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2.2.10 Indexing genderindexing gender
ОглавлениеDas Konzept der IndexikalisierungIndexikalisierung/Indizierung von kulturellem Geschlecht fasst die graduelle Relevantsetzung der Phänomene besser, weil es von vorn herein auf ein Erkennen von Typisierungsgraden und -merkmalen innerhalb von Handlungsgemeinschaften setzt, deren Wissen man aus der Forschungsperspektive rekonstruieren kann (etwa so, wie Eckert 2000 es durchgeführt hat, siehe dazu Kap. 12 zur Soziolinguistik). Wenn etwa ein Mann einen Bart trägt, indiziert er durchaus Gender, bringt es aber nicht als zentrales Merkmal in den Vordergrund der Interaktion.
Ein anderer Kritikpunkt am Modell des doing gender betrifft die subjektivistische Orientierung. Tut nur das Individuum Gender, nicht etwa Institutionen?
Alle Institutionalisierungen (wie Herren- und Damenparfüms etc.) und die Massenmedien leisten die permanente Erinnerung der Welt an die von ihnen inszenierten binären Idealbilder von Mann und Fra, wozu auch die Omnipräsenz des erotisierten Blicks auf die Frau gehört. Massenmediale, aber auch andere institutionelle Einflüsse (Kirchen, Militär, Wirtschaft …) liegen jenseits des personalen Handelns der meisten Menschen. Sie verweisen auf die Geschichtlichkeit der normativen Konzeption, die West/Fenstermaker (2002, 540f.) im Blick haben, wenn sie schreiben,
[…] that the doing of gender, race and class consists of the management of conduct in relation to normative conceptions of appropriate attitudes and activities for particular sex category, race category and class category members.
Wenn West und Fenstermaker „doing“ hier „in relation to normative conceptions“ setzen, kommen sie dem durchaus nahe, was wir mit Ochs (1992) als „indexing“ fassen. Sie vernachlässigen aber, dass Gender oder Klasse bereits in Institutionen so eingeschrieben sein kann, dass das Individuum nur wenig tun muss. In vielen institutionellen Bereichen finden sich z.B. in den dort vertretenen Berufen und Machtbereichen Indikationen von Gender.Es sei hier nur kurz angemerkt, dass auch doing class ein sehr problematisches Konzept ist. Gesellschaftliche Klassenverhältnisse sind primär ökonomisch basiert. Wie Ökonomie und Kommunikation zusammengehen, lässt sich im Rahmen dieses Buches nicht klären.
Wenn man für die soziale Konstruktion von Gender eine Relevanzabstufung zwischen den Polen des „doing“ und „undoing“ versucht (Kotthoff 2002a; Günthner/Franz 2012), muss man Praktiken und stilistische Realisierungen derselben verorten, die hinter dem Rücken der Beteiligten und nur „nebenbei“ auch noch Geschlechterrelevanz ergeben. Sie sind als Einzelphänomene nicht salient und treten nur bei eklatanter Abweichung vom Erwartbaren ins Bewusstsein. Erst die Forschungsperspektive kann in den Verhaltens- und Handlungsweisen von Menschen Bezüge zu Gender aufdecken.
Ochs nahm den Befund, dass es für viele sprachliche und kommunikative Verfahren wenig Exklusivität der Genderanzeige gibt (viele Namen sind exklusive Kennzeichnungsverfahren, auch beispielsweise morphologische Markierungen am Verb in slawischen und einigen anderen Sprachen, Kap. 6 und 8), zum Anlass, über nichtexklusive Verfahren der Geschlechtsanzeige nachzudenken. Die Verfahren verlangen die Interpretation der Beteiligten, welche innerhalb von Handlungsgemeinschaften gelingt. Aktivitäten und stilistische Realisierungen von Aktivitäten verweisen auf historisch entstandene soziale Typen, welche so tradiert oder variiert werden können.
