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Der Rote Ritter Ein eigennütziger Fischer

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Kehren wir zurück zu der ersten Begegnung mit Sigune, nachdem der Knabe mit seinen anfänglichen Schritten in die Welt sein erstes Unheil angerichtet hat. Parzival ist zunächst weit entfernt davon, sich irgendeiner Schuld bewusst zu sein, und auch der «in seinem Namen» getötete Ritter in den Armen der Jungfrau hält ihn nicht etwa zur Selbstbesinnung an, sondern befeuert seinen stürmischen Tatendrang noch zusätzlich. Es drängt ihn nach Rache: «‹Wenn ich das rächen kann, so will ich es gern vollbringen.› Da zog es ihn unversehens in den Kampf (dô was im gein dem strîte gâch).» Sigune weist ihm aber einen falschen Weg. Das Schicksal meint es gut mit ihm; in seinem blinden Kampfeseifer wäre er sonst ins sichere Verderben gelaufen.

Parzival reitet nun den ganzen Tag auf seinem Klepper und in Narrenkleidung, artig jeden grüßend, der ihm begegnet, stets mit der Erklärung, dies habe ihm seine Mutter geraten. So kommt er am Abend müde und hungrig zum Haus eines Fischers. Von dem erwartet er nicht nur, dass er ihn zur Nacht beherbergt, sondern auch, dass er ihm den Weg zum Artushof zeigt. Die Szene weist hiermit auf die Zukunft, nämlich auf den Ritt zur Gralsburg, auf dem er auch am späten Abend von einem Fischer, der ihn dann beherbergt, den Weg gewiesen bekommt. Sie ruft uns aber auch den Vortag in Erinnerung, an dem er den «Rat» der Mutter treu befolgte und einen ganzen Tag am Flussufer entlangritt, um das dunkle Wasser zu meiden, bis er eine «helle Furt» fand. Der Fischer holt ja seinen Fang aus unergründlichen Tiefen, allerdings lässt Wolfram keinen Zweifel daran, aus welchen dunklen Untiefen der Fischer schöpft, der Parzival den Weg zum Artushof zeigen soll: aus egoistischen Instinkten. Er ist böse (ein arger wirt), an ihm ist kein gutes Haar. Allein der Hunger zwingt Parzival zur Einkehr. Aber der Wirt ist hart: «‹Ich gäbe Euch nicht ein halbes Brot, auch nicht nach dreißig Jahren.›» Und dann offenbart er ihm die inneren Triebkräfte seines Handelns: «‹Ich sorge mich um niemanden als um mich selbst, danach um meine Kinder.›» Da zeigt sich unverhüllt die Habgier, die sich in den Blutsbindungen zum Familienegoismus weitet. Sie lebt auf Kosten anderer. «‹Ihr kommt mir heute nicht hier herein. Hättet Ihr Geld oder ein Pfand, dann wäre ich bereit Euch aufzunehmen.›» Wie verschafft sich Parzival nun Zugang zu dieser Gesellschaft, womit befriedigt er die Bedürfnisse des Fischers? Mit der Spange, der Beute seines Raubes an Jeschute, mit dem er eine menschliche Beziehung, genau genommen eine familiäre Bindung, zerstört hat. «Als der Dörfler das sah, da lachte sein Mund …» – durch dieses «Wunder» also kommt Parzival in die Gesellschaft des Königs Artus: «‹ich pringe dich durch wunder für des künges tavelrunder.›» Das ist, wie man unschwer erkennt, wahrlich keine «lautere Furt».

Der Fischer kann Parzival allerdings nicht direkt zu Artus bringen, sondern muss ihn in gebührendem Abstand vor den Toren von Nantes absetzen, denn die «Gesellschaft bei Hof ist von solcher Art», dass ein «gemeiner Bauer» ihr nicht nahekommen darf. Die eigentliche Beziehung zur Tafelrunde wird durch eine andere Gestalt hergestellt, die der Knabe allein vor der Stadt antrifft: den «Roten Ritter». Wie sich später herausstellen wird, ist er ein naher Verwandter Parzivals, der Schwager seines Vaters Gachmuret nämlich. Ither von Gahavies, König von Kukumerland, hat der Tafelrunde den Fehdehandschuh hingeworfen und fordert sie zum Kampf heraus, weil er das Erbe seines Vetters Artus beansprucht. Parzival gerät also sofort mitten in eine Familienfehde, ohne seine eigene blutsmäßige Verknüpfung damit zu erahnen. In der nun folgenden Szene übernimmt er eine merkwürdige, alles andere als ehrenwerte Doppelrolle, die er ganz für seine eigenen habgierigen Wünsche ausnutzt. Zunächst bietet er sich Ither als Bote an, vor der Tafelrunde aber dreht er den Auftrag so, dass er mit Billigung von König Artus dessen Interessen gegenüber Ither vertreten darf – letztlich allein, um dessen glänzende Rüstung zu erstreiten.

Der Parzival Wolframs von Eschenbach

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