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02. Dezember 2015 - Zarifa: Krankenhaus - Keine guten Nachrichten

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Im Warteraum im Erdgeschoss des kleinen Krankenhauses war jeder der sechs Stühle belegt. Doch keiner der Anwesenden sprach ein Wort. Julie krampfte ihre Hände um die eiskalten Finger von Carina, die mit bleichem Gesicht um ihre Beherrschung rang. Hanif hatte seine Arme vor der Brust verschränkt, den Kopf an die Wand hinter ihm angelehnt. Seine dunklen Augen funkelten grimmiger denn je. Ihm war anzusehen, worüber er nachdachte: Er malte sich in Gedanken aus, was er mit den Männern des Skorpions machen würde, sobald er sie in die Finger bekäme.

Jassim hatte die Augen geschlossen. Seine muskulöse Gestalt wirkte wie immer beeindruckend, doch auch ihm gelang es nicht, zu seiner üblichen Geschmeidigkeit zu gelangen. Seine sonst so gelassene Haltung wirkte verkrampft.

Tahsin stand immer wieder auf und lief den Gang in Richtung des hochmodernen OP Saales hinauf, als könne er die Tür mit seinen Blicken dazu zwingen, sich zu öffnen oder die Abläufe im Inneren zu beschleunigen. Er sah um Jahre gealtert aus, was aufgrund seiner Jugend bemerkenswert war. Da er seinen sechzehnten Geburtstag erst im kommenden Mai haben würde, galt er in Zarifa offiziell noch nicht einmal als erwachsener Mann.

Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Da war die Frage, wie es dem Skorpion hatte gelingen können, in Zarifa einzudringen. Und dann natürlich die Sorge um seinen Vater! Hatten sie den Angreifer noch rechtzeitig ausschalten können?

In seinem Kopf hallten die Worte von Doktor Scott wieder: „Tahsin, Sie müssen etwas tun! Und zwar ganz schnell. Sehen Sie sein Hosenbein? Der komplette Stoff ist bereits durchtränkt. Das T-Shirt herumzuwickeln hat überhaupt nichts gebracht. Er verliert zu viel Blut. So kommt er nicht einmal mehr bis zum Eingang in den Garten …“

Waren sie schnell genug gewesen? Tahsin dachte an den jungen Krieger Aleser, der durch sein mutiges, aber leider auch sehr leichtsinniges Eingreifen die entscheidende Wende gebracht hatte. Nur aufgrund der Ablenkung, die dessen Pfeil verursacht hatte, war es Jassim gelungen, den Scheich zu Boden zu reißen und so aus der Schusslinie zu bekommen. Zwei der tarmanischen Männer hatten versucht, dem jungen Mann noch zu helfen, aber die Kugeln des Skorpions aus nächster Nähe waren sofort tödlich gewesen.

Müde lehnte sich Rayans Sohn an die Wand des Krankenhausflurs und fuhr sich durch die Haare. Wie hatte sich ihre Oase des Friedens und der Ruhe so schnell in einen Schauplatz derart brutaler Szenen verwanden können? Der Gedanke brachte ihn zurück zu ihrer Sicherheitslage. Waren weitere Aktionen des Feindes zu erwarten? Halef kümmerte sich draußen um die Organisation der Wachposten. Am liebsten wäre Tahsin ebenfalls hinausgelaufen, nur um etwas zu tun zu haben. Die Warterei brachte ihn - wie alle - um den Verstand. Immerhin war Daoud nicht hier, der kümmerte sich zusammen mit dem Kindermädchen um die kleine Sheila.

Wie auf Kommando steckte in diesem Moment Halef seinen Kopf zur Eingangstür hinein. Sofort sprangen Hanif und Jassim auf und eilten nach draußen. Tahsin beeilte sich, zu ihnen zu stoßen.

„Wie geht es unserem Herrn?“, war Halefs erste Frage. Doch als die Männer nur die Schultern zuckten, konzentrierte er sich auf seinen Bericht: „Die Wachen wurden verdoppelt, die Durchsuchung aller Häuser läuft noch“, informierte er knapp. Er sprach leise, als habe er Angst, dass zu laute Worte die laufende Operation negativ beeinflussen könnten. Genau wie jedem einzelnen Tarmanen in Tal, war auch ihm klar, dass das Leben ihres Scheiches auf Messers Schneide stand.

„Es gibt aber weitere schlechte Nachrichten …“, ergänzte er. „Die beiden Männer, die hinten am oberen Ende des Wasserfalls postiert waren, wurden tot aufgefunden.“

Hanif fluchte leise. „Dieser verdammte Skorpion! Wäre er nicht schon tot, ich würde …“

Doch Halef schüttelte den Kopf. „Sicher sind wir uns zwar nicht. Aber die Wachen wurden routinemäßig gewechselt, da muss er mit großer Wahrscheinlichkeit schon im Haus gewesen sein. Wir nehmen also an, dass ein zweiter Mann im Tal gewesen ist. Oder zumindest dort oben Schmiere gestanden hat. Vielleicht sollte er den Rückzug sichern, wer weiß? Alle Spuren deuten jedenfalls darauf hin, dass nicht der Skorpion unsere beiden Stammesbrüder auf dem Gewissen hat.“

„Sedat, diese Ratte!“, knirschte Hanif mit den Zähnen. Er wollte noch etwas sagen, doch in diesem Moment kam die Helferin aus dem OP zu ihnen hinaus. „Der Doktor möchte mit Ihnen reden, Tahsin.“

Erschrocken hielten alle vier Männer inne. Die Frau sah mitgenommen aus und auch die Art, wie sie die Nachricht überbracht hatte, schien nichts Gutes zu verheißen.

Schnell eilten sie hinein, wo Doktor Scott gerade aus dem OP kam. Er trug einen dunkelgrünen Kittel, der an mehreren Stellen blutverschmiert war. Bei seinem Anblick spürte Carina Übelkeit in sich aufsteigen. Zwar war sie normalerweise nicht empfindlich, was Blut anging, doch der Gedanke, dass die Flecken durch das Blut ihres Mannes verursacht waren, ging ihr an die Nieren. Beide Frauen waren schon aufgesprungen, als die Schwester an ihnen vorbeigeeilt war. Nun starrten sie eng umschlungen, um sich gegenseitig zu stützen wie gebannt auf den Mediziner.

Genau wie vorher bei der Helferin, ließ das tief gefurchte Gesicht des Arztes deutlich erkennen, dass er einige mehr als anstrengende Stunden hinter sich hatte.

Der Engländer räusperte sich verlegen. Dann sagte er: „Für den Moment hat er die OP gut überstanden und ist relativ stabil“, bevor die Anwesenden aufatmen konnten, fügte er schnell hinzu: „Das ist aber kein Grund zu übereilter Freude, denn ich habe aber leider keine guten Nachrichten für Sie“, und um Carina begann sich alles zu drehen.

Rayan - Das Blut Von Zarifa

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