Indexikalität1 ist eine Beziehung des Verweisens (Charles Sanders Peirce nach Pape 1993). Das Pronomen ich verweist direkt auf den Sprecher/die Sprecherin, referiert auf ihn/sie (Indexikalität 1. Ordnung). Silverstein (1976) diskutiert auch nichtreferenzielle Indexikalität, wie sie z.B. durch bestimmte Intonationskonturen kommuniziert werden kann (Indexikalität 2. Ordnung). Die Intonationskontur geht z.B. eine assoziative Verbindung mit einem Gefühlsausdruck ein (Tonsprung nach oben kann auf Begeisterung hindeuten). Erst je nach Verbindung mit anderen Phänomenen (wie dem verwendeten Vokabular und der ablaufenden Handlung) konkretisiert sich aber die Beziehung als typisch für ein Gefühl oder jemanden, dem ein solcher Gefühlsausdruck zugeschrieben wird. Das häufige, begeisterte Ausrufen von „super“ und ähnlich positiven Adverbien kann Weiblichkeit indexikalisieren, eine Indexikalität 2. Ordnung anzeigen, wenn der häufige Ausdruck von Begeisterung und Freude in der Gesellschaft für Frauen als normal eingespielt ist. Dann kann er auch für ParodiezweckeParodie genutzt werden.
Da die meisten Namen eindeutig auf ein Geschlecht verweisen (Nübling et al. 2015, hier Kap. 8), sprechen wir mit Silverstein (1976) von „referenzieller Indexikalität“ oder von Indexikalität 1. Ordnung. In der Grammatik des Deutschen verweisen Pronomen der dritten Person Singular direkt auf das Geschlecht von Personen und Genus des Substantivs (Kap. 4). Auch Verwandschaftsbezeichnungen wie MutterMutter, VaterVater, Onkel, Tante usw. verweisen direkt auf Geschlecht (Kap. 7).
Selbst die Verbindung von Gattung und Geschlecht kann einfach und direkt sein, wenn bestimmte Gattungen gesellschaftlich fest an eine GeschlechterrolleGeschlechterrolle gebunden sind (etwa die Predigt in der katholischen Kirche). Oft sind kommunikative Gattungen allerdings nur im Rahmen patriarchaler Ideologien genderisiert. Klatsch wurde oft als weibliches Betätigungsfeld abgewertet, was sowohl in der Zuordnung falsch ist (Johnson/Finlay 1997), als auch in der generellen Abwertung (Bergmann 1981). Lamentationen beispielsweise werden in vielen Kulturen ausschließlich von Frauen praktiziert (Kotthoff 2002b) und bestimmte Jagdgesänge oder verbale Angriffsspiele nur von Männern. Für bestimmte Tätigkeitskomplexe hat sich eine exklusive geschlechtliche Arbeitsteilung herausgebildet, innerhalb derer die kommunikative Gattung dann funktioniert (Günthner 2001). Wenn die in der Gattung ausgedrückten Emotionen, z.B. die der Trauer in georgischen Lamentationen, eher mit Frauen als mit Männern assoziiert werden, fungieren sie als ein Genderindex zweiter Ordnung.
Der Emotionenausdruck der Trauer ist nicht exklusiv weiblich, jedoch historisch eher mit dem öffentlich sichtbaren Trauern von Frauen verbunden. Bis ins letzte Jahrhundert hinein trugen Witwen beispielsweise länger die schwarze Trauerkleidung als Witwer. Mit Cameron (1997) plädieren wir dafür, bei der Erforschung von Sprechen und Geschlecht nicht von stabilen Korrelationen auszugehen, sondern eher davon, dass Stile (und meist auch Gattungen und andere Sprechaktivitäten) in soziale PraktikenKommunikative Aktivität eingebettet sind, in denen auch Gender (neben anderen sozialen Parametern) relevant gesetzt werden kann, aber nicht muss. Eckert/McConnell-Ginet (1992) betonen, dass unser Sprachverhalten von den Aktivitäten geprägt ist, in denen wir uns engagieren und soziale Beziehungen eingehen. Cameron (1997, 34) unterstreicht, dass durch den Begriff der kommunikativen PraxisKommunikative Praktik die Relationen von Sprache, Sprechen und Geschlecht zu vermittelten Relationen werden.