Читать книгу Dem Freund, der mir das Leben nicht gerettet hat - Hervé Guibert - Страница 22

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Heute, am 4. Januar 1989, sage ich mir, dass mir nur noch genau sieben Tage bleiben, um die Geschichte meiner Krankheit zu erzählen, und diese Frist ist natürlich unmöglich einzuhalten und unhaltbar für mein inneres Gleichgewicht, denn ich muss am 11. Januar nachmittags Dr. Chandi anrufen, damit er mir telefonisch die Ergebnisse der Untersuchung mitteilt, der ich mich am 22. Dezember unterziehen musste, erstmals im Hôpital Claude-Bernard, wodurch ich in eine neue Phase der Krankheit eintrat, grauenhafte Untersuchungen, denn ich musste frühmorgens nüchtern erscheinen, nachdem ich nachts so gut wie gar nicht geschlafen hatte, aus Angst, diesen Termin zu verpassen, den Dr. Chandi einen Monat zuvor für mich vereinbart hatte, wobei er am Telefon meinen Namen und meine Adresse buchstabiert und mein Geburtsdatum angegeben hatte, wodurch er mich in aller Öffentlichkeit in eine neue, offen eingestandene Phase der Krankheit trieb, es sei denn, um in dieser Nacht vor jener grauenhaften Untersuchung, bei der man mir eine furchterregende Menge Blut abzapfte, davon zu träumen, ich sei durch verschiedene Umstände daran gehindert, diesen für mein Überleben entscheidenden Termin wahrzunehmen, und ich musste zu allem Überfluss das von einer fast allgemeinen Arbeitsniederlegung gelähmte Paris von einem Ende zum anderen durchqueren, schreibe all dies, aus Angst, nachts zusammenzubrechen, in Wirklichkeit am Abend des 3. Januar, rase wütend auf mein Ziel zu und auf seine Unerreichbarkeit, entsinne mich mit Entsetzen jenes Morgens, an dem ich nüchtern auf die eiskalte Straße hinausgehen musste, wo wegen des Streiks mehr Hektik herrschte als üblich, um mir eine astronomische Menge Blut abziehen, mir mein Blut in jener Einrichtung des Gesundheitswesens zum Zweck wer weiß welcher Experimente stehlen zu lassen und es dabei seiner letzten Lebenskräfte zu berauben, unter dem Vorwand, zu kontrollieren, wie viele T4-Zellen das Virus im Lauf eines Monats in meinem Blut massakriert hatte, und wieder eine Dosis meiner übrigen Lebenskräfte einzufangen, um sie den Forschern zu senden, sie in das inaktivierte Material eines Impfstoffs, der andere nach meinem Tode retten wird, in ein Gammaglobulin umzuwandeln, oder um einen Laboraffen damit zu infizieren, doch zuvor hatte ich mich durch die stinkende, resignierte Menschenmasse quetschen müssen, die ein von dem Streik aus dem Takt gebrachtes Métroabteil zum Bersten füllte, musste erstickt aus- und wieder zur Straße emporsteigen, um vor der Telefonzelle zu warten, bis ich der ausländischen jungen Frau mit ihren vielen Gepäckstücken durch die Glasscheibe gestikulierend klargemacht hatte, wie herum sie die Karte einführen und dass sie hinter ihr die Klappe schließen musste, sie überließ mir freundlicherweise den Vortritt und wartete ihrerseits in der Kälte, solange ich mich von der Tonbandschleife auf dem Anrufbeantworter des blauen Taxiunternehmens zur Verzweiflung treiben ließ, während gleichzeitig ein Pariser städtischer Arbeiter, der seinen Gerätewagen neben der Telefonzelle abgestellt hatte, sie mit einem Sprenklersystem, welches das Innere verdunkelte und in blaues Licht tauchte, überfallartig genommen hatte, während ich zum hundertsten Mal den Beantworter des blauen Taxiunternehmens abhörte, mir war noch übel von dem schwarzen, ungezuckerten Kaffee, den mir Dr. Chandi unter Ausschluss jeglicher anderer Nahrung als einziges Frühstück gestattet hatte, während doch die Krankenschwester, als