Читать книгу Dem Freund, der mir das Leben nicht gerettet hat - Hervé Guibert - Страница 23
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Оглавление’80 dürfte das Jahr gewesen sein, in dem mir Jules die Hepatitis eines Engländers namens Bobo anhängte, der Berthe nur knapp dank einer Gammaglobulinspritze entging. ’81 das Jahr von Jules’ Reise nach Amerika, nach Baltimore, wo er Bens, und nach San Francisco, wo er Josefs Liebhaber wurde, kurz nachdem mir Bill erstmals von der Existenz der Krankheit erzählt hatte, es sei denn, er hatte mir schon Ende ’80 davon erzählt. Im Dezember ’81 in Wien fickt Jules vor meinen Augen am Abend meines Geburtstags einen kleinen blond gelockten Masseur, den er in der Sauna aufgegabelt hat, Arthur, der fleckig und schorfig am ganzen Leib war und über den ich tags darauf in mein Tagebuch schreibe, halb unbewusst, denn damals glaubte man nur bedingt an die Geißel: „Gleichzeitig empfingen wir auf dem Körper des anderen die Krankheit. Wir hätten Lepra empfangen, wenn wir es gekonnt hätten.“ ’82 war das Jahr, in dem mir Jules in Amsterdam die Zeugung seines ersten Kindes ankündigte, das Arthur heißen sollte und im Scheißhausbecken gelandet ist, eine Ankündigung, die mich so schockte, dass ich Jules bat, in meinem Leib stattdessen eine negative Kraft heranzuziehen, „einen schwarzen Keim“, sagte ich an jenem Abend unter Tränen zu ihm, in dem Restaurant in Amsterdam, bei Kerzenlicht, was er nicht sichtbar befolgte, denn ich träumte wirklich von Schlägen, von Knechtung und Dressur, ich wollte sein Sklave werden, doch dann wurde er in unregelmäßigen Abständen meiner. Im Dezember ’82, in Budapest, wohin er gekommen ist, um an Bartóks Grab Andacht zu halten, lasse ich mir von einem Amikalb aus Kalamazoo den Arsch vollspritzen, Tom, der mich sein Baby nennt. ’83 war das Mexikojahr mit dem Abszess im Hals und Jules’ Lymphknotenschwellung. ’84 das Jahr des Verrats von Marine und meinem Verleger, von Muzils Tod und der im Moostempel in Japan niedergelegten Wünsche. ’85 ordne ich nichts ein, was mit unserer Geschichte zu tun hat. ’86 war das Todesjahr des Priesters. ’87 das Jahr meiner Gürtelrose. ’88 das Jahr des unwiderruflichen Ausbruchs meiner Krankheit, drei Monate später von jenem Umstand gefolgt, der mich an Rettung glauben ließ. In dieser Chronik, die acht Jahre umspannt und die Vorzeichen der Krankheit einschließt und markiert, wobei man heute laut Stéphane weiß, dass deren Inkubationszeit zwischen viereinhalb und acht Jahren beträgt, sind die körperlichen Krankheitsäußerungen nicht weniger entscheidend als die sexuellen Erlebnisse, weder die Vorahnungen noch die Wünsche, die sie verdrängen wollen. Diese Chronik wird zu meinem Schema, außer wenn ich feststelle, dass die Fortentwicklung aus dem Ungeordneten entspringt.