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§ 13 Arten und Anwendung

(1) Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat.

(2) Zuchtmittel sind

1. die Verwarnung,
2. die Erteilung von Auflagen,
3. der Jugendarrest.

(3) Zuchtmittel haben nicht die Rechtswirkungen einer Strafe.

Kommentierung

I.Anwendungsbereich1

II.Zweck und Voraussetzungen (Absatz 1)2 – 6

1.Zweck2

2.Voraussetzungen3, 4

3.Verbindung mit anderen Maßnahmen5

4.Verhältnismäßigkeit6

III.Einzelne Zuchtmittel (Absatz 2)7

IV.Rechtswirkungen einer Strafe (Absatz 3)8 – 10

V.Verfahren11

I. Anwendungsbereich

1

Die Vorschrift gilt für Jugendliche und Heranwachsende, auch vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten (§ 105 Abs. 1, § 104 Abs. 1 Nr. 1, § 112). Der Rechtsbegriff „Zuchtmittel“ wurde in den Ländern auf dem Gebiet der früheren DDR durch die Aufzählung „Verwarnung, Erteilung von Auflagen und Jugendarrest“ ersetzt (Kap. III. C Abschnitt III Nr. 3c der Anlage I zum Einigungsvertrag). Diese Regelung des Einigungsvertrags wurde aufgehoben (BGBl. I 2010, S. 1864, 1880). Im Übrigen gilt die Vorschrift auch für rechtswidrige Taten, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts der früheren DDR begangen worden sind (Kap. III. C Abschnitt III Nr. 3 f § 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag).

II. Zweck und Voraussetzungen (Absatz 1)

1. Zweck

2

Gemäß Abs. 1 ahndet der Richter die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zu Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Die Vorschrift legt damit die gesetzlichen Voraussetzungen der Ahndungsform der Zuchtmittel (§ 5 Abs. 2) fest und definiert damit gleichzeitig deren Zweck. Neben dem erzieherischen Ziel, der allen Rechtsfolgen des JGG eigen ist (§ 5 Rn. 5), verfolgen die Zuchtmittel danach auch die Sanktionszwecke der Sühne und Vergeltung (dazu eingehend § 5 Rn. 8–14 m.w.N.). Der erzieherische Wert der Zuchtmittel liegt nach der Vorstellung des Gesetzgebers darin, durch ausdrücklich repressive Maßnahmen (allg.M.) bei dem Jugendlichen die Einsicht zu wecken, dass er strafbares Unrecht begangen hat, wofür er einzustehen hat. Wegen ihres sühnenden und vergeltenden Charakters werden die Zuchtmittel nicht nur aus Anlass der Tat angeordnet, sondern knüpfen unmittelbar an die Straftat an. Art und Umfang der Zuchtmittel bestimmen sich daher entscheidend auch nach dem Unrechtsgehalt der Tat, soweit sich dieser nach der charakterlichen Haltung und Persönlichkeitsentwicklung des Täters in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen hat (s. § 5 Rn. 11 m.w.N.).

2. Voraussetzungen

3

Die Ahndung durch Zuchtmittel folgt den allgemeinen Voraussetzungen der jugendstrafrechtlichen Rechtsfolgen (§ 5 Rn. 2–18). Sie kommen insbesondere nur dann in Betracht, wenn die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Jugendlichen i.S.v. § 3 S. 1 positiv feststeht. Eine Anordnung im Rahmen von § 3 S. 2 scheidet aus (s. § 3 Rn. 35–37).

4

Die Verhängung von Zuchtmitteln setzt weiter voraus, dass einerseits Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen (§ 5 Abs. 2), andererseits aber die einschneidendere Ahndungsform der Jugendstrafe nicht geboten ist, wenn also nicht schädliche Neigungen oder die Schwere der Schuld Strafe erforderlich machen (§ 17 Abs. 2). Die Vorschrift eröffnet dem Richter, anders als § 5 Abs. 1 hinsichtlich der Erziehungsmaßregeln, keinen Ermessensspielraum. Liegen die genannten Voraussetzungen vor, so hat der Richter zur Ahndung der Tat Zuchtmittel anzuordnen (§ 5 Abs. 2). Er darf nur dann davon absehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt eine Ahndung durch den Richter entbehrlich machen (§ 5 Abs. 3; s. § 5 Rn. 19). In diesem Rahmen müssen die konkret ausgewählten Zuchtmittel weiterhin erwarten lassen, dass der Jugendliche zu der tatbestandlich vorausgesetzten Einsicht kommen und künftig keine weiteren Straftaten begehen wird.

