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§ 4 Rechtliche Einordnung der Taten Jugendlicher

Ob die rechtswidrige Tat eines Jugendlichen als Verbrechen oder Vergehen anzusehen ist und wann sie verjährt, richtet sich nach den Vorschriften des allgemeinen Strafrechts.

Kommentierung

I.Allgemeines1

II.Einstufung der Delikte2

III.Verjährung3 – 5

1.Verfolgungsverjährung3

2.Vollstreckungsverjährung4, 5

I. Allgemeines

1

§ 4 gilt für rechtswidrige Taten (§ 2; § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB) Jugendlicher und Heranwachsender, auch wenn sie vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten verhandelt werden, § 104 Abs. 1 Nr. 1, §§ 105, 112. Die Vorschrift gilt auch für rechtswidrige Taten, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts der früheren DDR begangen worden sind (Kap. III C Abschnitt III Nr. 3f § 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag).

II. Einstufung der Delikte

2

Maßgeblich für die Einstufung dieser Taten als Verbrechen oder Vergehen sind die Strafdrohungen des allgemeinen Strafrechts; es gilt § 12 StGB. Dies hat vor allem Auswirkungen auf diejenigen Vorschriften, die Rechtsfolgen an die Qualifikation einer Tat nach § 12 StGB knüpfen, so für die Strafbarkeit des Versuchs (§§ 23, 30, 31 StGB), das Höchstmaß der Jugendstrafe (§ 18 Abs. 1 S. 2), den Widerruf der Beseitigung des Strafmakels (§ 101), das Absehen von der Verfolgung (§§ 45, 47 i.V.m. § 153 StPO), die notwendige Verteidigung (§ 68 Nr. 1 i.V.m. § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO).

III. Verjährung

1. Verfolgungsverjährung

3

Gemäß § 4 richtet sich auch die Verfolgungsverjährung nach den Vorschriften des allgemeinen Strafrechts, somit nach § 78 bis § 78c StGB. Dementsprechend bestimmt sich die Unterbrechung der Verjährung ausschließlich nach § 78c StGB. Darüber hinausgehende Verfahrenshandlungen nach dem JGG, insbesondere Verfahrenshandlungen nach den §§ 45, 47, haben keine unterbrechende Wirkung (h.M. s. etwa Eisenberg Rn. 4 [seit 9. Auflage] m.w.N.; nunmehr auch Brunner/Dölling § 4 Rn. 1). Eine Ausweitung der in § 78c StGB abschließend geregelten Unterbrechungshandlungen im Wege der Analogie nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen ist unzulässig, weil es sich dabei um den Täter belastende Vorschriften handelt und der Jugendliche insoweit nicht schlechter gestellt werden darf als der Erwachsene. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (St 28, 381, 382; 26, 80 ff., 83/84; 16, 196; 12, 337/338; 11, 335, 337) sind die Vorschriften über die Unterbrechung der Verjährung als Ausnahmevorschriften eng auszulegen. § 78c StGB enthält einen Katalog von bestimmten Prozesshandlungen, denen allein eine Unterbrechungswirkung beikommt (BGH a.a.O.). Verfahrenshandlungen nach §§ 45, 47 sowie die Beauftragung eines Sachverständigen nach § 43 Abs. 2 S. 2 haben danach nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung, wenn sie die Voraussetzungen des § 78c Nr. 1–12 StGB – im Falle der Beauftragung eines Sachverständigen des § 78c Nr. 3 StGB – erfüllen. Insoweit kann auf die Kommentarliteratur des allgemeinen Strafrechts zu § 78c StGB verwiesen werden.

2. Vollstreckungsverjährung

4

Keine Regelung, auch nicht in § 4, enthält das JGG für die Vollstreckungsverjährung. Lediglich § 87 Abs. 4 enthält ein absolutes Verbot der Vollstreckung von Jugendarrest, wenn seit Eintritt der Rechtskraft der zu Grunde liegenden Entscheidung ein Jahr verstrichen ist. Gemäß § 87 Abs. 3 S. 2 kann der Vollstreckungsleiter weiterhin nach Ablauf von sechs Monaten seit Rechtskraft von der Vollstreckung des Arrests absehen, wenn dies aus erzieherischen Gründen geboten ist. Entsprechende Regelungen für die anderen Zuchtmittel, sowie für die Erziehungsmaßregeln und die Vollstreckung der Jugendstrafe existieren nicht, mit der Folge, dass für die Vollstreckung der Jugendstrafe und die Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 7) gemäß § 2 die Vorschriften der §§ 79 bis 79b StGB über die Vollstreckungsverjährung anzuwenden sind (Brunner/Dölling § 4 Rn. 3; Eisenberg § 4 Rn. 5 ff. mit Bedenken bei Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen). Die dort geregelte lange Dauer der Verjährungszeit – in Fällen des § 105 Abs. 3 bis zu 20 Jahren (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 StGB) – ist vor allem wegen des im Jugendstrafrecht vorherrschenden erzieherisch-spezialpräventiven Zwecks der Strafe und damit des Prinzips der tatnahen Ahndung problematisch, muss aber bei der Jugendstrafe aus Rechtsgründen hingenommen werden (allg. M.). Abweichungen können nur im Wege der Gnadenentscheidung vorgenommen werden.

5

Für die Erziehungsmaßregeln und die übrigen Zuchtmittel gelten § 87 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 sowie die §§ 79–79b StGB nicht. Letztere beziehen sich nur auf Strafen oder Maßnahmen nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB (§ 79 Abs. 1 StGB). Eine absolute Verjährungsgrenze, etwa der Ablauf des 21. Lebensjahres für Weisungen (Ostendorf § 4 Rn. 5) oder entsprechend § 87 Abs. 4 der Ablauf von 1 Jahr nach Rechtskraft der Entscheidung für die übrigen Zuchtmittel (Ostendorf § 4 Rn. 5), kann insoweit auch nicht im Wege der Rechtsfortbildung gefunden werden (so aber Ostendorf § 4 Rn. 5), da eine hierfür erforderliche Gesetzeslücke nicht besteht. Vielmehr sind § 11 Abs. 2 und § 15 Abs. 3 S. 1 anzuwenden. Danach kann der Richter den Täter von den Erziehungsmaßregeln bzw. den Zuchtmitteln befreien, wenn – etwa wegen Zeitablaufs – erzieherische Maßnahmen nicht mehr geboten sind. Damit bleibt auch die dem Jugendstrafrecht eigene individualisierende Gestaltung der erzieherischen Maßnahmen erhalten.

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