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21. Dezember 2015 - Zarifa: vor dem Herrenhaus - Spannungen

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Widerwillig hatte Jassim die Bewachung von Rayans Tür zwei seiner Männer überlassen. Ihm war anzusehen, dass er sich am liebsten geweigert hatte. Doch auch für ihn waren Tahsins Befehle nun bindend, ob ihm das gefiel oder nicht.

Nun hatten sie sich auf der Terrasse des Herrenhauses versammelt, um sich gegenseitig über die neuesten Ereignisse zu informieren und die weitere Vorgehensweise abzustimmen.

„Es ist wie verhext“, fluchte Rayans Sohn erbost, während er sich müde mit der Hand durch Gesicht fuhr. „Wir finden diese Bastarde einfach nicht. Dabei muss der Trupp deutlich größer sein, als wir ursprünglich angenommen haben. Sie müssen irgendwie auf den Zugang im Westen des Gebirges gestoßen sein, und haben dann über einen längeren Zeitraum hinweg Stück für Stück ihre Leute eingeschleust. Das ist nicht nur gefährlich für uns, obendrein ist es auch noch superpeinlich - wir die tollen Krieger haben nichts davon bemerkt!“, seine Augen funkelten wütend. Carina bemerkte mit Wehmut, wie ähnlich er in diesem Moment seinem Vater war.

Beruhigend lenkte Hanif ein: „Mach dich nicht verrückt Tahsin! Das haben ich und dein Vater schon zu genüge getan. Diese beiden Durchgeknallten haben ganz Damaris eingenommen, ohne dass Harun es bemerkt hat. Und er ist wahrlich nicht auf den Kopf gefallen. Viel wichtiger ist doch die Frage, was wir tun, damit nicht noch mehr Männer durchschlüpfen. Haben wir das jetzt im Griff?“

Er zuckte zurück, als Tahsin ihm einen eiskalten Blick zuwarf: „Danke für die Erinnerungen. An meinen Vater und an das, was wir tun sollten.“

Abwehrend hob Hanif beide Hände und trat einen Schritt zurück. „Verzeiht mir Herr, wenn ich Euch beleidigt haben sollte“, sagte er leise. Er kannte diesen Ausdruck von Rayan nur zu gut und wollte Tahsin keinesfalls vor den ebenfalls mit an der Versammlung teilnehmenden Gruppenführer herausfordern. Er fragte sich, wo der lebenslustige, immer gerne mal einen Stunt wagende Junge geblieben war.

„Schon gut“, beschwichtigte Tahsin sofort und fuhr fort, als wäre nichts gewesen: „Der Punkt, den Hanif anspricht, ist korrekt: Sind wir ABSOLUT sicher, dass niemand mehr durch diese Passage hinein- oder herauskommt?“

Halef meldete sich zu Wort: „Ja Herr, das sind wir. Da die Passage nicht sehr breit ist, haben wir sie im Moment mit Steinen und Holzlatten völlig verbarrikadiert. Wenn wir sie irgendwann einmal wieder in Betrieb nehmen wollen, wird das einige Zeit in Anspruch nehmen. Zusätzlich haben wir auf beiden Seiten der Blockade Fangeisen aufgestellt, sollte sich also ein Mann oder ein Pferd sich unversehens annähern, wird er sein blaues Wunder erleben.“ Er grinste zufrieden, doch Tahsin blieb vollkommen ernst. „Warum haben wir keine Tretminen eingesetzt?“, fragte er nüchtern.

Auch Halef war jetzt wieder ernst, doch bevor er etwas sagen konnte, übernahm sein Freund Zati die Beantwortung: „Weil wir in dem Fall nicht sicher sind, ob nicht der halbe Berg runterkäme. Dann wäre der Zugang für immer versperrt, Herr.“

„Okay“, nickte Tahsin und ging zum nächsten Thema über. Punkt für Punkt fragte er einen nach dem anderen die Verantwortlichen zu ihren Aufgaben. Seine Fragen waren präzise und kurz gehalten. Zu ausschweifende Antworten unterband er. Carina kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Nachdem er die Versammlung beendet und die Männer entlassen hatte, blieben Jassim, Hanif, Nihat, Halef und Carina übrig. Eine Weile schwiegen alle sechs.