3. Verbindung mit anderen Maßnahmen

5

Macht die Erziehung des Jugendlichen im Sinne der Verhütung weiterer Straftaten es erforderlich, so kann der Richter mit den Zuchtmitteln Erziehungsmaßregeln nach Maßgabe des § 8 verbinden. Dies wird sich dann empfehlen, wenn neben der Aufrüttlung im Sinne von § 13 Abs. 1 eine länger dauernde erzieherische Beeinflussung, zu der die Zuchtmittel nicht gedacht sind (allg.M.), angezeigt erscheint. Neben einer Jugendstrafe kommen Zuchtmittel nur in der Form der Auflagen in Betracht (§ 8 Abs. 2).

4. Verhältnismäßigkeit

6

Wie alle jugendstrafrechtlichen Rechtsfolgen steht ihre Anordnung unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ihr Eingriffsgehalt trotz der obsoleten Terminologie („Zuchtmittel“) nicht von vorneherein größer ist, als derjenige der Erziehungsmaßregeln, so dass eine Subsidiarität der Zuchtmittel gegenüber den Erziehungsmaßregeln nicht besteht (eingehend § 5 Rn. 17). Dass Zuchtmittel wegen ihres „ernsten Charakters“ bei „jugendlichen Flegeleien“ auszuscheiden hätten (so Brunner/Dölling § 13 Rn. 3), kann daher in dieser Allgemeinheit nicht gesagt werden. Die ebenso ernsthaften Erziehungsmaßregeln übersteigen häufig den Eingriffsgehalt der Zuchtmittel (nicht nur der Verwarnung), so dass, wenn nicht nach §§ 45, 47 verfahren werden kann, auch und gerade bei kleineren Verfehlungen Zuchtmitteln der Vorzug zu geben ist, wenn sie genügen und Erziehungsmaßregeln nicht angebracht sind (s. § 5 Rn. 17). Zur Systematik der Rechtsfolgen s. im Übrigen § 5 Rn. 15–18.

III. Einzelne Zuchtmittel (Absatz 2)

7

Abs. 2 enthält einen abschließenden Katalog und schließt damit andere Formen der „Züchtigung“ aus. Der Eingriffsgehalt dieser Maßnahmen reicht vom bloßen eindringlichen Vorhalt (Verwarnung, § 14) über Handlungs- und Leistungspflichten (Auflagen, § 15) bis hin zum Freiheitsentzug (Jugendarrest, § 16). Zum grundlegenden Unterschied zwischen dem Jugendarrest des § 13 Abs. 2 Nr. 3 und dem Ungehorsamsarrest des § 11 Abs. 3 s. § 11 Rn. 11. Auswahl und Umfang richten sich nach dem Ausmaß des Tatunrechts und den erzieherischen Erfordernissen, die im Einzelfall angezeigt sind, um den Jugendlichen von weiteren Straftaten abzuhalten. Zur Verbindung mehrerer Zuchtmittel oder mit anderen Maßnahmen s. § 8 und hier Rn. 5).

IV. Rechtswirkungen einer Strafe (Absatz 3)

8

Gemäß Abs. 3 haben die Zuchtmittel nicht die Rechtswirkungen einer Strafe. Abs. 3 schließt damit aus, dass die Verhängung von Zuchtmitteln dem Täter dort zum Nachteil gereicht, wo in einem Gesetz für eine bestimmte Rechtsfolge der formalrechtliche Begriff der Strafe tatbestandlich vorausgesetzt ist. Diese Vorschrift hatte vor allem für den durch das 23. Strafrechtsänderungsgesetz abgeschafften § 48 StGB (Rückfall) und den früheren § 42m (heute § 69) StGB Bedeutung. Nachdem die Rechtswirkungen der Führungsaufsicht und der Sicherungsverwahrung nach Sachlage nicht in Betracht kommen, ist Abs. 3 in der Praxis zurzeit nur noch insofern relevant, als sich der zu Zuchtmitteln Verurteilte als nicht vorbestraft ausgeben darf (allg.M.). Wurden in einem Urteil lediglich Zuchtmittel verhängt, dann darf in einem späteren Verfahren zum Nachteil des Angeklagten zwar verwertet werden, dass er sich bisher nicht immer einwandfrei geführt hatte, dagegen darf nicht strafschärfend berücksichtigt werden, der Angeklagte sei bereits „einschlägig vorbestraft“ (BGH Urt. v. 13.3.1975 – 4 StR 50/75).