ich den einzigen noch belebten Häuserblock auf dem Gelände des Hôpital Claude-Bernard erreicht hatte, das gerade ausgelagert worden war und das, als ich es durchquerte, außer Betrieb im Nebel lag wie ein Geisterkrankenhaus am Ende der Welt, was mich an meinen Besuch in Dachau erinnerte, den letzten belebten Block, die Aidsstation mit den weißen Silhouetten hinter den Milchglasscheiben, mich fragte, während sie die leeren Röhrchen in eine Schale häufte, eins, dann zwei, dann drei, dann ein großes, dann zwei kleine, schließlich waren es gut zehn, die sich alsbald mit meinem warmen, schwarzen Blut füllen würden, und die nun in der Schale durcheinander lagen, übereinander kullerten und sich ihren Platz suchten wie die entnervten Passagiere in der vom Streik aus dem Takt gebrachten Métro, ob ich denn auch kräftig gefrühstückt hätte, was ich jedenfalls gedurft hätte, sogar gesollt, ganz im Gegensatz zu dem, was mir Dr. Chandi versichert hatte, da ich daran gedacht hatte, ihn danach zu fragen, und was ich das nächste Mal tun sollte, sagte die Krankenschwester und fragte mich zugleich, an welchem Arm ich zur Ader gelassen werden wolle, als wäre ich gegenwärtig in der Lage, ein nächstes Mal auf mich zu nehmen, entsetzt, in einem Zustand des Entsetzens an der Grenze zum Lachkrampf, doch jetzt hatte der Pariser städtische Arbeiter erst einmal draußen die Wassermassen von der Zelle gestreift und wartete mit verschränkten Armen, dass ich mit dem Anrufbeantworter des blauen Taxiunternehmens fertig würde, um dann das Innere in Angriff zu nehmen, willens, die ausländische junge Frau, die an der Reihe war, beiseite zu drängeln, doch überdrüssig verschwand er mit seinem Gerätewagen im selben Augenblick, als die Stimme des blauen Taxiunternehmens mir sagte, woraufhin ich sofort wieder aufhängte, es sei zur Zeit, nach zehn Minuten Warten, kein Wagen für die Nummer der Rue Raymond-Losserand frei, die ich, als ich endlich durchgekommen war, hastig durch das Fenster der Telefonzelle erspäht hatte, in welche ich nun die ausländische junge Frau einließ, um mich wieder in die Métro zu stürzen, diesmal zu allem bereit, mit einer Übelkeit und Schwäche, die schon wieder an Kraft grenzten, zum Äußersten bereit, sogar mit einer gewissen Fröhlichkeit, dazu, mich sozusagen rein zufällig an jenem Morgen zusammenschlagen oder von einem Verrückten unter den Zug stoßen zu lassen, wo ich zum zweiten Mal zerquetscht würde, mit angehaltenem Atem und hocherhobenem Kopf, nur durch die Nase atmend, von dem Gedanken gepeinigt, dass ich zu allem Überfluss Gefahr lief, die Chinesische Grippe aufzuschnappen, die, so stand es in der Zeitung, schon zweieinhalb Millionen Franzosen ans Bett gefesselt hatte. Das Abteil auf der Linie Mairie d’Issy-Porte de la Chapelle, wo Dr. Chandi mir auszusteigen empfohlen hatte, wahlweise auch an der Porte de la Villette, um danach gut zehn Minuten an einem Zubringer zum Autobahnring entlangzulaufen, war seinerseits fast leer. Ein Mann, der eine Kappe mit Ohrenklappen aus Fell trug, beschrieb mir beim Verlassen der Station Porte de la Chapelle den Weg mit ausholenden Gesten, die kilometerweit wiesen, und als ich ihm den Namen Claude-Bernard sagte, denn er fragte mich genauer nach der Nummer in der Avenue de la Porte d’Aubervillers, zu der ich hinwollte, schien es mir, als begreife er meine Situation und mein Unglück voll und ganz, denn er war auf einmal von unvergleichlicher Freundlichkeit mir gegenüber, die, so zurückhaltend und leicht, fast humorvoll sie auch war, mir jenen schwarzen Kaffee nicht weniger versüßte, der mir immer noch Übelkeit verursachte, er