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2. Anfängerglück einer angehenden Zöllnerin

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Das Fundbüro im Parkhaus des Düsseldorfer Flughafens und das Revier der Flughafenpolizei sind nur ein paar Schritte von einander entfernt. Dafür braucht man höchstens drei Minuten. Vier Finger, die zu zwei kräftigen Polizistenhänden in weißen Handschuhen gehörten, hielten einen Klarsichtbeutel ganz vorsichtig an den Ecken hoch. Der Inhalt war durch den Pressverschluss des Beutels luftdicht abgeschlossen.

Auch für einen Laien war es ganz offensichtlich: ein Fuß – ganz eindeutig ein echter menschlicher Fuß ohne den ganzen restlichen Körper. Wenn so etwas einzeln auftaucht, muss irgendetwas Unnormales dahinter stecken. Bei diesem Fuß war obendrein auch noch die Haut abgezogen worden, so dass Sehnen und Knochen ganz deutlich zu sehen waren.

„Riecht nicht.“

Stellte Polizeihauptmeister Peckedraht schnüffelnd fest. Er legte das unheimliche Fundstück zurück in den Koffer, um mit seinem weißen Handschuhzeigefinger auf den Beutel zu drücken.

„Bretthart.“

Der Kollege Kieserling, mit genauso vielen Pickeln auf dem Schulterstück, wandte sich der immer noch sichtlich geschockten jungen Zöllnerin zu.

„Anfängerglück! Nehmen Sie es nicht so tragisch. Machen Sie hier für heute Schluss oder kommen Sie wenigsten zu uns rüber – wir haben drüben den besseren Kaffee als die Versager hier. Den Koffer samt Corpus Delicti bringen wir zur kriminaltechnischen Untersuchung ins Hauptrevier.“

Die Handschuhhand drückte den Kofferdeckel nieder, bis er einrastete. Dann wurde der ganze Koffer in einen der großen Plastikbeutel eingetütet, die für solche Fälle im Fundbüro vorgehalten wurden. Die Polizisten verließen das Fundbüro mit ihrer Beute, nicht ohne das Angebot mit dem Kaffee zu wiederholen. Auf der Fahrt ins Hauptrevier streifte die Unterhaltung nacheinander mehrere Themen: Splatter Movies, Snuff Videos, Frankenstein und Dr. Mabuse, und vor allem die Frage, warum die Polizisten des Düsseldorfer Flughafens zwar den besseren Kaffee, die Schlappsäcke vom Zoll aber die schärferen Weiber haben.

Nachdem sie eine Karte für den Vorgang angelegt hatten, brachten sie den Koffer gleich in die Pathologie. Dr. Mabuse heißt hier Dr. Hummelsheim, hagere zwei Meter lang, oben Billardkugel mit Schnäuzer.

„Was bringt Ihr mir denn heute wieder Schönes?“

Statt zu antworten legte Peckedraht den Koffer auf eine Arbeitsfläche mit Rädern, zog sich selbst die Handschuhe an und dem Koffer den Plastikbeutel aus, öffnete den Deckel, nahm den Klarsichtbeutel mit dem bekannten Vierfingergriff heraus und hielt ihn vor den Schnauzbart.

„Na – ich würde mal sagen: Schuhgröße 42.“

Die pathologische Untersuchung des Fußes sowie die kriminaltechnische Untersuchung des Koffers und seines Inhalts ergab folgendes Ergebnis:

Der Fuß war eindeutig ein menschlicher Fuß, ein linker männlicher Fuß, der besonders sorgfältig präpariert wurde. Daher ist auch kein Verwesungsgeruch bemerkt worden. Die Abtrennung von den Unterschenkelknochen ist sauber und professionell ausgeführt worden. Ebenso professionell ist die Haut abgezogen worden. Wer immer dies getan hat, verstand sein Geschäft. Aus der Art und Weise der Behandlung ist nicht zu ersehen, zu welchem Zweck sie durchgeführt wurde.

Die Kleidungsstücke im Koffer deuteten auf einen Mann von etwa 1,78 Meter Körpergröße und ca. 90 Kilogramm Gewicht. Die leichten Straßenschuhe waren wirklich Größe 42. Im Toilettenbeutel fand sich alles, was normalerweise in solche Beutel gehört, mit zwei Ausnahmen: 12 lose Magnesiumtabletten und ein Tubenpräparat gegen Fußpilz.

Wie nicht anders zu erwarten war der Koffer mit Fingerabdrücken völlig unterschiedlicher Urheberschaft übersät.

Außer Kleidungstücken und Toilettenartikeln befand sich im Koffer nur noch ein Ausstellungskatalog über eine Leonardo da Vinci – Ausstellung im Getty-Museum Los Angeles (englisch) mit einem ausgerissenen Zeitungsartikel (deutsch), der offensichtlich als Lesezeichen verwendet wurde. Der Zeitungsartikel war eine Vorankündigung, dass diese Leonardo-Ausstellung im Anschluss im Berliner Gropius-Bau gezeigt werden soll. Der ausgerissene Artikel steckte zwischen zwei Seiten, wovon eine die Anatomie-Zeichnung eines Fußes zeigte. Auf dem Katalog befand sich eine Vielzahl von Fingerabdrücken. Die Zahnbürste wurde auf Speichelspuren untersucht zwecks DNA-Analyse. Der Vergleich mit den einschlägigen Datenbanken hat jedoch keine Übereinstimmung mit erfassten Daten ergeben. Am und im Koffer gab es keinerlei Hinweise auf den Eigentümer.

Der rote Punkt

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