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4. Bibelgebrauch in der Theologie

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Der wissenschaftliche Bibelgebrauch vollzieht sich in der Theologie und hat für Lehre und Forschung schwerpunktmäßig seinen Ort an den Universitäten und Hochschulen. Galt zumindest für die evangelische Theologie deutscher Prägung in den 1950er und 1960er Jahren die Exegese als Leitdisziplin der Theologie und die historisch-kritische Methode sogar als Verkörperung der Rechtfertigungslehre,41 so ist in der gegenwärtigen Lage weder eine Leitdisziplin noch eine allgemein akzeptierte theologische Enzyklopädie42 in Sicht. Das betrifft auch den wissenschaftlichen Bibelgebrauch, der sich in höchstem Maße differenziert.

Die Differenzierung und Spezialisierung ist innerhalb der Exegese offensichtlich. Die klassische historisch-kritische Methode, die in sich bereits eine zusammenhängende Pluralität von Fragestellungen aufweist, wird nach wie vor in Proseminaren vermittelt. In der Forschung wurde sie um sozialgeschichtliche Analysen und linguistische Methoden erweitert, die weitgehend akzeptiert wurden.43 In der neutestamentlichen Exegese sind gegenwärtig interessante Neuansätze zu beobachten: Sie beziehen sich z. B. auf differenzierte Untersuchungen zur Kultur der Antike,44 auf die Erklärungspotentiale der modernen Konstruktivismusdebatten45 und auf die explizite Verbindung historischer Analysen und moderner Theorien.46 Die Bibel wird hier als Quellenbuch gebraucht, das zur (Re-)Konstruktion antiker Vorstellungen im Gesamtrahmen damaliger Kultur dient. Dies führt zur Betonung des Abstands zwischen biblischen Texten und gegenwärtiger Weltsicht und bietet gleichzeitig die Möglichkeit, den religiösen Gehalt des frühen Christentums Glaubenden wie Nicht-Glaubenden verständlich zu machen.47

Während es innerhalb der Systematischen Theologie Ansätze gibt, die Exegese zu einer neuen Biblischen Theologie weiter zu führen, in der Differenzen und multirelationale Argumentationsmuster innerhalb des biblischen Kanons zu systematischer Orientierung und Klärung dienen,48 scheint in der Praktischen Theologie der wissenschaftlich-kritische Bibelgebrauch abgesehen von homiletisch-hermeneutischen Reflexionen49 erst noch bevorzustehen.50 Praktischtheologische Aufgabe wird es sein, den wissenschaftlichen und den praktischen Bibelgebrauch wechselseitig aufeinander zu beziehen, also im Sinne des Anfangszitats als ›Thürhüter‹ zu fungieren, der die verschiedenen Riegel entfernt. Das bedeutet: Praktische Theologie hat die vielfältigen Zugänge zur Bibel so zu reflektieren und weiter zu entwickeln, dass sie von Einzelnen, Gruppen und Kirchen privat und öffentlich wahrgenommen und praktiziert werden können.

Gottes Menschenfreundlichkeit und das Fest des Lebens

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