hatte in der Zeitung zwei Tage zuvor gelesen, dass man das Hôpital Claude-Bernard, das aus den Zwanzigern stammte und baufällig geworden war, in neue Gebäude umgesiedelt hatte, außer dem Haus Chantemesse, wohin ich auf Dr. Chandis Weisung gehen sollte, der darauf verzichtet hatte, mir die Lage der Dinge zu schildern, ein Gebäude, das ausschließlich Aidskranken vorbehalten war und wo man bis auf weitere Verfügung innerhalb des ausgestorbenen Krankenhauses arbeitete. Am Telefon hatte Dr. Chandi, den ich bat, mir zu beschreiben, auf welchem Wege ich, zumal an einem Streiktag, zum Claude-Bernard käme, denn ich hatte ausgerechnet den Zettel verlegt, auf dem ich es mir einen Monat zuvor notiert hatte, lediglich gesagt: „Ach ja, Ihre Blutuntersuchung, war das schon morgen? Mein Gott, wie die Zeit vergeht!“ Ich fragte mich in der Folge, ob er diesen Satz absichtlich so formuliert hatte, um mich daran zu gemahnen, dass meine Zeit nun abgemessen war und ich sie nicht dadurch verschwenden sollte, unter einem anderen Schriftstellernamen als meinem eigenen zu schreiben, was mir jenen anderen, fast schon rituellen Satz ins Gedächtnis zurückrief, den er einen Monat davor gesprochen hatte, als er an den jüngsten Analysen die geschwinde Verbreitung des Virus in meinem Blut erkannte und mich bat, durch eine erneute Blutabnahme die Suche nach dem Antigen P24 zu ermöglichen, das Zeichen für das offensive, nicht mehr bloß latente Vorhandensein des Virus im Körper, um den Verwaltungsprozess in Gang zu setzen, mit dessen Hilfe ich AZT erhalten sollte, bis heute die einzige Möglichkeit, Aids im Vollbild zu behandeln: „Wenn wir jetzt nichts unternehmen, ist es nicht mehr eine Frage von Jahren, sondern von Monaten.“ Ich hatte nochmals nach dem Weg gefragt, einen Tankstellenwart, denn es war kein Mensch auf dieser von der Autoflut plattgewalzten Avenue ohne Geschäfte, der mir hätte Auskunft geben können, und ich sah am Blick des Tankstellenwarts, dass er irgendeine Gemeinsamkeit, er begriff nicht, welche, in den Gesichtern und Blicken, im fieberhaften, gespielt selbstsicheren und entspannten Auftreten jener Männer zwischen zwanzig und vierzig erkannte, die ihn nach dem Weg zu dem stillgelegten Krankenhaus fragten, zu einer Tageszeit, zu der Krankenbesuche nicht üblich waren. Ich überquerte einen weiteren Zubringer zum Autobahnring, um an das Eingangsportal des Hôpital Claude-Bernard zu gelangen, wo es weder Wachtmann noch Pfortendienst gab, stattdessen ein Schild des Inhalts, die in das Haus Chantemesse bestellten Patienten, jenes, dessen Name mir Dr. Chandi buchstabiert hatte, sollten sich direkt an die Schwestern in diesem Gebäude wenden, das sie auf dem Gelände fänden, indem sie dem mit Pfeilen markierten Weg folgten. Alles lag verlassen, leergeräumt, kalt und feucht, wie geplündert, mit blauen, ausgefransten Vorhängen, die im Wind flatterten, ich ging an den ziegelfarbenen, verbarrikadierten Gebäuden entlang, an deren Frontgiebeln stand: Infektionskrankheiten, Tropenkrankheiten, bis hin zum Gebäude der tödlichen Krankheiten, der einzigen beleuchteten Zelle, hinter deren Milchglasscheiben es weitersummte und wo man ohne Unterlass das infizierte Blut förderte. Ich traf niemanden auf meinem Weg außer einem Schwarzen, der den Ausgang nicht mehr fand und mich anflehte, ihm zu sagen, wo er eine Telefonzelle finden könne. Dr. Chandi hatte mir erzählt, die Schwestern auf dieser Station seien sehr freundlich. Ganz gewiss sind sie es zu ihm, wenn er Mittwoch morgens zu seiner Sprechstunde vorbeikommt. Ich wagte mich in einen gekachelten Flur, der in ein Wartezimmer umfunktioniert