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Wallfahrt und Wirtschaft (1750–1900)

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Im Juni 1892 feierte der Benziger Verlag in Einsiedeln sein hundertjähriges Bestehen.42 Zum Jubiläum gestalteten Angestellte der Firma ein reich illustriertes Buch, das einen ersten Überblick über die damaligen weitverzweigten Geschäftsbereiche gibt.43 Der Verlag unterhielt nebst einer eigenen Buchdruckerei und Setzerei verschiedene weitere grafische Abteilungen, eine Buchbinderei und Falzerei, ein eigenes Photoatelier sowie eine Fabrikationsabteilung für Spitzenbilder und Rosenkränze. Das Unternehmen betrieb auch einen Devotionalienladen und eine Sortimentsbuchhandlung in Einsiedeln sowie ein Kosthaus für die Angestellten. Der Gebetbuchverlag der Firma Benziger galt damals nach eigenen Angaben als der grösste der Welt.44

Die Verlagswaren von Benziger fanden in der ganzen katholischen Welt Absatz. Geschäftsreisende bereisten für Benziger nebst den katholischen Ländern Europas auch Süd-, Zentral- und Nordamerika. Über die aufstrebende katholische Mission gelangten die Verlagswaren auch in andere überseeische Weltgegenden. Die Amerikagründung von Benziger galt zu jener Zeit als führendes katholisches Verlagshaus der ganzen USA.45

Der Verlag datierte seine Gründung auf den 17. Februar 1792. An diesem Tag schloss Johann Baptist Karl B.-Schädler (1719–1801) einen Gesellschaftsvertrag mit dem Kloster Einsiedeln, der es ihm erlaubte, in Einsiedeln einen Devotionalienhandel auf eigene Rechnung zu betreiben. Die Wurzeln des Unternehmens reichen aber noch weiter zurück. Bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatten Vorfahren der späteren Verleger Devotionalien gehandelt.

Betrachtet man die Entwicklung des Unternehmens in Einsiedeln von seinen Ursprüngen bis etwa ins Jahr 1900, lassen sich zwei Beobachtungen machen: Erstens scheint der vergleichsweise bescheidene Devotionalienhandel, den einzelne Familienmitglieder im 18. Jahrhundert oft neben einer anderen Tätigkeit als Wirt, Posthalter oder Metzger ausübten, für die spätere Entwicklung des Unternehmens von entscheidender Bedeutung. Die Familie schuf ein Netzwerk von Handelspartnern, das sich über die Region Einsiedeln hinaus ins Elsass und in den süddeutschen Raum spannte.46 Mit einzelnen Handelspartnern wurden damals Geschäftskontakte geknüpft, die teilweise bis weit ins 19. Jahrhundert hinein bestanden. Zudem erarbeiteten sich einzelne Familienmitglieder in dieser Zeit ein stabiles Know-how in Handelsgeschäften und als Angestellte in der Klosterdruckerei im Druckerei- und Verlagswesen. Es scheint deshalb lohnenswert, die Geschichte des Benziger Verlags nicht erst mit dem offiziellen Gründungsjahr von 1792 beginnen zu lassen und einem genau festlegbaren Gründungsdatum einen offenen Beginn ungefähr in der Mitte des 18. Jahrhunderts gegenüberzustellen.

Die zweite Beobachtung betrifft die regionale Verankerung des Verlagsunternehmens. Es ist auf den ersten Blick erstaunlich, dass der Benziger Verlag seinen Hauptsitz stets in Einsiedeln beliess, das mit seiner peripheren Lage in den Innerschweizer Voralpen wahrlich keine günstigen Bedingungen für Massenproduktion und den internationalen Absatz bot. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass Einsiedeln zwar in geografischer Hinsicht randständig, auf einer konfessionellen «mental-map» als Wallfahrtsort hingegen ein in der ganzen katholischen Welt bekanntes religiöses Zentrum war. Die Entstehung des Verlagsunternehmens ist ohne die Wallfahrt und die ihr zudienenden Dienstleistungs- und Gewerbezweige nicht zu verstehen. Die Wallfahrt war das Rückgrat, auf das sich der Benziger Verlag stützen konnte, und der durch die Wallfahrt bekannte Name Einsiedeln ein Label, das sich zu Werbezwecken eignete und mit dem sich manche Tür öffnen liess.

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