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3.3.3 Bibelfrömmigkeit und gelebte Religion

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Durch die Repräsentativumfragen aus den 1980er-Jahren wird konkretisiert, dass die private und gruppengestützte Lektüre der Bibel nur von einem kleinen Teil der Kirchenmitglieder gepflegt wird (5% »häufig«, 13–14% »hin und wieder«).41 Deren Bibelfrömmigkeit basiert auf der Grundannahme, dass die Bibel nicht irgendein Buch ist, sondern als Wort Gottes oder Urkunde des Glaubens dem Leben Orientierung, Vergewisserung und Erneuerung eröffnet. Das verbindet sie mit dem biblizistisch-pietistischen Typ der Bibelfrömmigkeit, der im 19. und 20. Jh. auch in der Nähe zur konfessionellen Kirchlichkeit stand.42

Da es keine aktuellen empirischen Untersuchungen gibt, lässt sich nicht begründet aussagen, inwieweit die neuen Zugänge eine eigene signifikante Bibelfrömmigkeit hervorgebracht haben. Diese Unsicherheit galt schon für die neuen Zugänge zur Bibel in den 1970er- und 1980er-Jahren.43 Für die heutige Situation ist zu vermuten, dass verstärkt Menschen erreicht werden, die nicht auf die bisherigen binnengemeindlichen Milieus beschränkt sind, zumal die Projektgruppen und Workshops in Zusammensetzung und Zeitverpflichtung wenig konstant erscheinen. Orientierung, Vergewisserung und Erneuerung werden hier in entweder stärker gesellschaftsbezogener, meditativ-spiritueller oder ganzheitlich-therapeutischer Zugehensweise erwartet, sofern diese sich im Prozess als evident erweisen. Dies wäre typisiert eine erfahrungsbezogen-liberale Spiritualität, in der die Bibel ein religiöses Medium neben anderen ist.

Für die große Mehrheit der Kirchenmitglieder ist der Besitz einer Bibel belegt, wodurch eine gewisse Verbundenheit mit christlicher Tradition repräsentiert werden kann;44 durch das praktizierte volkskirchliche Teilnahmeverhalten an Kasualien und Heiligabendgottesdiensten bestehen dort Begegnungsmöglichkeiten mit der Bibel als Buch der Kirche (vgl. 3.2). Eine selbständige Bibellektüre kann jedoch nicht vorausgesetzt werden.

Angesichts der medialen Entwicklungen und der durch sie geprägten Rezeptionsbedingungen erscheint die Kunst des Bibellesens heute fast wie eine anachronistische Anstrengung: »Die imaginative Arbeit, sich Vorstellungen zu bilden und sie auf die eigene Vorstellungswelt zu beziehen, wird den Leserinnen hier nicht gleichsam durch die Bilderflut schon abgenommen, sondern als Anstrengung des Lesens aufgebürdet.«45 Kirchen und Gemeinden sollten sich für diese Anstrengung engagieren und neue Hilfen und Begegnungsräume schaffen, damit die Bibel auch als Literatur entdeckt werden kann.

Gottes Menschenfreundlichkeit und das Fest des Lebens

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