Читать книгу Liebe ist kein Honigbrot - Iris Bulling - Страница 10
Kapitel 8
ОглавлениеAm Spätnachmittag kam sie bei ihrer Studentenbude an. Volker hatte sie noch einmal angerufen, um sie zu überreden, wenigstens einen Tag später zu fahren, aber sie hatte sich nicht umstimmen lassen. Ihre Mutter hatte sie gelöchert, ob alles in Ordnung sei, aber auch da hatte sie sich kaum geäußert. Sie sprach von wichtigen Vorbereitungen, die sich nicht aufschieben ließen, wenn sie nicht gleich zu Beginn des Semesters in Stress kommen wolle. Und nun war sie also hier.
Nachdem sie einen ganz guten Parkplatz gefunden hatte, blieb sie erst einmal ein Weilchen sitzen und atmete tief durch. Sie musste einfach ein bisschen Abstand gewinnen.
Schließlich packte sie aus und trug alles in ihr Zimmer.
Birgit war natürlich noch nicht da, sie würde wohl bis 18.30 Uhr an der Kasse sitzen. Dann der Nachhauseweg mit der Straßenbahn… vor 20.00 Uhr kam sie sicher nicht.
Steffi legte sich aufs Bett und schloss die Augen. Sie hatte ein so großes Bedürfnis sich mit ihr auszutauschen. Innerlich unzufrieden mit der augenblicklichen Situation war sie auch unglücklich über ihr eigenes Verhalten und sie hoffte, dass ein Gespräch mit Birgit ihr weiterhelfen würde. Am liebsten hätte sie sie abgeholt, aber ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass die Zeit zu knapp war und sie sie wahrscheinlich eher verpassen würde.
Sie musste eingeschlafen sein, denn als sie das nächste Mal auf die Uhr schaute, war es schon halb neun. Rasch sprang sie auf und lief zu Birgits Zimmer, aber es war noch immer abgeschlossen.
Seufzend ging Steffi zurück und suchte sich ein Buch zum Lesen. Allerdings fiel es ihr sehr schwer sich zu konzentrieren. Nachdem sie sich zum dritten Mal fragte, was sie eigentlich gelesen habe, gab sie es auf und zog sich ihre Jacke an. Sie wollte einen kurzen Blick in die Studiosusklause werfen. Vielleicht war da jemand, mit dem sie sich unterhalten könnte.
Genau in diesem Augenblick wurde die Haustür aufgeschlossen und Birgit kam summend herein. Überrascht blieb sie stehen. „Hallo, Steffi! Du bist schon da?“
„Schon eine ganze Weile. Ich hatte sogar mit dem Gedanken gespielt dich abzuholen, aber ich hatte Angst dich zu verpassen.“
Birgit ging an ihre Zimmertür und schloss auf. „Ja, das wäre gut möglich gewesen. Ich war noch zum Essen verabredet. Willst du kurz mit rein kommen?“
„Ja, gerne. Du bist aber sicher müde.“
„Ach, es geht. Du hast sicher eine Menge zu erzählen und ich bin wie immer neugierig“, lachte sie. „ Wenn es mir zu viel wird, schmeiße ich dich raus.“
„Sie ist ziemlich aufgekratzt“, dachte Steffi, „so kenne ich sie eigentlich gar nicht.“
Sie folgte Birgit und ließ sich auf dem einzigen Stuhl nieder, der im Zimmer war. Birgit ließ sich auf ihr Bett fallen. „Nun erzähl mal, wie war Paris?“
„Sehr interessant. Wir sind von einem Höhepunkt zum nächsten gehastet.“
Birgit runzelte die Stirn. „Wie, nur interessant? Nicht romantisch?“
Steffi seufzte, dann berichtete sie etwas genauer. Als sie geendet hatte, meinte Birgit: „Du hast Volker doch hoffentlich gesagt, dass dir das nicht so gefallen hat.“
„Ich habe es ihn spüren lassen!“
„Und – hat er es gespürt?“
„Ja, also … Ich weiß es nicht.“
„Mensch, Steffi, wann redest du endlich mit den Leuten, wenn dir etwas nicht passt! Du musst deine Interessen artikulieren und nicht still vor dich hin leiden. Ich bin überzeugt davon, dass Volker auf dich eingegangen wäre, wenn du ihm gesagt hättest, was du willst!“
