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In der Praxis war es Tiberius, der dem Senat das Tor zum Mitregiment weit aufstieß, indem er die Körperschaft mit einem Großteil der anfallenden Regierungsgeschäfte befaßte (Aufzählung: Suet. Tib. 30). Tiberius war es aber auch, der seine dabei vorhandenen guten Absichten in Mißkredit brachte, weil er einem mit der Kompetenzstärkung des Senats einhergehenden Übel nicht entschieden genug wehrte: Der Senat wuchs unter Tiberius in die Rolle des Gerichtshofs für politisch relevante Verbrechen hinein, die Mitgliedern der beiden oberen Stände angelastet wurden. Dabei trat mehr und mehr eine Verbrechenskategorie in den Vordergrund, die in der Republik den Staat als solchen betraf, unter Augustus aber auf die Person des Princeps fixiert wurde: das crimen laesae maiestatis. Mit ihm wiederum griff eine Unsitte um sich, die atmosphärisch verheerend wirkte: die Bereitschaft eines bestimmten Personenkreises zur Denunziation. Caligula ließ die unter seinem Vorgänger in Erscheinung getretenen Denunzianten (delatores) zwar zur Rechenschaft ziehen, aber mit einer neuen, von ihm selbst ausgelösten Welle von Majestätsprozessen (39 / 40) verbreitete auch das Denunziantentum wieder seinen Schrecken. Erst Claudius befreite den Senat von dem Zwang, Majestätsprozesse durchführen zu müssen, und dieser Zustand währte bis in die späteren Jahre Neros. Die Denunziationen allerdings hörten dadurch keineswegs auf, denn sie hatten sich längst auf alle Anklagemöglichkeiten ausgedehnt. Mit dem Delatorenunwesen aber ging das der Advokaten einher, die sich für ihren Prozeßbeistand an den hochgestellten Angeklagten bereicherten, obwohl ihnen auf Grund eines alten Gesetzes (lex Cincia, 204 v. Chr.) die Annahme von Honoraren untersagt war. Claudius paßte das Gesetz den veränderten Verhältnissen an und ließ im Jahre 49 durch Senatusconsultum eine Höchstgrenze (10 000 Sesterzen) für Anwaltshonorare festsetzen (Tac. ann. 11, 7, 4).

Ungeachtet der negativen Nebenwirkungen profitierte der Senat von seiner Ausgestaltung zum Gerichtshof. Vor allem stärkte die durch Präzedenzfälle wie den des M. Granius Marcellus (15 n. Chr.) sich etablierende Zuständigkeit für Repetundenprozesse gegen die Statthalter der ‘Senatsprovinzen’ die Aufsicht des Senats über eben diese Provinzen und damit über denjenigen Teil seines Aufgabenkreises, der am ehesten an die glanzvollen Zeiten als ‘Regierungsorgan’ der Republik erinnerte. Solcher Glanz erfüllte z. B. die Kurie, als im Jahre 22 zahlreiche (12) Gesandtschaften aus den Städten der Provinz Asia die Gründe für die Fortgeltung des Asylrechts ihrer Tempel vortrugen und der Senat „nach freier Entscheidung“ (Tac. ann. 3, 60, 3) darüber befand. Aber zu solch selbstherrlichen Senatsbeschlüssen kam es selten, der Trend ging dahin, alle Entscheidungen von einiger Wichtigkeit dem Princeps zu überlassen. Tiberius sah den Grund für die Unfähigkeit des Senats, als echter Partner bei den Regierungsaufgaben zu fungieren, in der Servilität der Senatoren. Diese wiederum resultierte aus der Einsicht, daß der Prinzipat unabänderlich, ein Arrangement mit ihm daher vonnöten sei. Es war eben eine andere Senatorengeneration als die der Zeit vor den Bürgerkriegen! Nur wenige Charaktere ließen sich mit den Maßstäben des mos maiorum messen, der Jurist C. Cassius Longinus etwa und der Stoiker Thrasea Paetus (beide unter Nero). Ihre Auftritte im Senat hatten noch ‘republikanisches’ Format (vgl. Tac. ann. 14, 43 f.; 15, 20 f.). Das Verhalten der übrigen Senatoren war durchweg von Opportunismus bestimmt.

