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II.Magna Charta und frühe Grundrechtsverbürgungen

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17Heute gilt als allgemein anerkannt, dass die Magna Charta aus dem Jahr 1215 die erste verbürgte Grundrechtserklärung gewesen ist.

18Historisch gesehen ist dies aus zweierlei Gründen nicht richtig: Zum einen gab es frühere Rechtsverbürgungen und durchaus nicht nur in England; hierzu gehören die Freiheitsbriefe, die sich die Cortes von Léon, die Ständische Versammlung der Bischöfe, Magnaten und Bürger in Spanien 1188 bestätigen ließ. In diesen waren etwa das Recht aller Einwohner auf Wahrung des anerkannten Gewohnheitsrechts, das Recht des Angeklagten auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, sowie die Unverletzlichkeit des Lebens, der Ehre, des Hauses und des Eigentums enthalten.12 Zum anderen enthielt die Magna Charta gar keine Grundrechte, in dem Sinne, wie wir sie heute verstehen. Die in ihr enthaltenen Freiheitsverbürgungen haben vielmehr den Charakter von Privilegien und korporativen Rechten.13

19Die Magna Charta wurde von den Baronen und dem Klerus dem englischen König Johann (1199–1216, genannt Ohneland) abgetrotzt und enthielt in nur ganz geringfügigem Umfang Rechtsverbürgungen, zumal diese sich mehr auf die Garantien der Privilegien des Adels richteten und vor allem in keinem einzigen Punkt allgemeine Rechtsgleichheit gewährleisteten.14 Immerhin enthielt sie Gewährleistungen für den Adel, die Einfluss auf die spätere Rechtsentwicklung haben sollten. So garantierte der König in Abschnitt 39 der Magna Charta, dass er keinen freien Mann gefangen nehmen oder des Landes verweisen oder verfolgen werde, außer aufgrund rechtmäßigen Urteils seiner Standesgenossen oder auf Grund des Landesrechts.15 Freie Männer, also „Freiherren“, waren nach mittelalterlichem Rechtsverständnis nur Adlige. Schließlich durften die Steuern nur mit Zustimmung des Adels erhoben werden. Der König verpflichtete sich, diese Rechte zu achten und zu halten. Bei einer Verletzung dieser Rechte sollten die Barone die Untertanen zum Widerstand anführen.

20Trotz ihrer nur beschränkten Rechtsgeltung fand die Magna Charta über das common law Einzug in das allgemeingültige Recht Englands.

21Es gibt weitere Beispiele für ähnliche Rechtsgewährleistungen in Europa, neben den erwähnten Freiheitsbriefen der Cortes von Léon gibt es Charten aus Dänemark (1282), Belgien (1316), Tirol (1342), die „Joyeuse Entrée“ in Brabant (1356) und Tübingen (1514).16 In diesen Urkunden kommt der Gedanke der Beschränkung der Herrschaftsgewalt durch objektives staatliches Recht zum Ausdruck.17

Diese Erklärungen sind als sog. Herrschaftsverträge zu verstehen, in welchen der Herrscher mit den Ständen einen Vertrag über die Bedingungen seiner Herrschaft schließt. Die darin enthaltenen Rechte sind objektiven Charakters, die nicht individuell, sondern korporativ gewährt wurden.18

22Rechtsverbürgungen, die dem heutigen Grundrechtscharakter weit näher kommen, haben sich erst in späteren Jahrhunderten, zunächst in England, später auch auf dem Kontinent, entwickelt.

Staatsrecht II

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