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Das Dorf im Schatten des Klosters

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All dies soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Einsiedler Wirtschaftsleben bis 1798 weitgehend im Schatten des Klosters abspielte. Das Kloster war zum einen der mit Abstand grösste Arbeitgeber der Region. Es bildete ein eigenständiges Gewerbezentrum. Unter der Aufsicht des Statthalters und grösstenteils innerhalb des Klosterbezirks übten teils eigenes Personal, teils Leute aus dem Dorf unterschiedlichste Gewerbe aus: sei es für die Selbstversorgung mit Lebensmitteln, Werkzeugen oder Textilien, sei es für den Unterhalt von Gebäuden und Gerätschaften oder für den Verkauf. Die klösterlichen Gewerbetreibenden waren Müller, Bäcker, Metzger und Köche, Schneider, Weber, Schmiede, Schreiner, Wagner, Küfer, Gerber, Ziegler und andere mehr. Des Weiteren betrieb das Kloster eine bedeutende Pferdezucht, deren Ursprünge bis ins 16. Jahrhundert zurückreichten. Im Jahr 1841 umfasste der klösterliche Pferdebestand 153 Tiere.63 Auch betrieb das Kloster mehrere Landwirtschaftsbetriebe und exportierte Holz.64

Zum anderen besass das Kloster in vielen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens eine Monopolstellung und kontrollierte die wichtigsten Gewerbe («Ehafte») des Dorfs. Wer ein sogenannt «ehaftes» Gewerbe ausüben wollte, musste beim Kloster eine Konzession beantragen. Zu den «Ehaften» gehörten neben der Metzgerei, Pfisterei, Gerbe, Säge, Schleife und anderen auch das Buchdruckergewerbe sowie der Handel mit Wachsprodukten, Silberwaren und Devotionalien.65

Wenden wir uns nun einen Moment dem historisch wenig untersuchten Devotionalienhandel sowie der Klosterdruckerei zu. Die Einsiedler Chronik von 1752 nennt ein breites Angebot von Devotionalien, die in Einsiedeln verkauft wurden, darunter allerlei Wachswaren, Andachtsbilder, Rosenkränze, Messingwaren und Öl aus den brennenden Ampeln in der Gnadenkapelle.66 Krämer aus dem Dorf, die diese Waren verkaufen wollten, mussten ihre Läden vom Kloster bewilligen lassen und eine Standmiete bezahlen. Die strenge Reglementierung des Krämerhandels führte immer wieder zu Konflikten. Ab dem ausgehenden 16. Jahrhundert haben sich zahlreiche Krämerverordnungen erhalten, die dokumentierten, wie das Kloster versuchte, den einträglichen Verkauf von Wallfahrtsartikeln zu reglementieren und zu kontrollieren.67

Die erste Druckerei in Einsiedeln wurde 1664 im Kloster eingerichtet. Der Betrieb umfasste bald vier, später sechs Pressen. Das Kloster betrieb einen weitläufigen Buchhandel. Handelsreisende («Kolporteure») verkauften die Bücher aus dem klösterlichen Verlag in Süddeutschland, Österreich, Norditalien und im Elsass. Bis 1798 wurden insgesamt rund 1200 Titel im klostereigenen Verlag herausgegeben. Druck, Verlag und Vertrieb lagen alle in derselben Hand beim Kloster. Die Autoren der verlegten Werke waren meist Geistliche aus dem eigenen Konvent. Zum Verlagsprogramm gehörten neben Katechismen, Andachts-, Gebet-, Messbüchern und theologischer Literatur vor allem Schul- und Lehrbücher. Besonders zu nennen sind darüber hinaus die «Einsiedler-Chroniken», eine Mischform zwischen religiösem Erbauungs- und Geschichtsbuch.68

Daneben wurden auch zahlreiche Akzidenzarbeiten wie Bruderschaftszettel, Predigten, Wallfahrts-, Gebets- und Liederzettel gedruckt. Zusätzlich bestand ein Bilderverlag mit rund 300 verschiedenen Bilderausgaben in Kupfer- und Holzstich. Für den Verkauf in der eigenen Buchhandlung im «Wechsel» im Nordflügel des Klosters wurden auch Titel anderer Verlage angeschafft, neben theologischer Literatur und Gebetbüchern vor allem volkstümliche religiöse Kalender sowie Ausgaben antiker Klassiker.

Mit der Druckerei verbunden war die Buchbinderei. Die meisten Buchbinder, zwischen zehn und zwanzig an der Zahl, verrichteten ihre Arbeit zu Hause. In einzelnen Fällen erhielten sie eine Konzession des Klosters, die es ihnen erlaubte, Bücher aus dem Klosterverlag auf eigene Rechnung an die Pilger zu verkaufen. Auch im Falle des Druckergewerbes wusste das Kloster seine Monopolrechte durchzusetzen. Einzelne Versuche von Angestellten, im Dorf ein eigenes Druckereiunternehmen zu gründen, bekämpfte das Kloster rigoros.69

Im Jahr 1798 verlor das Kloster seine alten Monopole schlagartig. Nach kleineren Gefechten in der näheren Umgebung zogen am 3. Mai 1798 französische Truppen in Einsiedeln ein. Das Kloster Einsiedeln war den französischen Revolutionsführern schon länger ein Dorn im Auge: Es hatte sich nicht nur publizistisch gegen die Französische Revolution betätigt, sondern auch zahlreichen aus Frankreich geflüchteten Klerikern Zuflucht gewährt. Die meisten Konventualen flüchteten nur wenige Tage vor der Invasion der französischen Truppen in befreundete Klöster in Österreich, Schwaben und Norditalien. Das Kloster wurde am 17. September 1798 offiziell aufgehoben. Nachdem sich die Lage etwas entspannt hatte, kehrten die ersten Mönche bereits 1801 an ihre alte Wirkungsstätte zurück. Zwei Jahre später wurde das Kloster durch die helvetische Mediationsakte offiziell wiederhergestellt.70 Seine wirtschaftlichen Vorrechte hatte es aber verloren. Mehrere Versuche, das regionale Wirtschaftsleben wie ehedem zu kontrollieren, blieben auf lange Sicht erfolglos.

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