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2.2.5 Gender hervorbringen und/oder mitlaufen lassen
ОглавлениеInnerhalb der EthnomethodologieEthnomethodologie wird zwischen sozialen Kategorien im Fokus der Aufmerksamkeit und Habitualisierungen, die nur mehr im Hintergrund des Handelns der Menschen mitlaufen, unterschieden. Viele Kategorien sind genderisiert. Das Zuschreiben bringt eine Kategorie hervor oder lässt sie mitlaufen. Im Zentrum des Konzepts der „Mitgliedschaft in einer sozialen Kategorie“ stehen zwei Beobachtungen:
1 Personen werden in Gesprächen mit Hilfe bestimmter Mitgliedschaftskategorien als Zugehörige bzw. Mitglieder bestimmter Gruppen erkennbar gemacht und klassifiziert.
2 Diese Zugehörigkeitskategorien sind ihrerseits in jeweils übergeordnete Kategoriensammlungen integriert, deren einzelne Kategorien zusammengehören:
„Bezeichnungen wie ‚Lehrer‘, ‚Franzose‘ oder ‚Mozartfan‘ erscheinen in dieser Perspektive als Vehikel der Darstellung von Mitgliedschaft bzw. Zugehörigkeit. Bezeichnungen wie ‚Beruf‘ oder ‚Nation‘ erscheinen als die jeweils übergeordneten ‚category sets‘, auf die die Teilnehmer bei dieser Darstellungsarbeit zurückgreifen können. Beide Beobachtungen geben zusammengenommen Anlass für eine Reihe von Fragen, die darum kreisen, wie Mitgliedschaftskategorien in Gesprächen eingesetzt werden und wie sie die Anfertigung und das Verstehen ‚sinnvoller‘ Beschreibungen von Personen und Handlungen, Situationen und Ereignissen ermöglichen und nahelegen1“ (Hausendorf 2002, 27).
Der Reiz dieses von Hausendorf grob umrissenen Konzepts liegt darin, Zugehörigkeit bzw. Mitgliedschaft in einer sozialen Kategorie nicht als ein Phänomen von immer gleicher Relevanz zu behandeln, sondern als eines, das von den Mitgliedern einer Gruppe systematisch erzeugt wird. Spreckels (2006) zeigt beispielsweise, wie eine Mädchenclique bestimmte andere Mädchen als „Britneys“ (in Anlehnung an den Popstar Britney Spears) klassifiziert und unter sich eine Abgrenzung von diesem stark geschminkten und sexy gekleideten Typus betreibt.
Bei Kindern wird die Mitgliedschaftskategorie Mädchen oder Junge zunächst durch Erwachsene hervorgebracht, indem sie den Kindern vergeschlechtlichte Namen geben (Kap. 9, Kotthoff 1994a), indem sie beispielsweise Jungen die Puppen wegnehmen, weil häufiges Mit-Puppen-Spielen nicht als jungenhaft gilt. Hat das Kind sich im Laufe seiner Enkulturation u.a. über Kleidungs- und Verhaltenssemiotiken zu einem erkennbaren Mädchen oder Jungen gemacht, braucht diese Mitgliedschaftskategorie eigentlich nur noch mitzulaufen, kann aber auf unterschiedliche Art und Weise auch betont werden. Mehr oder weniger starke Hervorgehobenheit spielt für das Konzept des doing gender eine entscheidende Rolle. Für Garfinkels Agnes und ihre soziale Umgebung stand zunächst Hervorrufen im Zentrum (zum Hervorrufen eines neuen Geschlechts s. Hirschauer 1993). Das Frau-Sein musste von Agnes für alle verständlich angezeigt und in Interaktionen ausgehandelt und bestätigt werden.
Der Mensch hat viele Identitätsfacetten; nicht alle werden aber in einer Interaktion relevant gesetzt, nicht alle sind genderisiert. Ich kann gleichzeitig Deutsche, Nachbarin, Autofahrerin und vieles mehr sein. Wenn mir wegen Fahrens trotz Rot an einer Ampel der Führerschein entzogen wird, ist Gender irrelevant. Die Dramatisierung einer genderisierten Sozialordnung kann in alltäglichen Begegnungen unterschiedlich vonstatten gehen, auch unterschiedlich stark gewichtet und bemerkbar gemacht.