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I.Ideengeschichtlicher Hintergrund der Grundrechte

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8Grundrechtsgedanken gab es bereits in der antiken Philosophie. Bei Aristoteles und Platon finden sich Begriff und Idee der Freiheit.3 Diese Freiheit war allerdings nicht universalistisch gedacht und ging auch nicht von einer Idee der Gleichheit der Menschen aus. Dies zeigt die Tatsache, dass auch im griechischen Staatsideal eine grundsätzliche Akzeptanz von Sklaven, also Rechtlosen, nicht in Frage gestellt wurde.

Bei den Stoikern finden sich ethisch und philosophisch begründete, den Menschen angeborene Rechte, wie etwa die Lehre von der Gleichheit der Menschen.4

9Die antiken philosophischen Ansätze führten jedoch zu keinen Veränderungen in der politischen und ökonomischen Ordnung, geschweige denn zu einer Anerkennung von Grundrechten.

10Dem frühchristlichen Mittelalter entstammt die Vorstellung der Gottesebenbildlichkeit des Menschen. Aus dieser wird die Freiheit und Gleichheit aller Menschen abgeleitet. Dennoch wurde der weitere Schritt von der Gleichheit vor Gott zur Anerkennung von Freiheit und Gleichheit aller Menschen – in Form eines unantastbaren Menschenrechts – nicht vollzogen.5

Das Hochmittelalter war durch die Auseinandersetzung zwischen den zwei Gewalten, der geistlichen und weltlichen Macht, geprägt. Dieser Dualismus führte zur Entwicklung von Theorien zur Beschränkung der Herrschaftsgewalt. So wurde zum Beispiel ein Widerstandsrecht der Untertanen gegen Willkür des Herrschers anerkannt.

Nach Thomas von Aquin war es die Pflicht des Herrschers, der Beauftragter Gottes auf Erden war, nicht gegen die dignitas humana zu handeln, zu der Leben, Freiheit und Eigentum des Menschen gehörten. Falls er dies dennoch tat, durfte man ihm den Gehorsam verweigern und Widerstand leisten.6

Diese Gedanken der Begrenzung der Herrschermacht wirkten im Vernunft- und Naturrechtsgedanken des Spätmittelalters fort.

11Der grundlegende Schritt zu einer Entwicklung des Menschenrechtsgedankens erfolgte durch die Naturrechtslehre am Beginn der Neuzeit. Im Gegensatz zur religiösen Legitimation der Herrschaftsmacht des Mittelalters wird nun die Macht des Herrschers zunehmend durch einen Gesellschaftsvertrag begründet und dem Recht und damit der Herrschaftsgewalt eine vom Glauben unabhängige Geltung zugesprochen.

12Nach der älteren Naturrechtslehre (17. bis frühes 18. Jahrhundert) herrscht zunächst der Naturzustand, in dem jeder angeborene Rechte, iura connata, besitzt. Diese Rechte gelten als Vorläufer liberaler Freiheitsrechte. Bei Pufendorf, Thomasius und Wolff finden sich Kataloge dieser Rechte. Hierzu zählen z. B. bei Wolff die natürliche Freiheit, die natürliche Gleichheit, das Recht der Sicherheit sowie das Recht des Menschen über sich selbst, das Recht auf guten Namen und das Recht, alle erschaffenen Dinge zu gebrauchen.7

Allerdings gelten diese Rechte nur im Naturzustand und stellen die Organisation einer positiven Rechtsordnung nicht in Frage.

Der nächste logische Schritt ist die Überwindung des Naturzustandes durch den freiwilligen Eintritt in den Rechtszustand. Dies geschieht durch den (fiktiven) Abschluss eines so genannten Staatsvertrages, der den Zustand der permanenten Bedrohung mit Gewalt, die im Naturzustand herrscht, beseitigt. Der Staatsvertrag ist deshalb fiktiv, weil ihm keine konkrete historische Realität zukommt.

Da im Naturzustand nach Thomas Hobbes (1588–1679) ein Krieg aller gegen alle herrscht, verzichten die Untertanen im Staatsvertrag auf ihr ursprüngliches Recht auf Selbstverteidigung. Im Gegenzug wird ihnen vom (absolutistischen) Staat Schutz von Leib und Leben gewährt.

Das bedeutet, dass diese Rechte im Unterschied zu den späteren Freiheitsrechten nicht absolut sind, denn sie können jederzeit aufgehoben werden, zudem können sie nicht als Abwehrrechte dem Handeln des Staates entgegengesetzt werden.8

13Da die ältere Naturrechtslehre darauf gerichtet war, den Ausbau des absolutistischen Staates voranzubringen, wurde der Gedanke des Gesellschaftsvertrages zur Begründung des völligen Verlustes der Freiheit des Individuums im Staat herangezogen.

Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts tritt der Gedanke der Begrenzung von Herrschaft in den Vordergrund, zunächst als moralisch verpflichtende Selbstbindung des Herrschers.9

14Die jüngere Naturrechtslehre führte Ende des 18. Jahrhunderts zur Annahme echter Freiheitsrechte, die den Untertanen gestatteten, begrenzte Lebensbereiche autonom zu gestalten. Diese Entwicklung fand vor dem Hintergrund des Übergangs von einer starren Ständeordnung zu einer bürgerlichen Gesellschaft statt. Aus den natürlichen, aber abdingbaren iura connata wurden unveräußerliche Grundrechte, die auch der Staat nicht entziehen kann.

15Damit veränderte sich der Gesellschaftsvertrag. Nicht die bloße Sicherung von Leib und Leben wurde als Kern des Staatszwecks angesehen, sondern die Gewährleistung der natürlichen Rechte des Einzelnen. Der Staat wurde zum Garanten der natürlichen unveräußerlichen Freiheitsrechte der Individuen.10

Inhaltlich umfasste der Freiheitsbegriff die persönliche Freiheit, die Abschirmung der Privatsphäre gegen den Staat, sowie die Herstellung und Sicherstellung eines Bereichs der Öffentlichkeit durch die Pressefreiheit. Außerdem wurde die Ausklammerung des Ökonomischen aus der staatlichen Tätigkeit durch Eigentums­, Handels- und Gewerbefreiheit sowie Rechtssicherheit durch Bindung des Fürsten an das positive Recht gefordert.11

16Die ideengeschichtliche Entwicklung von Grund- und Menschenrechten spiegelt sich seit dem Mittelalter in geschriebenen Deklarationen wider. Erste verfassungsrechtliche Verbürgungen von Grund- und Menschenrechten finden sich jedoch erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Staatsrecht II

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