Читать книгу Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian - Heinz Bellen - Страница 8
ОглавлениеSo hatte denn Augustus alles getan, um für den Augenblick Vorsorge zu treffen, wenn der Tod ihn von der statio principis abberiefe. Selbst die Tötung des seit 7 n. Chr. verbannten Agrippa Postumus, der Tiberius hätte gefährlich werden können, scheint auf Befehl des Augustus erfolgt zu sein. Der Princeps wollte unter allen Umständen erreichen, daß sein Adoptivsohn Tiberius in den Stand gesetzt würde, dem Staat in der gleichen Weise vorzustehen, wie er selbst das mehr als ein halbes Jahrhundert getan hatte. „Fortsetzung des Prinzipats“ hieß das Leitwort, das Tiberius schon 4 n. Chr. bei seiner Adoption (Vell. 2, 104, 1: rei publicae causa) mit auf den Weg gegeben worden war. Es zog die Konsequenz aus den vielfältigen Veränderungen, welche Augustus im Staate vorgenommen hatte, um den von ihm erstrebten besten Zustand zu erreichen.
Gegenüber der Republik war dieser Zustand „neu“ (Suet. Aug. 28, 2). Daß auch Augustus dies so sah, hatte er durch die Klassifizierung seiner Gesetze als novae leges angedeutet (Mon. Anc. c. 8). Sie zeugten von seiner Absicht, das Staatsinteresse stärker zur Geltung zu bringen, als dies bei den Eigeninteressen der republikanischen Gruppierungen (Optimaten – Popularen) möglich gewesen war. In ähnlicher Weise hatte Augustus den Streit um die Gerichte zwischen Senatoren und Rittern zugunsten des Staates entschieden: Dadurch, daß die Gerichte unter seinem Prinzipat ihre Funktion als Herrschaftsmittel verloren, konnten Senatoren und Ritter nebeneinander ihre Richterfunktion ausüben, und es schuf keine Probleme, daß die Ritter numerisch dominierten. Überhaupt war es Augustus gelungen, das Verhältnis der beiden Stände zu entspannen. Die Ritterschaft fühlte sich in ihrem Prestige gestärkt durch die ihr von Augustus (lex Iulia theatralis) endgültig gesicherten Sonderplätze im Theater (14 Stufen im Anschluß an die Sitze der Senatoren bei der Orchestra). Ebenso wirkte auf ihr Selbstbewußtsein die von Augustus reorganisierte transvectio equitum, bei der die iuniores jährlich am 15. Juli vor dem Princeps paradierten. Sie rechnete es sich auch zur Ehre an, daß die Adoptivsöhne des Augustus, C. und L. Caesar, als principes iuventutis an ihrer Spitze gestanden hatten. Nicht zuletzt erfüllte es sie mit Genugtuung, daß ihr von Augustus Teilhabe an der Macht gewährt worden war: Als praefectus praetorio, vigilum, annonae, Aegypti hatten Ritter geradezu Schalthebel der Macht in ihren Händen.
Man konnte also von einer Einbindung des Ritterstandes in das System des Prinzipats sprechen. Sie beruhte auf der Voraussetzung, daß Augustus die Kontrolle über die Zusammensetzung des ordo equester übernommen und in zahlreichen recognitiones equitum ausgeübt hatte. Die gleiche Voraussetzung galt nun auch in bezug auf den Senat und den Senatorenstand. Augustus hatte in mehreren lectiones senatus die Zahl der Mitglieder von 1000 auf 600 herabgesetzt, den für Ritter und Senatoren geltenden Zensus von 400 000 Sesterzen auf 1 Million Sesterzen für Senatoren erhöht und den patrizischen Kern des Senats verstärkt. Durch seine Möglichkeiten der Einflußnahme auf die Besetzung der Magistraturen (s. u.) waren „neue Männer“ vor allem aus den Kolonien und Munizipien Italiens in den Senat gelangt (Corp. Inscr. Lat. XIII 1688, Spalte 2, Zeile 1 – 4), und durch Heranziehung von Senatoren für die Statthalterposten in den ‘kaiserlichen’ Provinzen hatte die senatorische Karriere neue Maßstäbe erhalten. Augustus war princeps senatus gewesen, und er hatte die ihm auf Grund der tribunicia potestas zustehenden Befugnisse gegenüber dem Senat so ausgestalten lassen (Einberufung auch außerordentlich, Antragstellung auch schriftlich), daß die Geschäftsordnung des Senats ihm sozusagen anheimgegeben war. Nichtsdestoweniger hatte Augustus sorgfältig darauf geachtet, daß der Senat seine alte Funktion als Regierungsorgan behielt, auch wenn unter den gegebenen Verhältnissen nur eine Mitregierung in Frage kam. Es ließ sich also die Meinung vertreten, der Senat verkörpere weiterhin die libertas, dann mußte man aber eingestehen, daß diese Freiheit nur den Spielraum neben dem Princeps bezeichnete.