Steffi schwieg und Birgit setzte nach: „Versprich mir, dass du ihm alles so sagst, wie du es mir gesagt hast. Er hat es wirklich nicht verdient, dass du ihn so behandelst.“
„Vielleicht hast du Recht….“
„Wirklich, Steffi, das wichtigste an einer funktionierenden Beziehung ist, dass man miteinander spricht. Volker kann doch nicht deine Gedanken lesen!“
„Okay, ich werde unser Wiedersehen nutzen, einiges klarzustellen. Versprochen. Aber jetzt erzähle mal, wie es dir ergangen ist. Wird dir die Arbeit nicht ein bisschen viel?“
„Ach, man gewöhnt sich daran. Und wenn ich mein Geld ausbezahlt bekomme, ist das schon ein gutes Gefühl. Aber ich habe ein ganz anderes Problem: Ich bin drauf und dran, mich zu verlieben.“
Steffi war überrascht. Seit Birgit ihre Beziehung zu Peter, einem drei Jahre älteren ehemaligen Schulfreund, zu Beginn des Studiums Knall auf Fall beendet hatte, schien sie ihr Leben als Single total zu genießen. Sie hatte zwar jede Menge Verehrer, schaffte es aber locker sie alle auf Abstand zu halten, ohne dass einer es ihr übel nahm. Steffi hatte sich manchmal sogar gefragt, ob Birgit überhaupt zu tieferen Gefühlen fähig sei.
„Warum ist das ein Problem?“ fragte sie vorsichtig.
„Ich weiß einfach nicht, ob ich ihm trauen kann. Und ich habe keine Lust, nachher mit gebrochenem Herzen dazusitzen.“
„Dann erinnere ich dich an das, was du mir mal gesagt hast: Wenn du es nicht ausprobierst, findest du nicht heraus, ob es was ist.“
Jetzt musste Birgit laut auflachen. „Ach Steffi! Es ist immer einfach, anderen gute Ratschläge zu geben, wenn man selbst nicht gefühlsmäßig in der Sache drin steckt. Deshalb sind Psychiater ja auch so hilfreich.“
„Okay. Wer ist es? Kenne ich ihn?“
„Er heißt Heinrich.“ Wieder musste Birgit lachen. „Und ja, du kennst ihn.“
„Heinrich? Ich kenne keinen Heinrich.“
„Klar, es möchte ja auch niemand Heinrich heißen. Aber du kennst ihn trotzdem. Warte ab, bis du ihn siehst. Dann verstehst du wahrscheinlich meine Bedenken.“
Näher wollte sie auf das Thema nicht eingehen. Stattdessen meinte sie: „Jetzt bin ich aber wirklich todmüde. Morgen muss ich wieder früh los.“
Steffi wünschte ihr eine gute Nacht und ging in ihr eigenes Zimmer. Dort grübelte sie noch eine Weile über das Gespräch und ihre Beziehung zu Volker nach, suchte in ihrer Erinnerung ohne Erfolg nach einer Person namens Heinrich und schlief schließlich ein.
Am nächsten Tag erwachte sie, weil die Sonne schon in ihr Zimmer schien. Im ersten Moment fehlte ihr die Orientierung, dann hatte sie wieder ihren übereilten Aufbruch und das Gespräch mit Birgit im Kopf. Nach einem Blick auf den Wecker, es war schon kurz vor zehn, kuschelte sie sich noch einmal unter ihre Decke und überlegte, was sie nun mit diesem Tag anfangen sollte. Das Einräumen und Hinrichten ihrer Utensilien würde schnell erledigt sein, und die meisten Kommilitonen würden wahrscheinlich erst im Laufe des Wochenendes eintrudeln oder jobbten noch irgendwo wie Birgit.
„Ich werde in die Stadt gehen und ein bisschen bummeln“; beschloss sie.
Mit etwas mehr Elan schwang sie sich aus dem Bett, um den herrlichen Tag nicht ganz zu vertrödeln. Als sie gegen sechzehn Uhr zurückkam, stellte sie fest, dass inzwischen mehr klapprige Autos in der Straße parkten, ein Zeichen dafür, dass doch einige auch heute schon angekommen waren. Also würde es sich sicherlich lohnen, sich in der Studiosusklause einzufinden, um zu sehen, wer schon da war.
