgang mit so erhitzten Gemütern ganz zurückziehen und nicht nach dem Ruhm einer Popularität bei den Handwerkern streben sollen. – Da erschienen [Weihnachten 1832] der dritte und vierte Band der Briefe aus Paris und in ihnen Börnes strenges, aber durchaus nicht feindseliges Urteil über Heines französische Zustände. Die Folge war ein offenbarer Bruch, den natürlich die Zwischenträger nur noch erweiterten und unheilbar machten. Heine sollte Drohungen ausgestoßen haben; Börne, wie immer tapfer bis zum Drolligen, bemühte sich, seine Furchtlosigkeit zu zeigen und sogar recht zur Schau zu stellen. Heine, der Börne zu vermeiden suchte, kam in die größte Verlegenheit, weil Börne gerade alles aufbot, daß sie sich begegnen mußten. Börne, der nie begreifen konnte, wie in Heines Salon die Schlußfigur des kleinen Simson [in den „Memoiren des Herren von Schnabelewopski“] sich auf ihn beziehen ließ, kundschaftete die öffentlichen Orte aus, wo er Heinen treffen konnte. Wo Heine aß, wollte er auch essen. Seine Umgebungen hatten Mühe, ihn von dieser förmlichen Hetzjagd, die er auf Heinen anstellte, zurückzuhalten. Später begegneten sie sich noch oft in Soireen, die die Mutter des Komponisten Hiller gab. So unbefangen sich Börne zeigte, so nahm er es doch übel, wenn Madame W. [Wohl] von Heinen angeredet, diesem nicht den Rücken kehrte. „Wie Sie mit meinem Feinde sprechen können, begreif’ ich nicht“, sagte er unwillig zu seiner Freundin, die nicht wußte, wie sich hier Börnen und zu gleicher Zeit dem Anstand willfahren ließe.

[Börnes Kritik an Heines „Französischen Zuständen“ erschien erst im 6. Band der „Briefe aus Paris“ (S. 135 ff.) Ende 1833. – Gutzkows Angaben gehen auf Mitteilungen der Frau Wohl und anderer Freunde Börnes zurück; auch Beurmanns Darstellung (vgl. Nr. 310) benutzte er.]

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