Читать книгу Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian - Heinz Bellen - Страница 17
ОглавлениеSeine Prägung hatte das Haus des Augustus außer durch den Princeps selbst vor allem durch seine Frau Livia erhalten. In mehr als 50 Ehejahren war die hochgebildete, kluge und schöne Frau geradezu die Repräsentantin des Idealbildes der mater familias gewesen und hatte dem Haus ihres Mannes den Nimbus verliehen, den es brauchte, um den Anspruch auf den Prinzipat dynastisch zu verankern. Der testamentarisch von Augustus angeordnete Übergang seines Ehrennamens auf Livia war in dieser Hinsicht die Krönung ihres Lebens im Dienste der domus Augusta.
In der Prinzipatskonzeption des Augustus war den Mitgliedern des Kaiserhauses eine weltweite Aktivität zugedacht. Er selbst hatte auf großen Reisen (30 / 29, 27 – 24, 22 – 19, 16 – 13, 11 / 10, 8 / 7 v. Chr.) meist in Begleitung der Livia fast alle Provinzen des Reiches aufgesucht (Suet. Aug. 47; Tac. ann. 3, 34, 6). Agrippa war in Ost und West tätig gewesen, ebenso Tiberius. Drusus hatte in Gallien ‘regiert’, C. Caesar war am Euphrat mit dem Partherkönig zusammengetroffen. Kurzum: Das Kaisertum hatte sich allgegenwärtig gezeigt.
Augustus war durch seine Reisen persönlich mit dem Zustand des Imperium Romanum bekannt geworden. Gleichzeitig hatte Agrippa im Auftrag des Augustus die geographischen Gegebenheiten im ganzen Reich erkundet. Die Resultate dieser Aktivitäten waren das ›Breviarium totius imperii‹ des Augustus (oben S. 2) und die Erdkarte des Agrippa in der Porticus Vipsania auf dem Marsfeld. Die beiden Dokumente ergänzten sich: Die Angaben des einen betrafen die Administration des Reiches, die des anderen seine Beschaffenheit. Beide vermittelten ein Bild von der maiestas imperii Romani (Plin. nat. hist. 14, 2).
Die im Jahre 27 v. Chr. vorgenommene Teilung der Provinzen zwischen Augustus und dem Senat hatte der ‘Einheit’ des Reiches keinen Abbruch getan; sie hatte vielmehr ausgleichend gewirkt, indem sie der unterschiedlichen ‘Befriedung’ der einzelnen Provinzen dadurch Rechnung trug, daß sie die ‘gefährdeten’ unter ihnen der Militärmacht des Augustus unterstellte. Im übrigen waren dem Princeps die Senatsprovinzen ja keineswegs verschlossen; im Besitze des imperium maius konnte er auch ihnen seine Fürsorge (cura) zuteil werden lassen.
Vom Standpunkt der Romanisierung hatte der Westen einen weiten Vorsprung vor den übrigen Länderkomplexen. Die Kolonisationstätigkeit Caesars und des Augustus hatte in Gallien und Spanien Verhältnisse geschaffen, die denen Italiens in vieler Hinsicht angenähert waren. So entsprach z. B. das von Agrippa in Gallien geschaffene Straßennetz mit Lugdunum/Lyon als Zentrum ganz dem italischen, das von Rom ausging (Strab. 4, 6, 11). Lugdunum war auch politisch die ‘Hauptstadt’ Galliens, da dort der im Jahre 12 v. Chr. konstituierte Landtag der Tres Galliae (Belgica, Lugdunensis, Aquitania) seinen Sitz hatte: Die alljährlichen Feiern am Altar der Roma und des Augustus verbürgten gewissermaßen die Loyalität der 60 civitates Galliarum gegenüber Rom. Die Tres Galliae waren provinciae Caesaris, d. h., an ihrer Spitze standen Statthalter des Kaisers. Ein Heereskommando besaßen diese drei legati Augusti pro praetore allerdings nicht. Die Legionen lagen am Rhein und sicherten den Uferdistrikt, der den Namen Germania (superior und inferior) erhielt. Zwei Heereskommandeure konsularischen Ranges residierten in Mogontiacum/Mainz und Ara Ubiorum/Köln; sie geboten über jeweils 4 Legionen.
