Читать книгу Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer - Страница 78

3. Unrechtsgehalt der Tat und Schwere der Schuld

Оглавление

11

Die Rechtsfolgen des § 5 Abs. 2 werden zur Ahndung der Straftat angeordnet. Damit haben sie – anders als die Erziehungsmaßregeln nach § 5 Abs. 1 – den Unrechtsgehalt der Tat unmittelbar insoweit zu berücksichtigen, als er sich nach der charakterlichen Haltung und Persönlichkeitsentwicklung des Täters in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen hat (BGH NStZ 1989, 522 [Böhm]; StV 1990, 508); eine eigenständige Bedeutung darf dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat allerdings nicht beigemessen werden (BGH NStZ 1996, 232 f.; BGH StV 1981, 26 = MDR 1981, 101; StV 1981, 130, 240, 241, 405). Er ist aber für die Frage bedeutsam, welche Schlüsse er auf die Persönlichkeit des Täters und seine Schuld zulässt; Gesichtspunkte des Schutzes der Allgemeinheit haben demgegenüber zurückzutreten (BGHSt 15, 224 ff.; 16, 263; StV 1982, 335 f., 336). Bei der Bemessung von Art und Umfang der Ahndung nach § 5 Abs. 2 ist der Richter wegen der Eigenständigkeit der Rechtsfolgen des JGG zwar nicht an die Strafrahmen des allgemeinen Rechts gebunden; er darf aber die größere oder geringere Schwere des Tatunrechts, wie sie in den Strafdrohungen des allgemeinen Strafrechts ihren Ausdruck gefunden hat, nicht außer Betracht lassen (ständige Rspr. des BGH zur Jugendstrafe: BGH StV 1986, 446; NStZ 1982, 414; 1983, 448; 1984, 446; 1985, 447; 1987, 442; 1988, 491 [jeweils bei Böhm]; MDR 1982, 625, 972; StV 1982, 27 f., 338; 1987, 306; NJW 1972, 693; GA 1986, 177; MDR 1977, 107; § 18 Abs. 2 Tatumstände 2; BGH Urt. v. 16.11.1993 – 4 StR 591/93; Beschl. v. 12.1.1999 – 4 StR 685/98). Insoweit müssen die Umstände, die im allgemeinen Strafrecht zu einer Strafrahmenmilderung führen, im Jugendstrafrecht mit ihrem vollen Gewicht bei der eigentlichen Strafzumessung berücksichtigt werden (BGH Beschl. v. 17.3.1992 – 5 StR 652/91).

12

Es ist daher auch für die Ahndung nach § 5 Abs. 2 bedeutsam, ob es sich um minder oder besonders schwere Fälle handelt (BGH NJW 1982, 393; MDR 1976, 769). Allerdings hat der Ausspruch, der Angeklagte habe sich wegen Diebstahls „in besonders schwerem Fall“ schuldig gemacht, in dem Tenor des Urteils gegen einen Jugendlichen zu unterbleiben (BGH MDR 1976, 769). Die Strafrahmen des allgemeinen Rechts behalten im Jugendstrafrecht auch insoweit ihre Bedeutung, als in ihnen die Bewertung des Tatunrechts zum Ausdruck kommt, namentlich dort, wo sich die Tat, nach Erwachsenenstrafrecht beurteilt, als minder schwerer Fall darstellen würde (ständige Rspr. des BGH, vgl. BGH StV 1986, 304; BGHR JGG § 18 Abs. 1 S. 3 minder schwerer Fall 1 und 2; NStZ 1986, 446, 447 [Böhm] m.w.N.; BGH Beschl. v. 30.6.1987 – 4 StR 266/87; NStZ 1990, 529 [Böhm]; BGH Beschl. v. 25.2.1992 – 5 StR 36/92). Da im Jugendstrafrecht die Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB und damit eine Verschiebung des Strafrahmens ausscheidet, muss die Verminderung der Schuldfähigkeit i.S.d. § 21 StGB mit ihrem vollen Gewicht bei der eigentlichen Strafzumessung berücksichtigt werden (BGH StV 1989, 545). Der beherrschende Grundsatz des Erziehungsgedankens bedeutet nicht, dass der äußere Unrechtsgehalt der Tat, insbesondere die Bewertung des Tatunrechts, die in den gesetzlichen Strafdrohungen ihren Ausdruck gefunden hat, unberücksichtigt bleiben darf (BGH NStZ 1997, 481 [Böhm]; BGH Beschl. v. 18.8.1992 – 4 StR 313/92 = BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 8); denn die Schwere der Schuld ist nicht abstrakt messbar, sondern nur in Beziehung zu einer bestimmten, mehr oder weniger gewichtigen Tat von Bedeutung (BGH StV 1982, 335 f., 336 zur Jugendstrafe). Es ist daher zulässig, bei der Bemessung von Art und Erfolg der Straftat eine Beziehung zur Strafdrohung des allgemeinen Strafrechts herzustellen (BGH NStZ 1989, 119 f. zur Jugendstrafe). Keinesfalls darf die obere Grenze schuldangemessenen Strafens aus erzieherischen Gründen überschritten werden (BGH NStZ 1997, 481 [Böhm]; Beschl. v. 13.6.1995 – 4 StR 315/95; BGH NStZ 1990, 389, ähnlich: BGH Beschl. v. 9.11.1990 – 2 StR 509/90).

13

Bei der Bemessung der Jugendstrafe sind erzieherische Gesichtspunkte in erster Linie auch dann maßgebend, wenn sie wegen der Schwere der Schuld verhängt wird (noch h.M. in der Rspr., allerdings mit der Einschränkung, dies schließe aber nicht aus, der Schwere der Schuld und dem Sühnegedanken eigenständige Bedeutung beizumessen (BGH NStZ-RR 1998, 285 = Urt. v. 23.4.1998 – 4 StR 12/98; BGH Beschl. v. 31.10.1995 – 5 StR 470/95 = NStZ-RR 1996, 120 f.; BGH 1 StR 178/13; BGH StV 1994, 598; BGH NStZ-RR 2016, 325, 326; zum Meinungsstand in Rspr. und zur überwiegend abweichenden Meinung in der Lit., die eine Berücksichtigung des Erziehungsgedankens kumulativ zum Schweregrad der Schuld ablehnt, MK-JGG Radtke § 17 Rn. 53 ff. m.w.N.). Andererseits soll die Verhängung von 10 Jahren Jugendstrafe wegen Mordes neben dem pauschalen Hinweis auf die Schwere der Schuld nicht allein und ohne differenzierende Erwägungen damit begründet werden dürfen, dass dem Angeklagten nur die Höchststrafe erzieherisch gerecht würde (BGH NStZ 1997, 481 [Böhm]). Zur Bemessung der Strafe bei schon erwachsenen Angeklagten s. Rn. 10.

Jugendgerichtsgesetz

Подняться наверх