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2.2.8 Gender als semiotische Gestalt

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Genderunterschiede in der Gestaltung des Äußeren (Frisur, Gesichtsgestaltung mit Bart und/oder Make-up, Kleidung) sind außerdem wesentlich offensichtlicher als Sprachverhaltensphänomene (dazu mehr in Kap. 12). Aber nicht einmal dieser Differenzbereich lässt sich einfach auf einer Machtskala abbilden, schließlich ist in den Kulturwissenschaften gut belegt, dass zumindest in vergangenen Jahrhunderten Höherstehende sich einer Semiotik von Feinheit bedienten (Veblen 1899/1997). Seit vielen Jahrzehnten schon sind Spitzen, Seiden und zarte Stoffe weiblich assoziiert. In Cahills Kindergartenstudie deutet sich schon an, dass Gender ein Gestaltphänomen ist, das unbedingt die Darbietung des Äußeren einschließt. Die Kommunikation von Männlichkeit und Grobheit überlappen sich sehr häufig, wie kürzlich Pujolar (2001) in einer Studie über zwei Jugendgruppen in Barcelona erneut gezeigt hat (mehr in Kap. 12). Kaum je „tut“ ein einziges Phänomen allein Gender.

Wenn wir Gender als semiotische Gestalt konzeptualisieren, können wir auch erfassen, dass NeutralisierungsarbeitNeutralisierung auf einer semiotischen Ebene des Handels durch Differenzarbeit auf einer anderen Ebene prinzipiell ausgeglichen werden kann. Die Firmenleiterin setzt sich beispielsweise mit vormals männlich konnotierten Verhaltensweisen gut durch, gibt sich in ihrer Kleidung mit Stöckelschuhen und engen Röcken aber sehr weiblich. Wir können spezifische Transgender-IdentitätenTransgender beschreiben, die beispielsweise Bart und Augenmake-up kombinieren, wie Hall (2003) und Barrett (2017) ausführen. Außerdem wird Gender oft nur „mitvollzogen“ und wird nur mittelbar relevant, wenn etwas anderes zentral ist (ein anderes „doing“ bemerkbar im Vordergrund steht).

Im Bezug auf Situationsbeeinflussung legen einige Studien nahe, dass doing being male oft mit hohen Direktheitsstufen beim Ausdruck von Dissens und Aufforderungen einhergeht (z.B. Goodwin 1990), sich insofern mit Dominanzgebaren überlappt. Klann-Delius (2005) fasst Untersuchungen zum Kommunikationsstil von Müttern und Vätern dahingehend zusammen, dass Väter gegenüber den Kindern häufiger direkte Befehle verwenden als Mütter. Trotzdem wird niemand eine sehr direkte Frau für einen Mann halten. Das heißt, die Beziehung ist weder exklusiv noch hinreichend. In Kap. 13 werden wir sehen, dass in der heutigen Arbeitswelt auch Männer Aufforderungen eher indirekt gestalten.

Über Jahrhunderte hinweg diente die Etikette der Geschlechterbegegnung einer sehr hohen Relevantsetzung von Geschlecht und konstruierte den Unterschied vom sich um die Frau bemühenden Mann und der umworbenen Frau. Beide hatten komplexe Rituale einzuhalten und in allen Nuancen zu verstehen. Burmann (2000) hat ihrer Untersuchung dazu eine umfangreiche Materialbasis von etwa 170 Etikette- und Anstandsbüchern der letzten 250 Jahre zugrunde gelegt. Wenn der Herr der Dame Komplimente machte, dann tat er aus heutiger Sicht genauso Gender wie wenn er sie zum Tanz aufforderte und ein Angebot zur Begleitung machte. Das gesamte rituelle System symbolisierte die Frau als kostbar, moralisch hochstehend und verletzlich. Im Vergleich dazu wird bei Analysen heutiger Speed-dating-Veranstaltungen (Günthner/Franz 2012) deutlich, dass die Kommunikation von Genderdifferenz phasenweise weniger relevant ist.

Genderlinguistik

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