Читать книгу Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian - Heinz Bellen - Страница 24
ОглавлениеDas ‘offizielle’ Hervortreten der kaiserlichen Freigelassenen unter Claudius und der Einfluß, den dessen Frauen auf die öffentlichen Angelegenheiten ausübten, ließen eine Entwicklung kulminieren, die das „Haus“ (domus) des Princeps zum „Hof“ (aula) im speziellen Sinne des Wortes ausgestaltete. Dazu gehörte auch, daß der Name „Caesar“, nachdem Claudius ihn mit dem Erbe der Julier übernommen hatte, zur ebenso festen Benennung des Princeps wurde wie „Augustus“, die Person des jeweiligen „Kaisers“ also zurücktrat. Caesaris bzw. Augusti liberti oder servi nannten sich daher die Freigelassenen und Sklaven des Kaiserhofes auf ihren Inschriften, und „an den Kaiser“ appellierte der Apostel Paulus, als ihm in Jerusalem der Prozeß gemacht werden sollte (Act. apost. 25, 11). Zur ‘Institutionalisierung’ des Kaisertums trugen nicht zuletzt die Liegenschaften bei, welche die einzelnen Principes in Rom, Italien und den Provinzen anhäuften. Sie führten mit ihrer Größe und Pracht jedermann den Reichtum des Kaisers als solchen vor Augen.
In Rom war es natürlich der Kaiserpalast, von dem die größte Wirkung ausging. Tiberius baute im Nordwesten des Palatins eine neue, gemessen an dem Haus des Augustus imposante Residenz, die Domus Tiberiana (jetzt unter den Farnesinischen Gärten). Caligula erweiterte sie in Richtung auf den Castor-Tempel am Forum, den er als Vestibulum benutzte. Nero schließlich verband Palatin und Esquilin durch die Domus transitoria, später (nach dem Brand von 64) durch die Domus aurea. Mit dieser riesigen Prachtanlage wurde gewissermaßen ganz Rom zum Palast des Kaisers. So beurteilten jedenfalls Spötter den Bau (Suet. Nero 39, 2). Mit der Domus aurea müssen in einem Atemzug genannt werden die Nero-Thermen (in der Nähe des Pantheons) als architektonisch ebenso neue Form kaiserlicher Repräsentation.
Auf dem Esquilin lagen die Gärten des Maecenas und des Lamia. Erstere hatte Augustus, letztere Tiberius geerbt. Solche Gartenanlagen boten vielfältige Möglichkeiten der Nutzung durch die Kaiser; sie waren Residenzen besonderer Art. Caligula empfing z. B. in den horti Maecenatiani et Lamiani eine Gesandtschaft der Juden aus Alexandria (Philo leg. 44 – 45). Es gelangten nun im Laufe der Zeit immer mehr Gärten in kaiserlichen Besitz. Vor allem auf dem Mons Pincius im Norden der Stadt lagen sie dicht beieinander (horti Domitiorum, Lucullani, Sallustiani). Die Gärten der (älteren) Agrippina auf den Montes Vaticani jenseits des Tibers wurden durch den Circus, den ihr Sohn Caligula hier errichten und mit einem gewaltigen ägyptischen Obelisken auf der Spina ausstatten ließ, zur Attraktion (der Obelisk steht seit 1586 auf dem Petersplatz). Erwähnenswert sind noch die horti Serviliani (im Süden Roms) als Schauplatz des Abfalls von Nero im Jahre 68 (unten S. 68).
Den Gärten in Rom entsprachen die zahlreichen Villen in Italien. Auch sie waren kaiserliche Residenzen, wie am besten der zehnjährige Aufenthalt des Tiberius auf der Insel Capri (Capreae) mit ihren zwölf Villen (Tac. ann. 4, 67, 3) beweist. Aber auch die Tatsache, daß der Senat sich 63 nach Antium begab, um Nero zur Geburt seiner Tochter Claudia zu beglückwünschen, läßt die dortige Villa als Residenz erscheinen. Von der Villa des Claudius in Baiae ist erst kürzlich der Speisesaal mit seiner Statuenausstattung, die den Kaiser in den Kreis der julisch-claudischen Ahnen stellte, dem Meeresboden entrissen worden. Ein ebenso spektakulärer Fund aus dem Jahre 1930 führt von den Küsten Latiums und Kampaniens in die Albaner Berge: Aus dem Nemisee (lacus Nemorensis) konnten zwei riesige Schiffe Caligulas geborgen werden, deren luxuriöse Ausstattung der von Villen glich.
Die kaiserlichen Gärten und Villen in Rom und Italien waren, auch wenn der Kaiser sich nicht gerade in ihnen aufhielt, ‘belebt’. Scharen von kaiserlichen Freigelassenen und Sklaven versahen in ihnen ihren Dienst. Procuratores, vilici, dispensatores bildeten die oberen Chargen; über die Berufe, welche das untergeordnete Personal ausübte, gibt zusätzlich eine Liste Auskunft, die aus Antium erhalten ist (Corp. Inscr. Lat X 6638). Allein schon auf Grund ihrer großen Zahl repräsentierten die auf den kaiserlichen Liegenschaften tätigen Freigelassenen und Sklaven das Kaiserhaus. Diese Feststellung gilt auch für die Provinzen, wo die Zahl der kaiserlichen Güter und Bergwerke stetig wuchs. Es genügt, zwei herausragende Fälle des ‘Erwerbs’ zu nennen: Tiberius beanspruchte nach der Hinrichtung des Sex. Marius aus dessen der Staatskasse verfallenem Vermögen die ergiebigen spanischen Bergwerke für sich (Tac. ann. 6, 19, 1), und Nero wußte es dahin zu bringen, daß sechs Grundeigentümer, denen die Hälfte des afrikanischen Bodens gehörte, hingerichtet wurden und ihm ihre Güter zufielen (Plin. nat. hist. 18, 35).