Im Unterschied zu den Tres Galliae war die Gallia Narbonensis Senatsprovinz mit einem Proconsul an der Spitze. Dem Besucher bot sie sich gar nicht als Provinz, sondern als ein Stück Italiens dar (Plin. nat. hist. 3, 31), und sie war dies so sehr, daß selbst auf dem Land sich der italische Einfluß deutlich bemerkbar machte (Strab. 4, 1, 12). Die Städte der Narbonensis waren mit ihrer Vielzahl monumentaler Bauten – man denke nur an den Pont du Gard bei Nemausus/Nimes – geradezu Abbilder der italischen Kolonien und Munizipien, abgesehen natürlich von Massilia/Marseille, das seinen griechischen Charakter behielt. Narbo hatte als bedeutendste Kolonie auch die wichtigste Kultstätte der ‘munizipalen’ Augustus-Verehrung aufzuweisen, den im Jahre 11 n. Chr. eingeweihten Altar (Corp. Inscr. Lat. XIII 4333).
Der Narbonensis in Gallien entsprach die Baetica in Spanien. Auch sie war Senatsprovinz, auch sie war so stark romanisiert, daß der Baetis (Guadalquivir) fast als Fluß Italiens angesehen werden konnte (vgl. Strab. 3, 2, 5). Da, wo er in die Provinz eintrat (bei Castulo), stand als Wahrzeichen der Ianus Augustus auf einer Brücke, über welche die von den Pyrenäen herkommende Via Augusta nach Corduba und weiter an den Atlantischen Ozean führte (Corp. Inscr. Lat. II 4701). Von den 175 Städten der Baetica besaß fast ein Viertel (46) römisches oder latinisches Recht (Plin. nat. hist. 3, 7). Zu ihnen gehörte das Municipium Gades (Cádiz), dessen Einwohnerzahl nur von Rom übertroffen wurde. Die Baetica sah in Augustus ihren großen Wohltäter. In einem Weihgeschenk rühmte sie seine „ständige Fürsorge“, der die Provinz ihre Einbeziehung in die Pax Augusta verdanke (Corp. Inscr. Lat. VI 31267).
Der größere Teil Spaniens (Tarraconensis/Lusitania) gehörte zum Befehlsbereich des Augustus. 3 Legionen waren dort stationiert, und zwar in den neu eroberten Landschaften des Nordwestens (Asturia/Gallaecia, Cantabria), die Augustus der Tarraconensis zugeschlagen hatte. Für den Statthalter dieser Provinz war dementsprechend konsularischer Rang erforderlich. Von den Legionen ging eine romanisierende Wirkung aus (Strab. 3, 3, 8), wie sie im Kerngebiet der Provinz (am Ebro) von den Kolonien und Munizipien ausgeübt wurde. 43 Städte in der Tarraconensis hatten römisches oder latinisches Recht. Das ist, wie in der Baetica, ein Viertel aller Städte (179), wobei aber berücksichtigt werden muß, daß es in der großen Provinz außer den Städten noch viele (114) Landgemeinden gab (Plin. nat. hist. 3, 18). Die Kolonie Tarraco war die Hauptstadt der Provinz. Augustus hatte hier eine Kultstätte (Quint. 6, 3, 77), vergleichbar dem Altar von Narbo (oben S. 14). Die andere ‘kaiserliche’ Provinz Spaniens, Lusitanien, war gewissermaßen ein Anhängsel der Tarraconensis und daher als Statthalterschaft keineswegs begehrt, auch wenn mit der Kolonie Emerita Augusta/Merida eine großartig angelegte Hauptstadt zur Verfügung stand. Es gab in Lusitanien ebenso viele nichtstädtisch organisierte Völkerschaften wie Städte (45). Von letzteren hatten 9 römische oder latinische Rechtsstellung, so daß immerhin das Verhältnis 1:5 zu den peregrinen Städten bestand.
