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Einsiedeln als «liberale Hochburg»
ОглавлениеEs ist bezeichnend, dass die grosse Mehrheit der in der ersten Jahrhunderthälfte geborenen Einsiedler Unternehmensgründer politisch liberal gesinnt waren (Tab. 3, S. 372). Der ehemalige Untertanenort, in dem es keine ausgeprägte alte Elite gab, galt im 19. Jahrhundert als «liberale Hochburg» des Kantons.79 Einsiedler Politiker gehörten zu den Wortführern, als sich der Kanton Schwyz im Jahr 1833 vorübergehend in einen konservativen inneren und einen liberalen äusseren Kanton teilte: Einsiedeln war, alternierend mit Lachen im Bezirk March, als Hauptort des Kantons «Schwyz äusseres Land» vorgesehen. Auch dem Sonderbund standen viele Einsiedler skeptisch gegenüber. Sie empfingen die siegreichen eidgenössischen Truppen im November 1847 mit «feierlichem Glockengeläut».80 1848 war Einsiedeln einer von nur zwei Bezirken des Kantons, die der neuen Bundesverfassung zustimmten.81
Allerdings gilt es zu betonen, dass die Bezeichnungen «liberal», «radikal» und «konservativ» im Kanton Schwyz nicht zwingend mit der eidgenössischen Bedeutung identisch sein mussten.82 Die Einsiedler Liberalen befanden sich in einer doppelten Oppositionsrolle. Eine liberale Gesinnung zu haben, bedeutete in Einsiedeln zum einen, die Privilegien des Alten Landes Schwyz zu hinterfragen und für eine gerechte Verfassung einzutreten, die allen Bürgern gleiche Rechte gewähren sollte. Liberal sein bedeutete aber auch, das Kloster, das politisch oft mit Schwyz zusammenspannte, in seinem Bestreben zu bekämpfen, wirtschaftlich und politisch auf den Bezirk Einfluss zu nehmen. Die Einsiedler Liberalen grenzten sich aber deutlich von den Radikalen und Liberalen auf eidgenössischer Ebene ab, die 1844 in Luzern an den Freischarenzügen teilnahmen, und sie waren gegen jegliche Klosteraufhebungen, wohlwissend, dass das Kloster und die Wallfahrt die Quelle ihres relativen Wohlstands waren.83