Читать книгу Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian - Heinz Bellen - Страница 9
ОглавлениеVon den Magistraturen hatte das Konsulat die engste Verbindung zur libertas. Beide bezeichneten den Anfang der Republik (Tac. ann. 1, 1, 1). Am Konsulat ließ sich daher in besonderem Maße das Verhältnis des Augustus zur Republik ablesen. Dreizehnmal war er Konsul gewesen, aber auf Dauer wollte er dieses höchste Amt nicht führen – sicher auch aus Scheu vor der republikanischen Tradition. Andererseits bot gerade das Konsulat dem Princeps die Möglichkeit, als der zu erscheinen, der er sein wollte: Vindex libertatis (wie L. Iunius Brutus, der erste Konsul). Es war deshalb mehr als ein verfassungsrechtlicher Ausweg, daß Augustus sich im Jahre 19 v. Chr. das imperium consulare hatte übertragen lassen. Er erhielt dadurch das Recht, die Insignien des Konsulats zu führen (12 lictores, sella curulis, toga praetexta), d. h. diese mit seiner Princepsstellung zu verbinden. Den Glanz des Konsulats hatte Augustus sich auch insofern zunutze gemacht, als er Konsularen die wichtigsten der ihm anvertrauten Provinzen als seinen Statthaltern übertrug. Der erhöhte Bedarf an Konsularen wurde durch Verkürzung der Dauer des Konsulats auf 6 Monate erreicht: Jahr für Jahr gab es zwei consules ordinarii und mindestens zwei consules suffecti.
Konsulat und Prätur waren im Jahre 5 n. Chr. dem herkömmlichen Wahlverfahren entzogen worden. Zehn aus Senatoren und Rittern der Richterdekurien gebildete Zenturien trafen seither über die Kandidaten für diese Ämter eine Vorentscheidung, welche dann den comitia centuriata zur formellen Wahl präsentiert wurden (Tabula Hebana, Année épigr. 1949, 215). Dadurch, daß die zehn Zenturien nach den verstorbenen Adoptivsöhnen des Augustus, C. und L. Caesar, benannt waren, erfolgte die destinatio dieses Gremiums gewissermaßen in ihrem Namen. Eine stärkere Einwirkung auf die Beamtenwahlen hatte Augustus durch die direkte Empfehlung (commendatio) von Kandidaten für die einzelnen Ämter praktiziert, sei es persönlich (Suet. Aug. 56, 1), sei es schriftlich (Cass. Dio 56, 34, 2), und weiter durch die Beteiligung an der Qualifikationsprüfung für die Amtsbewerber, die zu deren nominatio führte. Dieses letztere Verfahren war von besonderer Bedeutung für die Bewerber um die unterhalb der Quästur liegenden Ämter des sog. Vigintivirats. Denn Augustus hatte sich das Recht zu sichern gewußt, Aspiranten aus nichtsenatorischen Familien durch Verleihung der Tunica mit dem breiten Purpurstreifen (latus clavus) den Aufstieg vom Ritter- in den Senatorenstand und damit die Ämterlaufbahn zu ermöglichen.
Augustus hatte vor, das Wahlrecht des Volkes in den Komitien noch weiter zu beschneiden. In seinem Nachlaß fand sich nämlich eine ordinatio comitiorum (Vell. 2, 124, 3), welche dem Senat die Aufstellung der endgültigen Kandidatenliste (nominatio) zuwies. Tiberius führte diese Anordnung des Augustus im Jahre 15 aus (Tac. ann. 1, 15, 1). Dadurch wurde die eigentliche Wahlhandlung in den Senat verlegt, der Volksversammlung blieb nur die Zustimmung zu dem an sie gelangenden Wahlvorschlag. Zu dieser von Augustus initiierten Bedeutungsminderung der Komitien stand in krassem Gegensatz die Einschätzung, welche er ihnen bei seiner eigenen Wahl zum pontifex maximus (12 v. Chr.) zuteil werden ließ: Nie zuvor seien so viele Menschen aus ganz Italien nach Rom geströmt (Mon. Anc. c. 10). Ebenso urteilte er über die Erlangung des Pater-patriae-Titels im Jahre 2 v. Chr.: Es war nach seiner Meinung das gesamte römische Volk (populus Romanus univerus), welches ihm zusammen mit Senat und Ritterstand den Titel antrug (Mon. Anc. c. 35).
Im Tatenbericht des Augustus stehen neben solchen Äußerungen über den populus Romanus andere, die eine enge Verbindung des princeps zur plebs urbana bezeugen. Ihren Grund hatte diese letztere Beziehung in der liberalitas des Augustus, d. h. in Geld- und Getreidespenden (congiaria, frumentationes) zu besonderen Anlässen (Mon. Anc. c. 15 + 18). Die Zahl der Plebejer, die davon profitierten, schwankte zwischen 100 000 und 320 000. Sie gehörten zum Kreis der Empfänger kostenlosen Getreides, der seit C. Gracchus (123 v. Chr.) bzw. P. Clodius (58 v. Chr.) existierte. Augustus war zu der Einsicht gelangt, daß er diese ihm wenig sympathische Institution akzeptieren müsse, um seinen Prinzipat nicht zu gefährden (Suet. Aug. 42, 3). Daraus resultierte die 2 v. Chr. geschaffene, auf der Tribusordnung beruhende Organisation der plebs frumentaria, wie sie später (Front. princ. hist. 17) genannt wurde; sie umfaßte 200 000 in Rom lebende Bürger bestimmter Qualifikation. Für sie war Augustus als Inhaber der cura annonae der Garant des täglichen Brotes.