Gallien und Spanien waren unter Augustus zum „stärksten Teil“ des Imperium Romanum herangewachsen (Tac. hist. 3, 53, 3). Das galt in jeder Hinsicht, besonders aber in bezug auf die spanischen Bergwerke. Waren doch zu den ergiebigen Silberminen des Südostens (Carthago Nova u.a.) die Goldminen im Nordwesten hinzugekommen, aus denen schon bald jährlich bis zu 20 000 Pfund (6,5 t) gewonnen wurden (Plin. nat. hist. 33, 77).
Augustus hatte erkannt, daß die Verbindung zwischen Italien und Gallien so lange nicht als gesichert gelten konnte, wie die Völkerschaften in den Westalpen der Kontrolle Roms nicht unterstanden. Seinen Entschluß zur Eingliederung dieser Grenzgebiete in das Imperium Romanum hatte er dann auf die gesamte Gebirgskette der Alpen ausgedehnt, um auch die Nordgrenze Italiens bis zur Adria „zu befrieden“ (Mon. Anc. c. 26). Die großangelegte militärische Operation des Jahres 15 v. Chr. fand ihren Niederschlag im Tropaeum Augusti (La Turbie bei Monaco, Plin. nat. hist.3, 136 / 7) und auch im Ehrenbogen von Segusio (Susa bei Turin, Corp. Inscr. Lat. V 7231). Das Westalpengebiet war seitdem in drei Regionen geteilt: Alpes Maritimae, Cottiae, Poeninae, mit Vorstehern aus dem Ritterstand (praefecti). Am Genfer See (lacus Lemannus) stießen die Alpenregionen an das Gebiet Rätiens. Mit der Annexion dieses Landes hatte Augustus Rom hier militärisch an die Donau (Danuvius) herangeführt, was im östlich anschließenden Noricum schon durch friedliche Einwirkung geschehen war. Beide Gebiete blieben in der Hand des Augustus. Die schon erwähnten Donaulegionen aber standen nicht hier, sondern in Pannonien (3), Dalmatien (2) und Mösien (2), d. h. an der mittleren und unteren Donau (neben Danuvius auch: Hister): Der Fluß bildete in seiner ganzen Länge die Nordgrenze des Reiches.
Pannonien war erst im Jahre 9 n. Chr. als nördliche Hälfte des Großraums „Illyrien“ unter Hinzufügung des östlichen Teils von Noricum (mit Carnuntum) zur selbständigen Provinz erhoben worden. Der Pannonische Aufstand (6 – 9 n. Chr.) hatte gezeigt, welche Gefahr für Italien von dieser Nordostecke ausgehen konnte (10 Tage bis Rom: Vell. 2, 111, 1). Die sogenannte Bernsteinstraße verband Carnuntum mit Aquileia. Zwei der drei dem konsularischen Statthalter (legatus Augusti pro praetore) unterstellten Legionen waren an dieser Straße stationiert (Carnuntum/Petronell, Poetovio/ Pettau). Die südlich der Save (Savus) beginnende Provinz Dalmatia, ebenfalls unter einem konsularischen legatus Augusti pro praetore stehend, bildete an der Adriaküste das Gegenstück Italiens: Von Iader im Norden bis Lissus im Süden gab es 12 Kolonien und Munizipien (Plin. nat. hist. 3, 140 – 144). Hauptstadt und Statthaltersitz war Salona. Augustus hatte die Kolonie (Martia Iulia) zum Ausgangspunkt wichtiger Straßen ausersehen. An einer dieser Straßen (nach Scodra) lag die eine der beiden dalmatischen Legionen in Garnison (Tiburium), die andere hatte ihr Lager in Burnum als Bollwerk am Fuß der dinarischen Alpen.
An der unteren Donau hatten Kämpfe mit den Dakern zur Einrichtung eines Heereskommandos im östlich von Pannonien/Dalmatien gelegenen Mösien geführt, dem zwei Legionen zugeordnet waren. Augustus behauptete zwar in seinem Tatenbericht, die Daker seien durch eine römische Militäraktion nördlich der Donau gezwungen worden, „die Befehle des Römischen Volkes auszuführen“ (Mon. Anc. c. 30), doch waren die Verhältnisse südlich des Flusses zur Zeit seines Ablebens keineswegs stabil. Sie waren wohl auch dadurch beeinträchtigt, daß der letzte Teil des Donaulaufes die Nordgrenze Thrakiens bildete, das als Klientelfürstentum nur indirekt der Herrschaft Roms unterstand.
