Читать книгу Dem Freund, der mir das Leben nicht gerettet hat - Hervé Guibert - Страница 19
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ОглавлениеKurz nach meiner Rückkehr aus Mexiko brach tief in meinem Hals ein monströser Abszess auf, hinderte mich am Schlucken und bald daran, überhaupt Nahrung aufzunehmen. Ich ging nicht mehr zu Dr. Lévy, dem ich vorwarf, meine Hepatitis nicht sorgfältig behandelt zu haben und all meine Leiden auf die leichte Schulter zu nehmen, vor allem jenes hartnäckige Seitenstechen rechts, das mich Leberkrebs befürchten ließ. Dr. Lévy starb bald darauf an Lungenkrebs. Ich hatte ihn durch einen anderen Arzt aus der Inneren Klinik, die mir Eugénie empfohlen hatte, ersetzt, Dr. Nocourt, den Bruder eines Kollegen aus der Zeitung. Indem ich ihm keine Ruhe ließ und ihn wegen jenes Seitenstechens mindestens einmal pro Monat aufsuchte, setzte ich ihm so zu, dass er mir schließlich die Verschreibungen für alle nur möglichen und erdenklichen Untersuchungen aushändigte, darunter natürlich die Blutuntersuchung, mit der mein Transaminasespiegel kontrolliert wurde, aber auch eine Echografie, in deren Verlauf ich, während ich gemeinsam mit ihm auf den Monitor schaute und er meinen eingeschmierten Bauch, das Gewölk meiner Eingeweide, mit seinem Ultraschallabnehmer abtastete, den Arzt beschimpfte, dessen Blick während der Untersuchung mir zu kalt, zu unbeteiligt erschien, um nicht irgendeine Verheimlichung zu verbergen, ich bezichtigte seinen Blick der Lüge, bis meine Verdächtigungen ihn in Gelächter ausbrechen ließen und er mir sagte, man sterbe selten mit fünfundzwanzig an Leberkrebs, schließlich eine Urografie, eine fürchterliche Prüfung, gedemütigt lag ich nackt, länger als eine Stunde, man hatte mich nicht einmal über die Dauer dieser Untersuchung informiert, auf einem eiskalten Metalltisch, unter einem Glasdach, durch das mich Handwerker, die auf einem Dach arbeiteten, sehen konnten, außerstande, irgend jemanden zu rufen, denn man hatte mich vergessen, mit einer dicken Nadel, die man mir in die Vene gerammt hatte und die eine bläuliche Flüssigkeit in mein Blut einströmen ließ, was es zum Sterben erhitzte, bis ich endlich hinter dem Wandschirm die Ärztin kommen hörte, die zu einem Kollegen sagte, sie habe die Gelegenheit genutzt, unten ein Steak zu kaufen, und die ihn über den Urlaub befragte, den er kürzlich auf Réunion verbracht hatte, es stellte sich heraus, dass diese Nachforschung endlich etwas ergeben hatte, was mich erleichterte und enttäuschte zugleich, denn Dr. Nocourt teilte mir mit, es handle sich um eine äußerst seltene, doch vollkommen gutartige Erscheinung, die ihm in den dreißig Jahren seiner Tätigkeit noch nicht untergekommen sei, eine wohl angeborene Missbildung der Nieren, eine Art Becken, in dem sich Kristalle ablagern, die dieses Seitenstechen verursachen können und die mir der Urologe durch massive Gaben von Sprudel und Zitronensaft vom Hals schaffen wollte. Bevor ich mich jedoch einem fanatischen Zitronenkonsum hingeben konnte, hörte das Seitenstechen, dessen Ursprung ich ja nun kannte, auf, und ich war auf einmal, für sehr kurze Zeit, wie ein Idiot, völlig schmerzfrei.