Dann räusperte sich Hanif, etwas das er sonst nie tat. „Ich hätte noch eine Information, ähm eine Frage …“, begann er gedehnt. Aus seinem Tonfall konnte man eine gewisse Nervosität entnehmen, noch mehr aber, dass er gekränkt war, wegen der Zurechtweisung von vorhin. Auch wenn ihn die jahrelange Erfahrung mit Rayan gelehrt hatte, dass er sich einer derartigen Situation besser zurückzuziehen hatte, sein Stolz war verletzt.

„Leila würde gerne in einigen Tagen vorbeikommen“, ließ er die Bombe platzen.

Jassim kommentierte überrascht: „Was? Das ist ja ganz was Neues!“, doch er grinste dabei, denn er freute sich für seinen Freund Hanif. Sie hatten des Öfteren darüber gesprochen, wie gerne er sie wenigstens einmal hier hätte.

Nachdem Tahsin überrascht die Augenbrauen hochzog, fiel Carina ein, dass sie keine Ahnung hatte, wie ihr Stiefsohn zu Leila stand. Mochte er sie? Kannten sie sich überhaupt persönlich? Und was, wenn Rayans Sohn noch einmal derart den Anführer heraushängen ließ, und etwa auf einer förmlichen Anfrage oder Bitte bestand? Er öffnete in diesem Moment den Mund, doch Carina wollte kein Risiko eingehen. „Aber natürlich! Wie schön, wir freuen uns sehr, wenn sie sich doch endlich dazu durchringen kann!“, dabei warf sie Tahsin einen warnenden Blick zu und hielt die Hände in die Hüften gestemmt. Ihre komplette Körpersprache sagte: „Achtung! NOCH bin ich hier die Scheicha und für Gäste in diesem Haus zuständig.“

Ganz korrekt war diese Haltung zwar nicht, denn Leila war keine Tarmanin und auch nicht mit Hanif verheiratet, aber als Rayans Schutzbefohlene sollte sich die Frage ihrer Zutrittserlaubnis gar nicht erst stellen. Hanif warf Carina einen dankbaren Blick zu, offenbar hatte auch er Probleme befürchtet.

Mit den Worten „Jassim, ich würde gerne mit dir noch alleine sprechen, die anderen können gehen“, beschloss Tahsin dann auch den kleinen Kreis der Versammlung. Im Grunde waren es nur Halef und Nihat, die gingen, denn Carina, die sich vorher ein wenig im Hintergrund gehalten hatte und daher an die Hauswand gelehnt gestanden hatte, setzte sich gelassen an den Tisch, was auch zur Folge hatte, dass Hanif bei ihr blieb.

„Jassim, wie geht es ihm?“, fragte Tahsin leise. „Ich meine, wie geht es ihm wirklich?“, ergänzte er und fixierte den Leibwächter. Er sah auf einmal unendlich müde aus und zum ersten Mal, wie der Junge, der er ja zumindest dem Alter nach noch war.

„Die Maschinen tun ihre Arbeit. Aber ich sorge mich um seine Muskeln, die natürlich durch das lange Liegen nachlassen. Der Doc sagt zwar, wir sollen uns diesbezüglich keine Sorgen machen, ‚Er ist ein gut trainierter Mann und es sind ja erst drei Wochen‘“, zitierte er den Mediziner, „Ich sorge mich aber trotzdem. Das Team des Docs tut natürlich, was es kann, sie bewegen ihn und so … aber es ist furchtbar ihn so zu sehen“, die letzten Worte hatte er ganz leise gesprochen, sein Gesicht wirkte dabei überraschend verletzlich, wie es die ehrliche Fürsorge und Liebe zu seinem Herrn widerspiegelte. Er gab sich einen Ruck und setzte sich stolz hin, als wäre ihm eingefallen, dass dies nicht die Haltung eines Kriegers ist. „Zumindest heilt die Wunde an sich gut zu“, fügte er in betont positivem Tonfall hinzu, „da hat unser Mister Scott wirklich ganze Arbeit geleistet.“ Er schwieg wieder, es war ohnehin eine recht lange Rede gewesen, für seine Verhältnisse.