Durch die Einrichtung des Heereskommandos in Mösien war die Provinz Macedonia zur Etappe geworden. Die Via Egnatia, die von der Adria an die Ägäis führte, hatte dadurch an Bedeutung noch gewonnen. Ihr Ausgangspunkt Dyrrhachium war von Augustus zur Kolonie erhoben worden. Die Vermessung der Straße hatte 245 Meilen (363 km) bis Thessalonice ergeben (Plin. nat. hist. 4, 36). Sie führte aber darüber hinaus (bis Cypsela am Hebrus, Strab. 7, 7, 4); man konnte auf ihr also auch Amphipolis und die Kolonie Philippi erreichen. Die Provinz Macedonia hatte einen Landtag, der in Beroea seine Versammlungen abhielt und die Augustus-Verehrung pflegte. Der vom Senat bestellte Statthalter (proconsul) hatte dagegen seinen Sitz in Thessalonice.
Auch die Provinz Achaea, die sich südlich an Macedonia anschloß, war eine Senatsprovinz. Ihr neues Gesicht aber hatte sie durch persönliche Maßnahmen des Augustus erhalten. Unter diesen ragten zwei riesige Stadtgründungen hervor: Nicopolis und Patrae. Ganze Landstriche mit ihren Bewohnern waren in ihnen aufgegangen. Nicopolis, als griechische Stadt am Meerbusen von Ambracia gegründet, hielt die Erinnerung an den Sieg von Actium (31 v. Chr.) wach – im Namen und durch die alle vier Jahre hier stattfindenden Spiele (Actia). Patrae, am Eingang zum Korinthischen Golf als römische Veteranenkolonie mit Eleutheria für die griechische Bevölkerung angelegt, konnte sich hinsichtlich seiner Bedeutung durchaus mit der caesarischen Kolonie Korinth und der altehrwürdigen Stadt der Athener messen. Letztere hatte ihrerseits römisches ‘Kolorit’ erhalten: ein Forum östlich der Agora und einen Altar der Roma und des Augustus auf der Akropolis.
Die Renommierprovinz des Senats war Asia; ihr Gouverneur, der, wie alle Senatsstatthalter, den Titel „Proconsul“ führte, mußte in diesem Falle vorher wirklich Consul gewesen sein. Der Renommiercharakter der Provinz aber ging auf Augustus zurück: Der Schuldenerlaß nach dem Sieg über Antonius (Dio Chrysost. or. 31, 66) und die Ankurbelung des Geldumlaufs durch die massenhaft geprägten Cistophoren waren Voraussetzungen für den Aufschwung des Wirtschaftslebens, der sich alle 4 Jahre in der 30tägigen Messe in Pergamum manifestierte (Epigr. Anat. 14, 1989, 15 f.). Gegen Störungen des Gesundungsprozesses wie das große Erdbeben des Jahres 12 v. Chr. hatte Augustus sein eigenes Vermögen eingesetzt (Cass. Dio 54, 30, 3). Glanz war auf Asia gefallen durch die Errichtung des Roma-und-Augustus-Tempels in Pergamum und die Feier der Romaia Sebasta. Aufsehen hatte auch erregt, daß der Landtag der Provinz einen neuen Kalender zu Ehren des „Gottes“ Augustus eingeführt hatte. Die Sitzung über diese Ehrung hatte in Smyrna stattgefunden; die großen Städte wachten argwöhnisch über ihre Gleichberechtigung wie überhaupt alle Städte in der Pflege des Augustus-Kultes wetteiferten. Hauptstadt der Provinz war nach dem Willen des Augustus Ephesus geworden. Römische Kolonien gab es nur zwei in Asia: Alexandria Troas und Parium (am Hellespont); in ihnen hatte Augustus Veteranen angesiedelt.
