Читать книгу Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian - Heinz Bellen - Страница 32
ОглавлениеDer Beitrag, den die römischen Juristen zur Fortentwicklung des römischen Rechts leisteten, ist sehr hoch zu veranschlagen. Sie waren es, die durch ihre Rechtsgutachten eine geradezu rechtschaffende Tätigkeit ausübten. Das traf vor allem für die Juristen zu, die vom Kaiser mit der Vollmacht, kraft seiner auctoritas zu respondieren, ausgezeichnet wurden (vgl. oben S. 8). Man könnte die Rechtsgelehrten insgesamt auch als das Gewissen der Rechtspflege bezeichnen, wenn man an den Widerstand denkt, den sie Caligulas rechtsverletzenden Gerichtsverfahren (Suet. Cal. 38) entgegensetzten. Kein Wunder, daß der Kaiser ihnen androhte, er werde die ganze Rechtswissenschaft auslöschen (Suet. Cal. 34, 2). Diese stellte auch ‘korporativ’ einen beachtlichen Faktor im öffentlichen Leben Roms dar. Sie war in zwei Schulen organisiert, deren Häupter ihr Wissen in praxisbezogener Weise an den Nachwuchs weitergaben. Masurius Sabinus und C. Cassius Longinus standen der einen Schule vor, deren Anhänger daher Sabiniani oder Cassiani genannt wurden. Die andere Schule hatte in M. Cocceius Nerva und Proculus ihre Häupter; ihre Anhänger hießen Proculiani.
Bedenkt man, daß es seit Caligula fünf Richterdekurien (Suet. Cal. 16, 2) zu je 1000 Mitgliedern, insgesamt also 5000 Richter gab, die für die ordentlichen Prozesse bereitstanden, und nimmt man hinzu, daß Claudius die Gerichtsferien verkürzte (Suet. Claud. 23, 1) und der Prozeßverschleppung entgegentrat (Font. iur. Rom. anteiust. I 44), so muß man die Überzeugung gewinnen, daß die Kaiser dem Gerichtswesen und damit dem Grundsatz, daß jeder zu seinem Recht kommen sollte, große Aufmerksamkeit schenkten. Der Zivilprozeß vollzog sich als zweigeteiltes Formularverfahren vor dem praetor (urbanus, peregrinus) und einem iudex; für Erbschaftssachen höheren Streitwertes war der Zentumviralgerichtshof (mit legis actio) zuständig. Kriminalprozesse fanden vor den seit Sulla bestehenden bzw. unter Augustus hinzugekommenen quaestiones perpetuae mit einem praetor als Vorsitzenden und großer Geschworenenbank statt.