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14. Eine zu wenig – zwei zu viel

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Frau Dr. Marga Schiefmann-Wüllner stand fassungslos vor der Vitrine. Ihre um sie herum stehenden Paladine konnten erstmalig beobachten, wie die Grande Dame der Berliner Museumsleiter die Contenance verlor und der beidseitige Griff an die Schläfen dem mit Haarspray stabilisierten Vogelnest schweren Bauschaden zufügte.

„Sagen Sie mir, dass das nicht wahr ist! Wollen Sie mir wirklich erklären, dass jemand vor den Augen des Personals und bei laufender Kamera diese Vitrine, die mit der ganzen Reihe verbunden ist und die beim geringsten Versuch, sie zu öffnen, einen Höllenlärm auslöst, tatsächlich geöffnet hat, um die Zeichnung auszutauschen und dann hier seelenruhig raus marschiert ist?“

Hagenau zuckte kraftlos mit den Schultern und hatte dabei das Gesicht eines chronisch Magenkranken.

„Das alles habe ich nicht gesagt – noch viel weniger kann ich es erklären. Alles was ich feststellen kann ist, dass anstatt der Original-Zeichnung jetzt hier leider nur eine verdammt gute Kopie in der Vitrine liegt wie die beiden anderen im Tresor. Der Austausch kann irgendwann passiert sein. Herr Wisgalle hat das zwar erst am Mittag entdeckt, das heißt aber nicht, dass es gerade dann passiert sein muss. Das kann auch in der Nacht gewesen sein – aber das ist ja auch nicht möglich. Das ganze Gebäude ist gesichert, die Vitrinen sowieso, die Kamera läuft rund um die Uhr und die Nachtwache ist da. Es hat ja keinen Alarm gegeben.“

„Sie machen doch jeden morgen ihren Kontrollgang. Ist Ihnen denn da gar nichts aufgefallen?“

„Am Morgen schien alles in Ordnung. Da bin ich mir fast sicher.“

„Fast!?“

„Zu 99 Prozent. So genau schaut man ja nicht in jede Vitrine.“

Schauerte rieb sich das Kinn während der Denkphase und stemmte seine beiden kleinen Hände in die Hüften, um das Ergebnis zu verkünden:

„Es hat ja keinen Sinn, dass wir wilde Spekulationen anstellen oder gar Schuldzuweisungen erteilen. Das Wichtige zuerst: Nichts anfassen, alles lassen wie es ist! Die Polizei ist ja bereits benachrichtigt und müsste eigentlich jeden Moment hier sein. Die Leute vor dem Ausstellungsraum müssen wir nach hause schicken. Das Haus ist für Besucher bis auf Weiteres geschlossen, zumindest bis die Polizei alles untersucht hat und die Ausstellung wieder frei gibt. Leider haben Sie, verehrte Frau Kollegin den unangenehmsten Job, nämlich der Leihgeberin beziehungsweise der Versicherung den Verlust zu melden.“

„Wie stellen Sie sich das denn vor? Hallo Majestät – leider müssen wir Ihnen mitteilen, das man uns eine von Ihren kostbaren Leonardo-Zeichnungen geklaut hat. Nein, nein – damit warten wir gefälligst, bis die Polizei irgendein Ergebnis bringt. Vielleicht finden wir die Zeichnung ja auch wieder, vielleicht hat er sie irgendwo liegen lassen wie die anderen – und dann ruf ich noch mal an: Hallo Elisabeth – April, April!“

„Wollen Sie es darauf ankommen lassen, dass man den Diebstahl aus der Zeitung erfährt? Wenn irgendwo auf der Welt ein Leonardo geklaut wird, berichtet auch die BBC darüber, erst recht, wenn es ein englischer ist. Soweit ich weiß, guckt die englische Königin gerne und viel Fernsehen.“

Die Fregatte biss sich auf die Lippe, weil sie auf diesen klugen Einwand kein brauchbares Gegenargument wusste. Solche Standardsituationen nagten an ihr, weil wieder einmal allen klar wurde, wer die graue Eminenz im Hause war.

„Ja – Sie haben ja Recht! Entschuldigen Sie bitte. Aber Sie müssen verstehen, dass mir in einer solchen Situation auch schon mal die Gäule durchgehen können. Da weiß man nicht, was man zuerst und zuletzt tun soll. Mit einem solchen Fall war ich ja auch noch nie konfrontiert. Trotz alledem sollten wir einen kühlen Kopf bewahren. Als Erstes sollten wir das ganze Haus von oben bis unten durchsuchen, jede Ritze und jeden Palmentopf absuchen. Wenn wir nichts finden, melden wir den Verlust. Könnten Sie aber auch machen!“

„Verehrte Frau Kollegin – ich bin nur der Stellvertreter!“

Bei diesem Satz hüpfte die seekrankgrüne Fliege mit gelben Punkten vor Vergnügen.

Der rote Punkt

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