Den Norden Kleinasiens (am Schwarzen Meer) nahm die Provinz Bithynia et Pontus ein. Sie hatte mit Asia den Status einer Senatsprovinz gemein und auch die Existenz eines Landtags, der in Nicomedia zusammentrat. Mit Asia zusammen hatte der bithynische Landtag 29 v. Chr. vom späteren Augustus die Erlaubnis erhalten, ihm und der Göttin Roma einen Tempel zu bauen; Nicomedia war zum Standort gewählt worden. Auch von dem schon erwähnten Schuldenerlaß hatte Bithynia et Pontus profitiert. Aber an den Wohlstand in Asia reichte die nördliche Provinz bei weitem nicht heran.
Den beiden kleinasiatischen Senatsprovinzen war im Osten Galatia als provincia Caesaris vorgelagert. Charakteristisch für dieses große Gebilde waren die Veteranenkolonien in der Landschaft Pisidien. Sechs lagen dicht beieinander und waren durch eine Straße (Via Sebaste) verbunden (Corp. Inscr. Lat. III 14401 a–c); zwei weitere in nicht allzu großer Entfernung verstärkten den Eindruck, daß sie militärische Aufgaben zu erfüllen hatten: den Schutz der Provinz gegen die keineswegs befriedeten Völkerschaften des Taurus. Die bedeutendste dieser Kolonien war Antiochia (in Pisidien). Die Provinz Galatia hatte von sich reden gemacht, als im Jahre 3 v. Chr. die Bevölkerung der neu hinzugekommenen Landschaft Paphlagonien einen Treueid auf Augustus und seine Nachkommen leistete (Inscr. Lat. Sel. 8781). Galatia hatte einen Provinziallandtag mit Sitz in Ancyra und einen Roma-und-Augustus-Tempel.
Weiter im Osten hatte Augustus es bei dem Klientelsystem belassen, das von Pompeius errichtet worden war, um zwischen die römischen Provinzen und das Partherreich eine Pufferzone zu legen. Pontus (die Osthälfte), Cappadocia und Commagene waren in den Händen von Königen, die der römischen Oberhoheit unterstanden. In seinem Tatenbericht hatte Augustus sich ausdrücklich zu dieser Politik der „Vorfahren“ (maiores) bekannt (Mon. Anc. c. 27), freilich in einem Falle, in dem sie erfolglos geblieben war: Armenia konnte im Jahre 14 n. Chr. beim besten Willen nicht als römischer Klientelstaat bezeichnet werden. Der römische Einfluß endete vielmehr am Euphrat, dem Grenzfluß der drei genannten Königreiche – und der Provinz Syria.
Syrien (mit dem Ostteil Kilikiens, der Pedias) war als Grenzprovinz eingerichtet. Vier Legionen hatten ihre Standlager tief gestaffelt im Land. Das nördlichste bei Cyrrhus war das strategisch wichtigste, weil es dem Euphrat-Übergang bei Zeugma am nächsten lag. Auch Antiochia am Orontes, die Hauptstadt der Provinz, hatte eine Legion in ihrer Nähe, die dem Statthalter des Augustus, einem Konsularlegaten, schnelle militärische Aktionen ermöglichte. Im Süden der Provinz gab es zwei römische Veteranenkolonien, Berytus und Heliopolis (Baalbek), die offenbar die Bergstämme des Libanon in Schach halten sollten. Im Jahre 6 n. Chr. war dem Statthalter Syriens – P. Sulpicius Quirinius hatte diesen Posten inne – die Aufgabe zugefallen, das südlich angrenzende Iudaea als Provinz zu organisieren. Der Zensus, den er als Grundlage für die Besteuerung durchführte, hatte bei der Bevölkerung einen antirömischen Effekt ausgelöst. Mit dieser Hypothek war die Tätigkeit des praefectus Iudaeae belastet, der als ständiger Vertreter des Augustus in Caesarea Maritima residierte.