Die Ausrichtung des Senats auf den Princeps fand ihren sinnfälligen Ausdruck in der von Tiberius fortgesetzten Praxis des Augustus, häufig bei Senatssitzungen anwesend zu sein. Das hatte freilich zur Folge, daß sich bei Abweichung von dieser Regel Unsicherheit im Senat einstellte, die eventuell dazu führte, den gefaßten Beschluß erst nach Rückfrage beim Princeps in Kraft zu setzen. Solche Konsultationen wurden ihrerseits zur Regel, als Tiberius im Jahre 27 seine Residenz von Rom nach Capri verlegte und dort bis an sein Lebensende (37) blieb. Unter den folgenden Principes erhielt die Entwicklung, welche die Beziehungen zum Senat in der Regierungszeit des Tiberius genommen hatten, Modellcharakter: Bei Anwesenheit des Princeps im Senat dominierte seine sententia, im anderen Falle unterbreiteten ihm die Konsuln das Senatusconsultum zur Bestätigung oder Ablehnung.

Eine wesentliche Veränderung im äußeren Erscheinungsbild der Kurie trat unter Caligula im Jahre 40 ein: Der Princeps erhielt an besonderer Stelle einen erhöhten Sitz (Cass. Dio 59, 26, 3). Wenn dies auch aus Sicherheitsgründen geschah – vorhergegangen war die Aufdeckung einer Verschwörung –, so brachte der suggestus in curia (Flor. 2, 13, 91) doch die Superiorität des Princeps gegenüber dem Senat zum Ausdruck. Hinzu kam, daß Caligula bei gleicher Gelegenheit das Recht erhielt, eine Eskorte, bestehend aus Offizieren der Prätorianergarde, mit in die Kurie zu bringen, wie dies schon für Tiberius beschlossen worden war (Cass. Dio 58, 18, 5) – die militärische Macht des Princeps ragte jetzt in den Senat hinein!

Höhepunkte im Zusammenwirken von Senat und Princeps waren Reden des letzteren in der Kurie (orationes principis), die einen bestimmten Senatsbeschluß herbeiführen sollten. Claudius z. B. beantragte im Jahre 48 in eingehender Darlegung, den führenden Männern der Tres Galliae den Eintritt in den Senat und den Aufstieg zu den hohen Ämtern (honores) zu gestatten. Die Rede wurde auf einer Bronzetafel in Lugdunum (Lyon) publiziert und ist heute noch dort (Musée de la Civilisation Gallo-Romaine) vorhanden (Corp. Inscr. Lat. XIII 1668, vgl. Tac. ann. 11, 23, 1 – 25, 1). Der Vorstoß des Claudius stand im Zusammenhang mit der lectio senatus und der Kreierung neuer Patrizier, die er im Rahmen seiner Zensur (47 / 48) vornahm. Sein Engagement für das Ansehen des Senats machte solchen Eindruck, daß ihm der Titel pater senatus angetragen wurde, den er freilich nicht annahm.

Eine Senatssitzung, die sozusagen ganz Rom mobilisierte, fand unter Nero im Jahre 61 statt: Der Mord am Stadtpräfekten L. Pedanius Secundus durch einen seiner Sklaven erhitzte die Gemüter. Denn er hatte zur Folge, daß alle Sklaven, die sich zur Tatzeit im Hause des Ermordeten befunden hatten, hingerichtet werden mußten – so wollte es das SC Silanianum aus der Zeit des Augustus (oben S. 6). Der Senat hatte jetzt darüber zu befinden, ob die rund 400 Sklaven des Pedanius Secundus – Männer, Frauen, Kinder – tatsächlich die Strafe der Kreuzigung erleiden sollten. Die Plebs solidarisierte sich mit den inhaftierten Sklaven und verlangte deren Schonung, da sie doch unschuldig seien. Auch im Senat wurde Mitleid mit den vielen Opfern geäußert, aber die Mehrheit der Senatoren stimmte für die Anwendung des SC Silanianum, weil, wie C. Cassius Longinus in einer großen Rede betonte, nur Furcht die gewaltige Sklavenmasse in Zaum halten könne. Nach Bekanntwerden des Exekutionsbeschlusses rottete sich die Plebs erst recht zusammen; schlimme Ausschreitungen waren zu befürchten. Da griff der Princeps ein. Er ließ den Weg zur Richtstätte auf dem Campus Esquilinus durch Soldaten absperren und verschaffte so dem Senatsbeschluß die Durchsetzung (Tac. ann. 14, 42 – 45). Princeps und Senat wirkten zusammen, um ein Exempel zu statuieren, in dem sich die gemeinsame Sorge um die Sicherheit der Sklavenhaltung manifestierte.

Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian

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