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Vieles, was Livia durch das ablehnende Verhalten des Tiberius versagt blieb, erreichte Agrippina mühelos, nachdem sie 49 Claudius geheiratet hatte und 50 zur Augusta erhoben worden war. Ihre Gleichstellung mit dem Princeps fand den deutlichsten Ausdruck in der Repräsentation: Trug Claudius den Feldherrnmantel (paludamentum), so auch sie einen diesem entsprechenden Umhang (Plin. nat. hist. 33, 63), nahm Claudius auf hohem Sitz die Huldigung eines auswärtigen Fürsten entgegen, so auch sie auf einem ebensolchen Sitz thronend (Tac. ann. 12, 37, 4). Völlig neu war auch, daß Agrippinas Porträt (zu Lebzeiten!) auf den Reichsmünzen erschien (Rom. Imp. Coin. I2 126, Nr. 80) – wie das des Claudius. Aber auch was die tatsächliche Macht anbelangte, so übte Agrippina sie in gleichem Maße aus wie Claudius. Beispielsweise war die Einsetzung des Prätorianerpräfekten Sex. Afranius Burrus (51) ihr Werk, und die Erhebung ihres Geburtsortes zur Kolonie italischen Rechts (50) verewigte gar ihren Namen: Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln). Noch mehr erhöht wurde ihre Stellung zu Anfang der Regierung ihres Sohnes Nero. Dann aber begannen Seneca und Burrus der Übersteigerung ihrer Ansprüche entgegenzuwirken, und schließlich sagte auch Nero sich von ihr los – durch Mord (59). Im Gegensatz zu Agrippina hatte ihre Vorgängerin als Gattin des Claudius, Messalina, nicht den Augusta-Titel erhalten. Aber ihr Einfluß auf Claudius und das Geschehen am Hofe war nicht geringer als der Agrippinas. Nur wählte Messalina mehr das heimliche Vorgehen und die Intrige. Immerhin war sie bei dem Prozeß gegen D. Valerius Asiaticus (47) persönlich anwesend; die Verhandlung fand allerdings intra cubiculum statt (Tac. ann. 11, 2, 1). Vieles, was sie tat, ging zu Lasten ihrer Habgier; die Verurteilung des Valerius Asiaticus brachte ihr z. B. die horti Lucullani am Mons Pincius ein. Ihr im übrigen lasterhaftes Leben kulminierte im Jahre 48 in der Heirat mit ihrem Liebhaber C. Silius, als Claudius für einige Zeit in Ostia weilte. Die Rache des der Lächerlichkeit preisgegebenen Princeps ließ nicht auf sich warten: Messalina, Silius und alle Vertrauten des Paares wurden für ihr hochverräterisches Wagestück mit dem Tode bestraft.

Messalina und Agrippina waren bei ihren Aktivitäten am Hofe in starkem Maße auf die Unterstützung der kaiserlichen Freigelassenen angewiesen, die als Inhaber der großen Hofämter unter Claudius zu solcher Bedeutung heranwuchsen, daß man geradezu von einem neuen Machtfaktor des Prinzipats sprechen konnte. Es waren insbesondere drei Ressorts (ministeria, Tac. hist. 1, 58, 1), deren Leiter zu den wichtigsten Männern in der Umgebung des Claudius zählten: Das Finanzwesen lag in den Händen des Pallas, der die Dienstbezeichnung a rationibus führte. Die amtliche Korrespondenz gehörte zu den Aufgaben des Kanzleichefs (ab epistulis) Narcissus, und die Entscheidungen, die auf Grund privater Eingaben zu treffen waren, wurden von Callistus, dem Leiter des Ressorts a libellis, bearbeitet. Neben diesen drei Freigelassenen war in der ersten Hälfte der Regierung des Claudius noch Polybius tätig, dessen Aufgabenbereich die kulturellen Angelegenheiten umfaßte (a studiis). Auf die Position dieses Freigelassenen wirft die Tatsache, daß Seneca ihm zum Tode seines Bruders eine Trostschrift (›Consolatio ad Polybium‹) widmete, grelles Licht. Die genannten ‘Ministerien’ waren Ausdruck der beginnenden Bürokratisierung der kaiserlichen Verwaltung. Zugleich signalisierten sie die Etablierung einer neuen Gruppe von Führungskräften im Dienste des Princeps. Als Freigelassene waren sie diesem, ihrem Patron, in besonderem Maße verbunden.

Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian

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