Eine Sonderstellung unter den römischen Provinzen nahm Ägypten ein. Das Land der Pharaonen und Ptolemäer war von Augustus sozusagen für das Haus der Julier reserviert worden. Kein Angehöriger der römischen Führungsschicht durfte es gemäß einer „geheimen Regierungsmaxime“ (Tac. ann. 2, 59, 3) ohne seine Erlaubnis betreten. Der enorme Reichtum des Landes hatte Augustus zum reichsten Mann in Rom gemacht. Mit dem Getreide vom Nil war ihm die Deckung des Getreidebedarfs der Stadt am Tiber zu einem Drittel in die Hand gegeben (Jos. bell. Iud. 2, 16, 4, § 386). Zwei Legionen hatte er ins Land gelegt, weniger als Besatzung denn als Einsatzreserve für die Euphratfront; Alexandria und Babylon Fossatum/Kairo waren ihre Garnisonen. Den im Falle Ägyptens besonders wichtigen Statthalterposten hatte Augustus einem Präfekten aus dem Ritterstand (praefectus Alexandreae et Aegypti) anvertraut, der ein Imperium „ähnlich dem eines Prokonsuls“ besaß (Dig. 1, 17, 1).
Von den beiden großen Inseln des östlichen Mittelmeeres hatte Zypern in der Regierungszeit des Augustus nur durch eine Hilfsaktion des Princeps für die durch ein Erdbeben zerstörte Hauptstadt der Insel Aufsehen erregt; Paphus führte seitdem mit Genehmigung des Senats den Beinamen „Augusta“ (Cass. Dio 54, 23, 7f.). Als Provinz unterstand Cyprus einem vom Senat bestellten Prokonsul; ein Landtag vertrat die Belange der Provinzialen und erwies dem Augustus kultische Reverenz.
Auch Creta, die andere der angesprochenen Inseln, gehörte zu den Senatsprovinzen; auch sie hatte einen Provinziallandtag. Anders als Cyprus aber bildete sie eine Doppelprovinz: Creta war mit Cyrene zu einem Verwaltungsbezirk verbunden. Die Hauptstadt der Insel, das alte Cnossos, hatte den Status einer römischen Kolonie; italische Umsiedler (aus Capua) waren hier für ihre Landverluste in der Triumviratszeit entschädigt worden. In Cyrene dagegen gab es im ganzen Land nur 215 römische Bürger mit einem Vermögen von mindestens 2500 Denaren. Die Griechen waren hier die wichtigste Bevölkerungsschicht. Und doch hatten sie unter der Vormachtstellung der Römer im Gerichtswesen zu leiden gehabt, bis ihnen von Augustus im Jahre 7 / 6 v. Chr. eine für sie günstigere Gerichtsordnung gegeben worden war. Das diesbezügliche Edikt ist eines von fünfen, die auf einer Stele in griechischer Sprache erhalten sind (Font. iur. Rom. anteiust. I 68). Sie wurde 1927 bei Ausgrabungen auf der Agora von Cyrene gefunden, wo übrigens ein Augusteum dem Wohltäter der Provinz huldigte.
Der Küstenstreifen an den beiden Syrten westlich der Cyrenaica gehörte zur Provinz Africa, die durch den Beinamen „Proconsularis“ ihre Stellung als Senatsprovinz kundtat. Sie bestand aus den ‘republikanischen’ Provinzen Africa Vetus (Carthago) und Africa Nova (Numidia) und konkurrierte im Rang mit Asia: Beide hatten Konsulare als Statthalter, der Prokonsul von Africa aber konnte für sich in Anspruch nehmen, daß seine Provinz als einzige des Senats über eine Legion verfügte, die unter seinem Kommando stand. Ihr Lager im Süden der Provinz (Ammaedara) diente vor allem dem Schutz gegen den Berberstamm der Musulamii. In Africa hatten Caesar und Augustus im großen Stil ‘kolonisiert’. Mehr als 20 Kolonien gab es in drei Ballungsräumen: im Bereich der alten Provinz mit Karthago als Zentrum, am mittleren Bagrada (Sicca Veneria u. a.) und im Westen Numidiens um Cirta. Africa war der Getreidelieferant par excellence für Rom (2 / 3). Dem hatte die von Augustus verfügte Vermessung (centuriatio) des Landes Rechnung getragen. Der afrikanische Weizen war besonders gut, auch wenn es nur selten vorgekommen sein dürfte, daß aus einem Saatkorn 400 Halme sproßten. Augustus aber hatte ein solches Wunderwerk der Natur in Händen gehalten (Plin. nat. hist. 18, 94).