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1.Terra cognita – PTund Bibelfrömmigkeit 1.1 Wahrnehmungen: Die dreifache Funktion der Bibel

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In drei Gestalten, denen drei Grundfunktionen entsprechen, lässt sich die Bibel wahrnehmen und beschreiben.4

Zunächst fungiert die Bibel als Bekenntnisbuch der Christenheit, im Protestantismus in besonderer Ausprägung: In Gestalt der Altarbibel, die in evangelischen Kirchen bekanntlich seit dem 19. Jahrhundert ähnlich zentral platziert ist wie der Tabernakel in katholischen, symbolisiert die Bibel die »Heilige Schrift«, Quelle und Norm aller Verkündigung, Autorität gegenüber Lehramt und Tradition. Die beiden anderen Gestalten der gottesdienstlich gebrauchten Bibel, das Lektionar und die Kanzelbibel, verstärken diese Funktion.5 Die Tatsache, dass der Protestantismus gerade nicht zu einer weitergehenden Buchverehrung führte und nur noch wenige Relikte eines sakralen Umgangs mit Büchern aufweist, findet seine Begründung vor allem in der reformatorischen Einsicht, dass das Schriftprinzip mit dem solus Christus verbunden ist, also mit der personalen Gestalt der Gnade, die wiederum im Evangelium als mündliche Zusage verkündet wird.6 Nicht die Verehrung des Buches, aber die Hochschätzung der Bibel als Heilige Schrift und damit das Bekenntnis zur »Scriptualität des Offenbarungszeugnisses«7 kennzeichnet diese erste Funktion.

Hierauf basiert die zweite Funktion, die Bibel als Erbauungsbuch, Gestalt gewinnend in der Hausbibel. Charakteristisch für Hausbibeln sind die Ausgestaltung durch Illustrationen8 und die auszufüllende Familienchronik im Anhang. Damit zielt die Hausbibel auf Erbauung durch andächtige Lektüre wie auf Erfassung und Deutung der lebensweltlich markanten Ereignisse der Großfamilie. Hierzu gehört dann auch die typisch protestantische Erscheinung der einzelnen Bibelsprüche, einmal in Gestalt der Bibeln mit grafisch hervorgehobenen Versen oder durch die Herrnhuter Losungen oder auch in Form von Denk- und Begleitsprüchen zu den Kasualien. Orte der dritten Funktion sind Schule und Hochschule: Die Bibel wird gebraucht als Quellenbuch – in äußerer Gestalt der Schulbibel und der wissenschaftlichen Bibelausgaben. Sie eröffnen einen allen Beteiligten, Glaubenden wie Nichtglaubenden, möglichen kritischen Zugang zur Bibel, die Kenntnisnahme oder die Tätigkeit historisch-kritischer Forschung.

Die primären Träger dieser drei Funktionen sind hinreichend klar. Die Funktion als Bekenntnisbuch vertritt die christliche Kirche, die als Erbauungsbuch der einzelne Mensch innerhalb familiärer Bezüge, die Funktion als Quellenbuch fördert die Gesellschaft in Wahrnehmung ihrer Bildungsverantwortung. Damit sind zugleich die drei Dimensionen benannt, in denen sich die PT heute bewegt und zur Sprache bringt. Spätestens seit Dietrich Rösslers »Grundriß der Praktischen Theologie« von 1986 sind sie – in folgender Reihenfolge – Allgemeingut unserer Disziplin: der einzelne Mensch, die Kirche, die Gesellschaft. Inzwischen liegt der erste Band eines neuen Gesamtentwurfs Praktischer Theologie vor, den man sicher nicht zu Unrecht als Fortschreibung des Rössler’schen Grundrisses zu verstehen hat: die PT von Wolfgang Steck.9 Ihr Theorieansatz soll für den zweiten Schritt ins Spiel gebracht werden.

Gottes Menschenfreundlichkeit und das Fest des Lebens

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