„Ich weiß wirklich zu schätzen, dass du so für ihn da bist!“, bedankte sich Tahsin bei dem Leibwächter, der als Antwort nur nickte.

„Aber!“, fuhr Rayans Sohn dann mit fester Stimme fort. „Ich möchte, dass du ab sofort deine Stunden vor dieser verfluchten Zimmertür halbierst. Zum einen wirst du mehr schlafen, und zum anderen wirst du wieder mehr am Training teilnehmen.“

Jassim riss überrascht die Augen auf. Es war das erste Mal, das er von Tahsin einen Befehl erhielt. Er war aufgrund seiner Position an Rayans Seite von der üblichen Rangordnung ausgenommen und nahm normalerweise nur von ihm persönlich Befehle entgegen. Hanif war ihm als Reiterführer früher vorangestellt gewesen, doch Nihat, der dieses Amt nun innehatte, hatte sich niemals an ihn herangetraut. Und da der Scheich im Koma lag, würde er nun allenfalls auf Carina als seine Scheicha hören. Offenbar ein Irrtum, wie Tahsin gerade bewies. „Der Junge hat echt Schneid“, dachte Hanif in einer Mischung aus grimmiger Befriedigung, weil er nicht der Einzige war, der heute sein Fett völlig überraschend abbekam, und Verärgerung.

„Das war keine Bitte“, fügte Tahsin hinzu, um seine Forderung nochmals zu unterstreichen. Einen Moment lang sah der große Tarmane aus, als wolle er mit der Faust auf den Tisch hauen.

Wieder war es Carina, die eingriff, um „ihre Männer“ zu besänftigen. „Jassim, er hat recht! Du bist auf dem besten Weg, dich zugrunde zu richten. Es hilft niemanden, wenn du dich - vor allem aber auch dein Training - vernachlässigst.“ Sie hielt einen Moment inne, um den Leibwächter anzuschauen, ihr Blick war voller Sorge, und die Bitte, sich jetzt hier nicht auf ein Kräftemessen mit Tahsin einzulassen, stand darin deutlich zu lesen. „Sobald Rayan wieder aufwacht, wird er sehr schwach sein. Und viel schlimmer: Du hast den Arzt gehört! - er wird Probleme haben, zu laufen. Also wird er dich mehr brauchen, denn je. Bis dahin musst du topfit sein!“

Eine Sekunde lang zögerte Jassim noch, dann neigte er seinen Kopf zustimmend. „Ich habe verstanden Scheicha“, sagte er ruhig und ging.

Tahsin bekam einen roten Kopf, seine Augen blitzen vor Wut. Er wollte aufspringen, doch Carina legte ihm kühl ihre Hand auf die Schulter. „Ganz ruhig, mein Junge. Verlang nicht zu viel auf einmal!“, sagte sie sanft. „Du hast heute eine herausragende Versammlung abgehalten. Ich bin so stolz auf dich! Gib Jassim Zeit. Er vergöttert deinen Vater und verdrängt seine Sorge um ihn auf diese Weise. Und dann kommst du und willst ihn davon abhalten? Das ist für Jassim, wie wenn du versuchst, dich zwischen ihn und Rayan zu stellen. Das wird dir niemals gelingen. Also lass ihm Zeit, über das nachzudenken, was ich ihm gesagt habe, ja?“

Der Junge entspannte sich sichtlich und nickte.

Erleichtert wechselte Carina das Thema: „Und außerdem, gibt es etwas, dass ich dir heute mitteilen wollte“, sie hielt nur kurz inne, um Luft zu holen, doch dann brach es grinsend aus ihr heraus: „Du wirst einen kleinen Bruder bekommen!“

Jetzt sprang Tahsin auf und führte einen kleinen Freudentanz um Carina herum auf. „Wann?“, fragte er atemlos. „Voraussichtlich Mitte Juni“, lachte Carina. Auch er war genauso erfreut, dass es endlich einmal positive Nachrichten gab, dass er die Spannungen mit Hanif und Jassim bald vergessen hatte.

Rayan - Das Blut Von Zarifa

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