Während sie ihre Einkäufe verstaute und sich überlegte, ob sie die neue Bluse anziehen sollte, läutete es. Rasch lief sie nach draußen, um den Türöffner zu bedienen. Die Tür wurde aufgedrückt und Volker stand da. Er schaute sie etwas verunsichert an, aber Steffi war so froh ihn zu sehen, dass sie die paar Stufen hinunterrannte und ihm um den Hals fiel.
„Bist du auch früher losgefahren?“ fragte sie möglichst unbefangen.
Er nickte. „Ich hatte keine Ruhe mehr. Dein Abschied – ich habe einfach nicht verstanden, was das zu bedeuten hatte.“
Durch Steffis Kopf gingen im Schnelldurchlauf die Gespräche, die sie während ihres Praktikums geführt und die ihr so viel Auftrieb gegeben hatten. Was war dagegen die Verärgerung, weil er in Paris seinen Interessen nachgesprungen war? Birgit hatte Recht, sie hätte mit ihm gleich darüber sprechen und ihre eigenen Wünsche vorbringen müssen.
„Es ist gut, dass du da bist“, flüsterte sie und zog ihn in ihr Zimmer. „Soll ich einen Kaffee machen?“
Als sie sich dann gegenüber saßen, hakte er noch einmal nach: „Was war mit dir los? Habe ich irgendetwas falsch gemacht?“
Steffi schluckte – so einfach fand sie nicht die richtigen Worte. Dann dachte sie an Birgits Rat und gab sich einen Ruck.
„Eigentlich hat es an mir gelegen“, begann sie zögernd. „Du hattest die ganze Reise so gut geplant und ich fand das ja auch toll. Aber ich hätte halt auch ein paar Interessen gehabt. Bloß bin ich nicht dazu gekommen, sie zu äußern.“
Volker war fassungslos. „Aber warum denn nicht? Du hättest doch bloß reden müssen!“
„Ich weiß“, seufzte Steffi, „Manchmal verstehe ich mich selbst nicht. Es ist wie eine Hemmschwelle, die Worte kommen einfach nicht heraus. Ich überlege, wie ich es sagen soll, und dann ist es plötzlich zu spät.“
Zärtlich nahm er sie in den Arm. „Nächstes Mal planen wir vorher alles gemeinsam. Aber unsere Beziehung ist doch gut, so wie sie ist?“
„Ach Volker, ich bin wirklich froh, dass du da bist. Ich hatte ein richtig schlechtes Gewissen.“
Danach musste sie nichts mehr sagen. Er küsste sie inbrünstig und sie erwiderte es. Für die Studiosusklause war keine Zeit mehr.
Sie lagen noch eng aneinandergekuschelt auf dem Bett, als Steffi hörte, wie Birgit kam. Hastig richtete sie sich auf.
„Lass uns aufstehen. Birgit ist eben von der Arbeit gekommen!“
„Muss das sein?“ fragte Volker träge, aber er angelte doch nach seiner Unterhose und zog sie sich über. Steffi gab ihm rasch einen Kuss und schlüpfte unter der Decke hervor. Sie suchte ihre Kleider zusammen und zog sich an.
„Wir könnten noch zusammen in die Studiosusklause gehen und `ne Kleinigkeit essen.“
„Warum muss das Schönste immer so schnell enden? Aber okay, Hunger habe ich auch.“
Er erhob sich und schnappte seine Jeans. Gerade war er angezogen, als Birgit an die Tür klopfte. „Steffi, bist du da?“
Steffi streckte den Kopf raus und strahlte sie an. „Nicht nur ich!“
Birgit verstand sofort. „Oh, ich wollte nicht stören. Ist alles in Ordnung?“
„Alles super. Ich bin so glücklich! Kommst du noch mit in die Studiosusklause?“
„Ach nein, heute nicht. Es ist wieder spät geworden, und morgen Vormittag muss ich noch einmal früh raus. Aber vielleicht können wir morgen Abend etwas zusammen unternehmen?“
„Ja, da ist Volker sicher mit einverstanden. Also dann – bis morgen.“