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Überall dort, wo ein Gesetz den Begriff Strafe als Rechtsfolge einer Tat verwendet, ist § 13 Abs. 3, der von Rechtswirkungen der Strafe spricht, nicht anwendbar. So kann das Gericht auch von der Verhängung von Zuchtmitteln absehen, wenn ein Gesetz bestimmt, dass der Richter unter bestimmten Voraussetzungen von Strafe absehen kann (z.B. § 60 StGB; BayObLGSt 61, 171 ff.; NStZ 1991, 584; s. § 5 Rn. 21 m.w.N.). Die Gefahr der Verurteilung zu Zuchtmitteln begründet auch ein Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 55 StPO; dies war bereits früher anerkannt (BGHSt 9, 34 ff.) und ergibt sich heute aus der Formulierung des Gesetzes, wonach die „Gefahr, wegen einer Straftat (...) verfolgt zu werden“ für das Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 55 StPO ausreicht. Der Entzug der Fahrerlaubnis ist auch zulässig, wenn der Täter nur zu Zuchtmitteln verurteilt ist. Dies bedurfte früher eingehender Begründung (BGHSt 6, 394 zu dem damaligen § 42m StGB), ergibt sich heute jedoch aus dem Gesetz selbst, da § 69 StGB nur noch voraussetzt, dass der Täter wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt worden ist. Die Eintragung der Verurteilung zu Zuchtmitteln in das Erziehungsregister ist nun in § 60 Abs. 1 Nr. 2 BZRG geregelt; die Eintragung in das Zentralregister darf nur unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 BZRG erfolgen. Zu den Grundzügen des Strafregisterrechts s. außerdem eingehend § 97 Rn. 8 ff. Die Verurteilung zu Zuchtmitteln ist grundsätzlich auch der Begnadigung zugänglich (allg.M.). Entgegen OLG Düsseldorf (NJW 1961, 891) und OLG Hamm (JR 1972, 73, 74) kann § 13 Abs. 3 daher auch nicht zu der Begründung dafür herangezogen werden, dass § 331 StPO im Verhältnis von Jugendstrafe zur Bewährung und Jugendarrest nicht gilt (Brunner JR 1972, 74 ff.).

10

Desgleichen hindert Abs. 3 nicht an der Anwendung von § 154 StPO im Jugendstrafverfahren, so dass die Staatsanwaltschaft auch dann gem. § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung einer Jugendstraftat absehen oder das Gericht gem. § 154 Abs. 2 StPO das Verfahren vorläufig einstellen kann, wenn nur Zuchtmittel zum Vergleich anstehen. § 154 StPO gilt auch für das Jugendstrafverfahren (h.M.; s. etwa Eisenberg § 45 Rn. 15; a.A. Bohnert NJW 1980, 1930, der eine Gesetzeskonkurrenz zu §§ 45, 47 JGG sieht). Dessen verfahrensvereinfachende und -beschleunigende Funktion ist auch aus erzieherischer Sicht legitim.

V. Verfahren

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Die Entscheidung über die Zuchtmittel erfolgt durch Urteil oder, soweit sie im Rahmen der §§ 45, 47 oder im Falle der Strafaussetzung zur Bewährung nachträglich angeordnet werden (§ 23 Abs. 1 S. 3), durch Beschluss. Zur Urteilsformel, die das Zuchtmittel ausreichend bestimmt bezeichnen muss, sowie zur Urteilsbegründung s. § 5 Rn. 24. Zur Eintragung ins Bundeszentralregister s. oben Rn. 9, sowie zu den Grundzügen des Strafregisterrechts außerdem eingehend § 97 Rn. 8 ff.

Jugendgerichtsgesetz

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