war, für arme Schlucker wie mich, die einander anstarrten und dabei dachten, die Krankheit verstecke sich genau wie bei ihnen hinter diesen Gesichtern, die doch gesund aussahen und manchmal voller Jugend und Schönheit, während sie selber einen Totenschädel sahen, wenn sie in den Spiegel schauten oder umgekehrt den Eindruck hatten, in diesen ausgemergelten Blicken unvermittelt die Krankheit auszumachen, während sie selber sich unablässig im Spiegel vergewisserten, dass sie noch bei guter Gesundheit sind, trotz ihrer schlechten Werte, und als ich mich weiter in diesen Flur wagte, erkannte ich hinter einer der Milchglasscheiben, die bis zu den Schultern reichten, von schräg vorn das vertraute Gesicht eines Mannes, mit dem ich zu tun gehabt hatte, und ich wandte mich sofort ab, entsetzt von dem Gedanken, mit ihm jenen Blick des Wiedererkennens, der erzwungenen Gleichheit zu wechseln, wo ich doch nichts als Verachtung für diesen Mann empfinde. Drei Schwestern drängten sich, als seien sie für eine Zirkusnummer übereinandergestapelt, in einem Besenschrank und blätterten wie besessen die Seiten eines Ordners durch, wobei sie Namen riefen, da riefen sie auch schon meinen, doch es gibt ein Stadium der Krankheit, da ist einem die Geheimhaltung herzlich egal, da wird sie sogar widerwärtig, lästig, und eine von ihnen erzählte von ihrem Weihnachtsbaum, man darf sich vom Schrecken dieser Krankheit nicht überwältigen lassen, sonst frisst er alles auf, sie ist schließlich nichts weiter als eine Art Krebs, ein Krebs, der mittlerweile durch den Fortschritt der Forschung fast völlig durchschaut ist. Ich hatte in einer von den Blutabnahmeboxen Zuflucht gesucht, hatte hastig die Tür hinter mir geschlossen und mich so tief wie möglich auf den Sitz gekauert, voll Angst, der Mann, den ich wiedererkannt hatte, könne mich seinerseits erkennen, doch andauernd wurde die Tür wieder von Schwestern geöffnet, die mich nach meinem Namen fragten oder sagten, ich hätte mich in die falsche Box gesetzt. Die Schwester, die mir Blut abnehmen sollte, musterte mich mit einem Blick voller Sanftheit, der bedeutete: „Du stirbst vor mir.“ Der Gedanke half ihr, milde zu bleiben und die Nadel ohne Handschuhe geradewegs in die Vene zu setzen, nachdem sie noch einmal ihre Röhrchen nachgezählt hatte, indem sie sie mit den Fingerspitzen in der Schale hin und her rollte. Sie sagte: „Es geht um die Analyse zur Verschreibung von AZT! Seit wann sind Sie in Behandlung?“ Ich überlegte, bevor ich antwortete: „Seit einem Jahr.“ Als sie das neunte Röhrchen an das Pumpsystem anschloß, das mir das Blut unter Vakuum abmolk, sagte sie: „Wenn Sie wollen, bringe ich Ihnen ein Frühstück, Nescafé und Marmeladenbrote, ist’s recht?“ Ich erhob mich umgehend von dem Sitz, und sie drückte mich ängstlich wieder hinunter: „Nein, bleiben Sie noch etwas sitzen, Sie sind zu blass, sind Sie sicher, dass Sie sich nicht mit einem Frühstück stärken möchten?“ Es drängte mich, hier herauszukommen, zwar konnte ich mich wohl nicht auf den Beinen halten, aber ich hatte Lust zu laufen, zu laufen wie noch nie, im Schlachthof galoppiert das Pferd, dessen Halsschlagader man durchtrennt hat, in Gurten aufgehängt weiter, im Leeren. Die Stapelkünstlerinnen in ihrem Besenschrank gaben mir ungefragt einen Termin für den Morgen des 11., bei Dr. Chandi. Als ich in die Kälte hinaustrat, dachte ich, jetzt fehle nur noch, dass ich wie der Schwarze in diesem Geisterkrankenhaus in die Irre ginge, der Gedanke brachte mich zum Lachen, mich verirren oder umkippen, in diesem einzigen Krankenhaus auf der Welt, da gab es keinen Zweifel, in dem ich womöglich