Читать книгу Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian - Heinz Bellen - Страница 29
ОглавлениеDie Brandkatastrophe des Jahres 64 erforderte Sühnemaßnahmen gegenüber den Göttern. Nach Befragung der Sibyllinischen Bücher wurden der gesamten Bürgerschaft Bittgebete an Volcanus, Ceres und Proserpina aufgetragen; die Matronen sollten sich zusätzlich an Iuno wenden (Tac. ann. 15, 44, 1). Rom erlebte eine Manifestation des alten Götterglaubens! Es war noch nicht zwei Jahrzehnte her, daß Claudius das achthundertjährige Bestehen der Stadt mit ludi saeculares (47) gefeiert und das Augurium Salutis für den fortwährenden Bestand Roms (49) erneuert hatte. Jetzt lag die Stadt in Trümmern, und man mußte darüber nachdenken, was wohl den Zorn der Götter erregt hatte.
Nero fand auf die Frage nach der Ursache des göttlichen Zorns die Antwort, daß ein neuer „Aberglaube“ die Eintracht mit den Göttern störe. Er gab daher den Anhängern dieser superstitio – Christen nannten sie sich – die Schuld an dem großen Unglück und stellte sie unter Anklage. Er konnte dies um so leichter, als im Volk die Meinung verbreitet war, sie begingen allerlei „Schandtaten“ (flagitia). Zugleich trat Nero damit dem Gerücht entgegen, er selbst sei für den Brand verantwortlich, weil er Rom neu begründen wollte (Tac. ann. 15, 44, 2; Suet. Nero 16, 2).
In bezug auf die Christen in Rom wußte man, daß ihr Name auf Christus zurückging, der unter der Regierung des Tiberius in Judäa durch den Statthalter Pontius Pilatus (26 – 36) hingerichtet worden war. Sie selbst besaßen die Glaubensgewißheit, daß Jesus Christus der Gekreuzigte von den Toten auferstanden war und sich dadurch als Sohn Gottes ausgewiesen hatte. In den Verhören, denen die Christen auf Geheiß Neros unterworfen wurden, kam zutage, daß ihnen eine Haltung eigen war, welche protokollarisch als „Haß gegen das Menschengeschlecht“ (odium generis humani) festgehalten wurde (Tac. ann. 15, 44, 3 - 4). Nach ihrem eigenen Verständnis befanden sie sich im Widerstreit mit ‘dieser Welt’, deren baldiges Ende sie erwarteten. Nero ließ die Christen in großer Zahl auf grausame Art (u. a. durch Verbrennung) zu Tode bringen. Schauplatz des Martyriums waren die Gärten der Agrippina auf dem Vatikan, wo im Circus (des Caligula) gleichzeitig Wagenrennen stattfanden.
Die römische Christengemeinde, über die Neros Verfolgung hereingebrochen war, hatte das Ansehen einer starken Bastion des sich ausbreitenden Christentums. „In der ganzen Welt spricht man von eurem Glauben“, schrieb der Apostel Paulus 55 in einem für diese Gemeinde bestimmten Brief (Rom. 1, 8). Nachdem er die „Frohbotschaft“ (Evangelium) von der Erlösung der Menschen durch Jesus Christus auf drei großen Missionsreisen im Osten verkündet hatte, wollte er nach Rom kommen und weiter nach Spanien reisen. Er kam (59) – allerdings als Gefangener, um vom Kaiser den Richterspruch zu empfangen, den er vor dem Gericht des Statthalters in Jerusalem unter Berufung auf sein römisches Bürgerrecht erbeten hatte (vgl. oben S. 34). Paulus fand in Rom den Tod, vielleicht im Zusammenhang mit der neronischen Verfolgung. Als Beisetzungsort gab man eine Stelle an der Via Ostiensis an, wo später die Basilica S. Paolo fuori le mura errichtet wurde. Die Überlieferung (Euseb. hist. eccl. 2, 25, 5 – 8) weiß auch vom gleichzeitigen Märtyrertod des Apostels Petrus in Rom; seine Grabstätte zeigte man am Vatikan, und auch über ihr erhob sich später eine Basilica (S. Pietro in Vaticano).
Das Christentum war eng mit dem Judentum verbunden. Paulus, selbst ein Jude, suchte überall, wo er auftrat, zunächst den Kontakt mit den Synagogengemeinden, so auch in Rom (Act. apost. 28, 17 – 29). Es gab hier (im Stadtteil Trans Tiberim) ein halbes Dutzend Synagogen mit Tausenden von Glaubensgenossen. Die Juden in Rom bildeten ein unruhiges Bevölkerungselement und wurden deshalb mehrfach von repressiven Maßnahmen betroffen. Tiberius ging im Jahre 19 gegen sie vor, weil ihre missionarische Aktivität (Proselytenmacherei) bedrohliche Ausmaße angenommen hatte: 4000 Freigelassene jüdischen Glaubens wurden zum Militärdienst einberufen, die übrigen Juden und Proselyten, soweit sie Peregrine waren, aus Rom und Italien ausgewiesen. Eine dauerhafte Maßnahme war dies indes nicht. Denn beim Regierungsantritt des Claudius gab es wieder eine große Anzahl Juden in Rom. Im Jahre 49 sah Claudius sich veranlaßt, der Unruhe, die sie verursachten, mit einem erneuten Ausweisungsbefehl zu begegnen. Er brachte damit eine Maxime zur Anwendung, die er 41 gegenüber den alexandrinischen Juden aufgestellt hatte: Wenn sie sich nicht in die Ordnung fügten, in der sie lebten, werde er gegen sie vorgehen „wie gegen Menschen, die in der ganzen Welt eine allgemeine Seuche erregen“ (Corp. Papyr. Iudaic. II 153, Spalte V, Zeile 98 – 100). Die Vorkommnisse in Rom waren also Teil einer im Entstehen begriffenen ‘Judenfrage’, die in Alexandria zum Pogrom, in Judäa zum Krieg führte (unten S. 60f.).