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Christus – der gekreuzigte Auferweckte

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Der Jude Jesus von Nazareth, Zimmermann, Prophet und Prediger der Gottesherrschaft wird gekreuzigt. Alle Texte sind sich einig, dass hier ein Unschuldiger beseitigt wurde. Er wurde von Römern verurteilt, von jüdischen Aristokraten angeklagt, von der Jerusalemer Volksmenge dem Tod ausgeliefert, von den orientalischen Hilfstruppen der Römer hingerichtet.25 Die öffentlichen Institutionen – Recht, Politik und Religion – wirkten zusammen und offenbarten ihre Korruptheit.26 Weitere elementare Inhalte und Grenzziehungen sind erkennbar: Jesus ist nicht wiedererweckt und so zum Leben gebracht worden, dass er erneut sterben müsste – theologisch ausgedrückt: Er ist in Gottes Leben hinein auferweckt und erhöht worden;27 eine Redeweise, die von »Wiedererweckung« spricht, ist daher irreführend.

Nicht irgendein Mensch ist erweckt worden, sondern dieser Jesus, also genau der, der das Reich Gottes als Heil für die Verlorenen ankündigte und in Heilungen wie Mahlgemeinschaften zeichenhaft realisierte und der den brutalen und schmachvollen Kreuzestod starb; die Auferweckung durch Gott ist und bleibt die Auferweckung dieses Gekreuzigten.28

Die Einsicht, dass hier der Unschuldige und Gerechte sterben musste und dass dies ein himmelschreiendes Unrecht war, bleibt sowohl bei den neutestamentlichen Kreuzesdeutungen als auch bei den Ostertheologien erhalten. Bei aller Varianz von theologischen Deutungen des Todes Jesu darf nie eine solche Spiritualisierung eintreten, die das brutale Unrecht übersehen oder unkenntlich machen würde. Bei aller Varianz von theologischen Deutungen des Todes Jesu ist systematisch zu sagen, dass es nur eine einzige maßgebliche und normierende Deutung des Todes Jesu gibt; und das ist Gottes Deutung der Passion: die Auferweckung Jesu.29 Der Auferweckte ist bleibend der Gekreuzigte und der Gekreuzigte ist bleibend der Auferweckte!30

Diese doppelte Bestimmung vertreten alle Zeugnisse des NT, auch wenn sie unterschiedliche Sprachformen und unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Die alten Formeln drücken das ebenso aus wie der Philipperhymnus, das Bild vom Lamm Gottes in der Apk oder die Darstellungen und Ankündigungen in den Evangelien, dass der Messias / Christus leiden müsse.

Wie das Grab ist das Osterkreuz leer.31 Ein Symbol neuen Lebens, aber bleibend mit dem Zeichen des Todes verbunden! Systematisch gesehen war diese ungeheure Spannung von Tod und Leben, Hinrichtung und Auferweckung, absoluter Entehrung am Kreuz und höchster Ehre im gesamten Kosmos für die neue Lebens- und Weltdeutung, den religiösen Vollzug und die Theologiebildung ausgesprochen fruchtbar.

In der Theologiebildung des NT wurden – mit einem gewissen Höhepunkt im Johannesevangelium – Kreuz, Auferweckung und Erhöhung ineinander gedacht und die Metapher des Aufweckens durch die des Aufstehens ergänzt, zum Teil ersetzt. Jesus ist im Joh nicht mehr eigentlich der Auferweckte (vgl. 21,14), sondern er ist der Auferstandene (vgl. 20,9): Johannes reflektiert das synoptische und paulinische Osterkerygma »in die Person selber, in sein lebendiges Sein (als fleischgewordener Logos) zurück«.32 Jesus bleibt in unlösbarer Beziehung zum Vater, ist mit ihm eins (Joh 10,30)33 und verherrlicht ihn; aber er hat auch das Leben in sich selber (5,26) und ist auferstanden. Das Leben in sich selber zu haben, ist die Wesenseigenschaft des Schöpfers. Er kann Leben schaffen und Tote lebendig machen. Dies gilt für Joh vom Vater wie vom Sohn. Jesus, logos vom Beginn der Schöpfung an (1,1) und damit umfassend »Leben« gebend (1,4), ist »mein Herr und mein Gott« (20,28) und schenkt den Glaubenden das »Leben« (5,21; 20,31), das auch vom ewigen Tod nicht beendet werden kann, weil Jesus selbst Auferstehung und Leben ist (11,25 f.).

Das Fresko »Auferstehung« von Piero della Francesca (1463)34 – übrigens nicht für eine Kirche, sondern für einen Magistratssaal gemalt – zeigt den Auferstandenen bzw. Auferstehenden in großer Erhabenheit: die Siegesfahne mit Kreuz, statt eines weißen ein rötlich schimmerndes Gewand – dies sind u. a. Karfreitagssymbole (ebenso das Miteinander von abgestorbenen und grünenden Bäumen); die erhabene Haltung und das Aufgehen der Sonne zeigen die Auferstehung als Handlung Jesu. Er hat das Leben in sich selber, repräsentiert es als derjenige, der durch den Tod hindurchgegangenen ist.

Der erhabene Auferstandene beauftragt und sendet seine Kirche. Er selbst ist – wie im NT im Philipperhymnus, bei Lk und der Apg, dem Hebr und der Apk und dem Johev. erwähnt – zu Gott erhöht. Bildlich, meist durchPs 110,1 angeregt, wird der Erhöhte als zu Gottes Rechter sitzend beschrieben.

Karl Barth hat in seiner Auslegung des Glaubensbekenntnisses auf den einfachen, aber schnell übersehenen Sachverhalt pointiert aufmerksam gemacht, dass nach all den Perfekt-Bestimmungen des Wirkens Jesu nun das Präsens kommt, also das, was gegenwärtig gilt und alle betrifft:

»›Er sitzt zur Rechten Gottes des Vaters‹: die Höhe ist erreicht, die Perfecta liegen hinter uns und wir treten ein in den Bereich der Gegenwart. Das ist es, was von unserer Zeit zu sagen ist: das ist das Erste und das Letzte, was von unserem Sein in der Zeit gilt. […] Was auch geschehen mag in unserem Raum an Aufstieg und Niederlage, was da werden und vergehen mag, da ist eine Konstante, ein Bleibendes und Durchgängiges: dieses sein Sitzen zur Rechten Gottes des Vaters.«35

Gottes Menschenfreundlichkeit und das Fest des Lebens

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