Stunden warten müsste, bis jemand vorbeikäme, um mir aufzuhelfen. Trotz all meiner Anstrengung, mich auf dem mit Pfeilen markierten Weg nicht zu verirren, stellte ich bald fest, dass ich mich einem versperrten Tor näherte, ich musste den ganzen Weg in umgekehrter Richtung zurückgehen und mich auf die Suche nach einem anderen Ausgang machen. Ein Motorradfahrer sauste vorüber, der Helm machte sein Gesicht unkenntlich wie das eines Fechters. Ich kam wieder an dem Haus der tödlichen Krankheiten vorbei, dann an dem der Tropenkrankheiten, dann an dem der Infektionskrankheiten, und es war niemand mehr da, der mich nach dem Weg fragte. Ich verspürte immer noch diese höllische Lust, zu lachen und zu reden, so schnell wie möglich meine Lieben anzurufen, um ihnen all das zu erzählen und es loszuwerden. Ich hatte vor, mit meinem Verleger zu essen und den Vorschuss auf meinen neuen Vertrag auszuhandeln, der mir erlauben würde, eine Weltreise in der eisernen Lunge zu machen oder mir das Hirn mit einer goldenen Kugel aus dem Kopf zu pusten. Am Nachmittag rief ich Dr. Chandi in seiner Praxis an, um ihm zu sagen, dass mich das Erlebnis am Vormittag ernstlich mitgenommen hatte. Er sagte: „Ich hätte Sie informieren sollen, Sie haben mit allem recht, aber ich sehe nichts mehr, ich bin einmal wöchentlich einen Vormittag lang dort, und ich muss mir einfach eine dicke Haut zulegen, damit der Laden läuft.“ Ich sagte, ich wisse schon, er habe mich dorthin geschickt, weil es unumgänglich sei, doch fragte ich ihn, ob wir uns nicht künftig, soweit möglich jedenfalls, diese Krankenhausbesuche ersparen und die Sache weiterhin unter uns behandeln könnten. Beunruhigt von der Drohung, die ich bei unserem letzten Treffen hatte durchblicken lassen, dass ich nämlich zwischen Suizid und dem Verfassen eines weiteren Buches wählen würde, sagte mir Dr. Chandi, er wolle alles dafür tun, was in seiner Macht stehe, die Aushändigung von AZT könne jedoch ausschließlich durch ein Kontrollgremium erfolgen. Ich berichtete noch am gleichen Abend Bill von diesem Gespräch, nachdem ich mit meinem Verleger zu Mittag gegessen und den Nachmittag mit meiner Großtante im Krankenhaus verbracht hatte, und Bill sagte: „Die haben wohl Angst, du könntest dein AZT weiterverkaufen, an Afrikaner zum Beispiel.“ In Afrika lässt man wegen der hohen Kosten des Medikaments lieber die Kranken verrecken und steckt das Geld in die Forschung. Am Nachmittag des 22. Dezember also beschloss ich gemeinsam mit Dr. Chandi, nicht zu dem Termin am 11. Januar zu gehen, den nun er an meiner statt wahrnehmen wollte, womit er eine Rolle in beiden Lagern zugleich spielen würde, um nötigenfalls das ersehnte Medikament zu erhalten, oder um mich glauben zu machen, er könne es nur so erhalten, durch die Vorspiegelung meiner Anwesenheit, indem er die für unseren Termin reservierte Zeit blockierte, um das Kontrollgremium zu täuschen. Ich soll ihn am 11. Januar nachmittags anrufen, um meine Resultate zu erfahren, und aus diesem Grunde sage ich, dass mir heute, am 4. Januar, nur noch sieben Tage bleiben, um die Geschichte meiner Krankheit zu erzählen, denn was mir Dr. Chandi am 11. Januar nachmittags mitteilen wird, droht, egal in welcher Richtung, wobei jede Richtung, wie mich Dr. Chandi vorbereitete, nur verhängnisvoll sein kann, dies Buch zu gefährden, es an seiner Wurzel zu zertrümmern und meinen Zähler auf Null zu stellen, die fünfundfünfzig schon beschriebenen Blätter zu löschen und dann die Revolvertrommel rotieren zu lassen.

Dem Freund, der mir das Leben nicht gerettet hat

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