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3.3.2 Die Bibel als Bestandteil der literalen und multimedialen Welt

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Die Bibel wird nicht nur in einer beeindruckenden Größenordnung verbreitet (vgl. 3.1) sondern liegt als Buch in verschiedenartigen Übersetzungen und Übertragungen vor. Systematisiert man die Übersetzungstypen, kann man mit Boecker33 (begriffs-)konkordante, philologische und kommunikative Typen unterscheiden. Derzeit sind rund 35 deutsche Bibelübersetzungen greifbar. Von den gängigsten34 lassen sich die sprachschöpferisch kraftvolle Übersetzung von Buber / Rosenzweig dem konkordanten, die Einheitsübersetzung, die Zürcher Bibel und die Elberfelder Bibel dem philologischen und die Lutherübersetzung sowie die »Gute Nachricht Bibel (1997)« und »Hoffnung für alle (2002)« dem kommunikativen Typ zurechnen,35 ebenso wie die Bibelübersetzung »in gerechter Sprache«.

Die Bibel ist darüber hinaus in unterschiedlichen Buchausgaben erhältlich, deren Spanne vom Taschenformat über die Studienausgabe bis zu bebilderten Hochzeits- und Kunstbibeln reicht.36

Die Lutherbibel unterscheidet sich von den anderen Buchausgaben dadurch, dass sie zentrale Bibelverse graphisch hervorhebt. Diese Praxis geht auf Luther selbst zurück, der mit diesen sogenannten »Kernstellen« Lesehilfen geben wollte. In der Folgezeit wurden die Kernstellen nicht nur deutlich vermehrt (1539: 232 Stellen; 1984: 1116 Stellen),37 sondern es veränderte sich ihre Funktion als Lesehilfe dadurch, dass sie sich mit der typisch protestantischen Erscheinung der Spruchfrömmigkeit verband: Kernstellen dienten als Memorierpensum und vor allem zur Auswahl der zu den Kasualien verwendeten Bibelsprüche (vgl. 3.2.1); diese Praxis erhält ihre binnenkirchliche Plausibilisierung durch die Tradition der Losungen und Monats- bzw. Jahressprüche (vgl. 3.3.1).

In den Übersetzungen und Ausgaben ist die Bibel Teil der Buch- und Lesekultur, die in der literalen Welt des neuzeitlichen Bürgertums ihren Höhepunkt fand.38 Die Transformationen von der literalen zur multimedialen Kulturwelt, denen auf der Angebotsseite durch elektronische oder multimedial vernetzte Bibelausgaben begegnet wird, betreffen alle Bücher. Die Beobachtungen sind ambivalent: Einerseits ist das ›Gutenbergzeitalter‹ insofern beendet, als die Informations- und Unterhaltungsmedien sich in kurzer Zeit vervielfältigt haben, so dass Bücher und Zeitschriften nur noch einen Ausschnitt der Medien darstellen; andererseits bedeutet dies nicht, dass Bücher nicht mehr gelesen werden. Der überaus große Erfolg von Büchern wie derzeit »Harry Potter« oder »Der Herr der Ringe« verdankt sich auch einer geschickten Vermarktung und einer engen Verzahnung von Buch, Verfilmung, TV- und Internetpräsenz (samt virtueller und globaler ›Gemeinden‹ von Insidern). Auch die gehobene Literaturkritik bedient sich inzwischen fernsehtauglicher Formate und wirbt auf diesem Weg für das Lesen.

Durch Präsenz und Präsentation in den Medien kann es zwar gelingen, neue Aufmerksamkeit für die Bibel zu wecken, was die Aktionen im »Jahr der Bibel« belegen (vgl. 3.1). Allerdings lässt sich nicht feststellen, ob dadurch eher Angehörige der Kerngemeinde, volkskirchliche Randsiedler oder Konfessionslose erreicht werden und wie beständig eine solche Aufmerksamkeit sein kann. Die Statistiken der Bibelgesellschaft (vgl. 3.1) belegen, dass mit Ausnahme von Jugendbibeln und Bibeln in Hörbuchversionen die Verbreitungszahlen im »Jahr der Bibel« nicht höher waren als in den vorangegangenen Jahren.

Christian Grethlein hat darauf aufmerksam gemacht, dass das Verständnis von »Moderne« soweit es das Alltagserleben prägt, durch Erfahrung der Beschleunigung von Zeit und Individualisierung sowie ein einfaches naturwissenschaftliches Weltbild gekennzeichnet ist.39 Diese drei Faktoren erschweren modernes Leben mit der Bibel. Die mediale Entwicklung hat nicht nur diese drei Faktorenverstärkt, sondern auch die Bilderflut sowohl enorm gesteigert wie auch deren Abfolge beschleunigt, was z. B. an Videoclips ebenso zu sehen ist wie an Kameraführung und Schnitttechnik in TV- und Kinofilmen der letzten Jahre. Dies prägt und verändert wiederum die Rezeptionsbedingungen: Vermutlich werden daher besonders Jugendliche und junge Erwachsene nicht nur das Leben mit der Bibel, sondern bereits das Lesen der Bibel beschwerlich finden. Daher erscheint es wenig wahrscheinlich, dass sie von sich aus die Lektüre der Passionsgeschichte beginnen, obwohl diese rezeptionsästhetisch aufregender sein kann als beispielsweise der Konsum von Mel Gibsons Kinoprodukt »Die Passion Christi«.40

Gottes Menschenfreundlichkeit und das Fest des Lebens

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