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Als sich im Oktober ’83 nach meiner Rückkehr aus Mexiko jener Abszess tief in meinem Hals öffnet, weiß ich nicht mehr, an welchen Arzt ich mich wenden soll, Dr. Nocourt behauptet, er mache keine Hausbesuche, Dr. Lévy ist tot, und es kommt mittlerweile weder in Frage, Dr. Aron anzusprechen, seit der Geschichte mit der Dysmorphophobie, noch Dr. Lérisson, der mich nur mit einem Haufen Kapseln ersticken würde. Ich habe mich dazu entschlossen, einen jungen Vertreter von Dr. Nocourt kommen zu lassen, der mir Antibiotika verschrieben hat, obwohl in den drei, vier Tagen, seit ich sie einnehme, nicht die geringste Besserung zu bemerken ist, der Abszess breitet sich aus, ich kann nicht mehr schlucken, ohne dass es mir entsetzliche Schmerzen bereitet, ich esse so gut wie nichts mehr, außer der weichgekochten Nahrung, die mir Gustave, der vorübergehend in Paris ist, täglich vorbeibringt. Jules ist nicht abkömmlich: Kaum hatte er sich von seinem Fieber erholt, da übernahm er eine Arbeit in einer Theaterproduktion, die ihn stark beansprucht. Wegen dieser offenen Wunde, die mir den Hals zerfrisst, beginnt mich der Gedanke an den Kuss der alten Hure auf der Tanzfläche des Bombay in Mexiko zu verfolgen, eines perfekten Doubles jener italienischen Schauspielerin, welche sich in mich verknallt hatte und im selben Jahr geboren war wie meine Mutter, die mir unvermittelt die Zunge tief in den Hals gestopft hatte wie eine närrische Natter, während sie sich an mich presste, auf der leuchtenden Tanzfläche des Bombay, wohin mich der amerikanische Produzent geschleppt hatte, um einen Trupp Huren aufzusammeln, die in der Verfilmung von Unter dem Vulkan auftreten sollten, einem der Lieblingsromane Muzils, der mir vor meiner Abreise sein vergilbtes, abgestoßenes Exemplar geliehen hatte. Die Huren, von der jüngsten bis zur ältesten, marschierten an dem Tisch ihres Chefs, Mala Facia, vorbei, um mich aus der Nähe zu sehen und mich zu berühren und mich eine nach der anderen auf die Tanzfläche zu zerren, denn ich bin blond. Sie pressten sich lachend an mich, oder auch schmachtend, wie es diese Hure tat, die stark nach Schminke roch, die mir auf halluzinatorische Weise vorkam wie die Reinkarnation der italienischen Schauspielerin, welche mich geliebt und mir ihre Lippen hingehalten hatte, wobei sie mir zuflüsterten, mit mir würden sie es in einem der Verschläge auf der Etage umsonst treiben, denn ich bin blond. Die Regierung hatte kürzlich die althergebrachten Bordelle geschlossen, mit ihren Patios, in denen das Fleisch aufmarschierte, und ihren dunklen, von Zellen gesäumten Korridoren, die aus der Nische am Ende von der strahlenden Jungfrau der Barmherzigkeit beleuchtet wurden. Diese verbarrikadierten, von der Polizei bewachten Etablissements waren eilends durch große Dancings nach amerikanischem Vorbild ersetzt worden. Einige Tage zuvor war ich unglücklicherweise in die Schwulenbar gegangen, die mir Jules’ mexikanischer Freund genannt hatte, und die Jungen waren ebenso vor mir Schlange gestanden, um mich zu mustern, die Kühnsten betasteten mich wie einen Talisman. Die alte Hure hatte den Schritt, den ich der italienischen Schauspielerin verwehrt hatte, getan, hatte mir ohne jede Vorwarnung ihre Zunge tief in den Hals gestopft, und Tausende von Kilometern weiter kam mir ihr Kuss jedesmal in den Sinn, wenn ich den Schmerz des Abszesses spürte, der sich immer tiefer bohrte wie die Spitze eines weißglühenden Eisens. Die alte Hure hatte das Entsetzen, das ihr Kuss ausgelöst hatte, bemerkt, sie hatte sich entschuldigt, sie war traurig. Zurück in meinem Hotelzimmer in der Edgar-Allan-Poe-Straße hatte ich mir die Zunge eingeseift und mich im Spiegel betrachtet, ich hatte von diesem komischen, durch Trunkenheit und Ekel verwüsteten Gesicht ein Foto gemacht. Eines Sonntagnachmittags, als mir der Schmerz unerträglich schien und mich vor dem ohnmächtigen Gustave weinen ließ, als ich keinen meiner Ärzte erreichen konnte, rang ich mich schließlich dazu durch, Dr. Nacier bei sich zu Hause anzurufen, damals ein guter Bekannter, den ich bis dahin als Arzt nicht ernst genommen hatte. Er sagte, ich solle unverzüglich zu ihm kommen, untersuchte meinen Hals, erwog die Möglichkeit eines syphilitischen Schankers und sandte mir am nächsten Morgen eine Krankenschwester, die mir Blut für den Test abnahm und einen Abstrich tief im Hals machte, um die genaue Mikrobe oder Bakterie festzustellen und mir das passende Antibiotikum zu verabreichen. Die Tüchtigkeit und Freundlichkeit Dr. Naciers, der meinen Schmerz schnell besiegte, indem er im Gegensatz zu dem anderen Arzt daran dachte, mir auch Schmerzmittel zu verschreiben, ließen mich den Beschluss fassen, ihn von nun an als Hausarzt zu nehmen, und da seine Praxis nicht weit von meiner Wohnung entfernt war, fand ich mich zwei-, dreimal pro Woche dort ein, dem Tode nah, bis die Blässe und Erschöpfung Dr. Naciers, dem meine unablässigen Besuche zusetzten, mich auf der Stelle wieder zu Kräften kommen ließen. Nun war es an mir, seine Laune wieder hochzubringen, und ich spazierte wie neugeboren nach der Sprechstunde aus der Praxis, um mich in der Konditorei nebenan mit Schokoladeneclairs und Apfeltaschen vollzustopfen. Dr. Nacier gestand mir bald, dass er den Aidstest hatte machen lassen, der sich als positiv herausstellte, und dass er umgehend eine Berufsversicherung abgeschlossen hatte, die ihm erlauben würde, eines Tages, die Unwissenheit in Bezug auf das Virus erlaubte damals derlei Spekulationen, seine Krankheit auf die Ansteckung durch einen Patienten schieben zu können, um so eine umfangreiche Entschädigung zu ergattern, die ihm zu friedlichen letzten Lebenstagen in Palma de Mallorca verhelfen würde.

Dem Freund, der mir das Leben nicht gerettet hat

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