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4. Individueller Entwicklungsstand

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Der Jugendliche muss nach seiner geistigen und sittlichen Entwicklung reif genug sein, das Unrecht der Tat einzusehen (Rn. 4–9) und nach dieser Einsicht zu handeln (Rn. 10). § 3 S. 1 regelt damit einen bestimmten Aspekt der in Betracht kommenden Ursachen mangelnden Unrechtsbewusstseins, nämlich den reifebedingten Verbotsirrtum (a.A. Walter/Kubink DVJJ-J 1995, 113 ff.). Reife i.S.v. § 3 ist derjenige Grad der Verstandesentwicklung, der erforderlich ist, um den strafrechtlichen Charakter der begangenen Tat, d.h. deren Bedeutung als Verletzung gewisser, durch das Strafgesetz geschützter Rechtsgüter sich soweit klar zu machen, wie es einem Erwachsenen im Allgemeinen möglich ist (RGSt 47, 385 ff., 387). Danach ist nicht die Reife des Jugendlichen im Allgemeinen Prüfungsgegenstand, sondern nur insoweit, als sie die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit in Bezug auf die konkrete, dem Täter vorgeworfene Straftat betrifft (Rupp-Diakojanni S. 59 ff.).

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Die Reife ist nach dem geistigen und sittlichen Entwicklungsstand des Jugendlichen zu beurteilen. Nach seiner geistigen Entwicklung ist der Jugendliche reif, wenn er zur rationalen Erfassung der Strafwürdigkeit seines Verhaltens in der Lage ist. Damit stellt das Gesetz vornehmlich auf den individuellen (Aus-) Bildungsstand und den körperlichen Entwicklungsstand ab. Der Jugendliche muss auf Grund seiner biologischen und bildungsmäßigen Entwicklung das Unrecht seines Verhaltens erkennen und sich nach dieser Einsicht verhalten können. Geistige Reife kann trotz vorliegender allgemeiner sittlicher Reife fehlen, wenn die Strafbarkeit an Umstände geknüpft ist, deren Erkenntnis einen entsprechenden Bildungsstand voraussetzt, wie dies bei Steuerdelikten, politischen Straftaten, insbesondere denjenigen der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, die z.B. die Kenntnis der Verfassungswidrigkeit einer bestimmten Partei voraussetzen, der Fall sein kann. Zur forensisch-psychiatrischen Begutachtung s. etwa Bauer/Remschmidt Handbuch S. 470 ff., 471 f.

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Neben der geistigen ist die sittliche Reife zu prüfen. Sie liegt nicht schon dann vor, wenn der Jugendliche weiß, dass das, was er tut, verboten ist (BGH Urt. v. 15.5.1956 – 5 StR 127/56 = EJF Band 2, CI Nr. 3). Zur sittlichen Reife gehört, dass der Jugendliche dieses Wissen innerlich richtig verarbeitet hat, so dass er den Ernst der sittlichen Forderung verstehen kann (BGH a.a.O.; Kohlhaas EJF Band 2, CI Nr. 3, Anmerkung). Die Wertvorstellungen müssen somit im erforderlichen Maß entwickelt und auch in der Gefühls- und Erlebniswelt des Täters verankert sein (allg.M.). Zur forensisch-psychiatrischen Begutachtung der relativen Strafmündigkeit s. etwa Bauer/Remschmidt Handbuch S. 470 ff.). Zum speziellen Problem der Eidesmündigkeit vgl. Schönke/Schröder-Bosch/Schittenhelm Rn. 25 vor § 153.

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