Читать книгу Liebe ist kein Honigbrot - Iris Bulling - Страница 13
Kapitel 11
ОглавлениеAls Volker und Steffi an diesem Abend in die Studiosusklause kamen, drängten sich schon jede Menge ihrer Freunde an einem Tisch. Mit großem Hallo wurden sie begrüßt, ein weiterer Tisch wurde herangeschoben und die Stimmung war ausgesprochen gut.
„Wo bleibt denn Birgit?“ fragte Konrad irgendwann und schaute sich suchend um. „Sie ist doch sicher auch schon angekommen!“
„Sie ist heute im Konzert“, beeilte Steffi sich zu sagen, aber Volker war es schon herausgerutscht: „Och, sie hat eine neue Flamme.“
Steffi versetzte ihm einen Stoß, aber es war schon zu spät. Babs kriegte große Augen und meinte:
„Und dann geht sie ins Konzert, anstatt ihn uns vorzustellen? Das passt doch gar nicht zu ihr. Es wird doch wohl nichts Ernstes sein?“
„Wir kennen doch Birgit!“ lachte Konrad. „Lange hält sie es mit niemandem aus.“
Bald drehte sich das Gespräch um andere Themen und Steffi atmete auf. Als Babs zur Toilette ging, folgte sie ihr.
„Wie hast du die Ferien verbracht?“ wollte sie wissen.
„Na ja, es war nichts Besonderes los. Erst war ich bei meinen Eltern, dann habe ich noch eine Woche meine Schwester in Berlin besucht. Eigentlich freue ich mich jetzt auch wieder auf das Semester.“
„Ja, das geht mir genau so. Ich wollte aber mal gerne mit dir in Ruhe sprechen…“
Weiter kam sie nicht, denn eine ganze Gruppe junger Frauen kam lachend und laut redend herein.
„Lass uns lieber hier raus“, meinte Babs. „Hier ist es ziemlich ungemütlich.“
Sie gingen zurück und ließen sich wieder an ihrem Tisch nieder.
„Was wolltest du denn besprechen?“ fragte Babs.
„Äh, ja… also jetzt passt es nicht. Vielleicht kriegen wir später mal Gelegenheit.“
An diesem Abend gab es aber keine mehr. Als sie aufbrachen, begleitete Volker sie nach Hause und Babs ging mit einigen in die andere Richtung, um die letzte Straßenbahn noch zu erwischen. Steffi machte Volker Vorhaltungen.
„Warum musstest du das mit Birgits „neuer Flamme“ so betonen?“
„Warum denn nicht?“ fragte er zurück. „Die anderen werden es ja doch früher oder später merken.“
„Du solltest Birgit den Zeitpunkt überlassen. Ich glaube nicht, dass es ihr recht wäre, wenn das so plump herüberkommt.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Dann denk doch mal an Babs!“
„Was hat das denn mit Babs zu tun?“
„Babs hat doch…“
Sie merkte, dass Volker nicht verstand oder nicht verstehen wollte. Sein Feingefühl war offensichtlich in dieser Richtung nicht sehr ausgeprägt.
„Ach, vergiss es“, murmelte sie verärgert.
Als er Anstalten machte, weiter als bis zur Haustüre mit ihr zu gehen, stellte sie sich schnell auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.
„Gute Nacht. Ich bin todmüde. Morgen wird sicherlich anstrengend.“
Enttäuscht zog er sie an sich. „Sehen wir uns Morgen Abend?“
„Ja klar. Du kannst ja zu mir kommen, wenn du fertig bist mit allem. Ich bin sicher zu Hause.“
Als er zu seinem Auto gegangen war, schloss sie die Haustür auf und ging hoch in ihr Zimmer. Bei Birgit war alles dunkel. Sie legte sich erst einmal angezogen auf ihr Bett und überlegte. Klar, sie wollte Babs die neue Situation schonend beibringen. Aber ihre eigenen Gefühle fuhren immer noch Achterbahn und sie konnte nicht vermeiden, dass sie in Selbst- Mitleid verfiel, weil sie selbst so plötzlich damit konfrontiert worden war.
„Zum Glück habe ich Volker“, dachte sie krampfhaft. „Henno würde wahrscheinlich gar nicht zu mir passen. Es ist alles gut so, wie es ist!“
Birgit klopfte am nächsten Morgen an und streckte den Kopf herein.
„Frühstücken wir zusammen? Ich habe frische Brötchen mitgebracht.“
Steffi warf einen Blick auf ihren Wecker. Schon halb acht! Rasch richtete sie sich auf und gähnte.
„Meine Güte, schon so spät! Mir scheint, ich hätte heute verschlafen. Komm rein, gemeinsames Frühstück ist eine gute Idee.“
Als sie gemütlich zusammensaßen bei Kaffee und Marmelade- brötchen, berichtete Birgit begeistert über das Konzert.
„Ella hat auch mitgespielt“, erzählte sie. „Eine Geigerin war ausgefallen und sie ist kurzfristig eingesprungen. Anschließend haben wir noch mit einigen Musikern zusammengesessen. Das ist eine ganz andere Welt! Und wie war es in der Studiosusklause?“
„Na ja, eigentlich wie immer. Aber du bist vermisst worden.“
„Tatsächlich? Hast du mit Babs gesprochen?“
„Gesprochen schon, aber für dein Thema gab es keine Gelegenheit.“
„Hattest du den Eindruck, sie hängt noch an Henno?“
„Du kennst doch Babs. Selbst wenn würde sie es nie rauslassen. Sie war so munter wie immer.“
„Mmh.“ Birgit knabberte lustlos an ihrem Brötchen. „Mir ist wirklich nicht so richtig wohl, solange wir diese Situation nicht abgeklärt haben. Aber es nutzt ja nichts. Los, wir müssen uns ins Gewühle stürzen.“
Der erste Tag des vierten Semesters – das ganz gewohnte Durcheinander, bis jeder sich in seinen Seminaren eingetragen, sich für seine Vorlesungen entschieden und sich seinen Stundenplan für die nächsten zwölf Wochen zusammengestellt hatte. Über die Mittagszeit trafen sich die meisten in der Mensa.
Steffi hatte Konrad schon vorher getroffen und machte sich mit ihm gemeinsam auf den Weg. Erfreut stellten sie fest, dass von ihrer Clique schon eine Menge da waren und einen großen Tisch in Beschlag genommen hatten. Fröhlich steuerten sie darauf zu und ließen ihre Taschen auf die Stühle fallen, um sich dann bei der Essensausgabe anzustellen.
Babs kam relativ spät dazu, aber auch sie machte einen zufriedenen Eindruck und ließ sich neben Steffi nieder.
„Der Platz ist doch nicht für Birgit reserviert?“ fragte sie höflichkeitshalber, aber Konrad gab an ihrer Stelle die Antwort: „Wer nicht kommt zur rechten Zeit… wer weiß, vielleicht will sie sich ja gar nicht mit uns treffen!“
Steffi wurde ärgerlich.
„Natürlich kommt sie noch. Aber du bist genauso willkommen, Babs.“
Die meisten waren mit ihrem Essen fertig, als Birgit endlich auftauchte. Konrad schnappte sein Tablett und sprang auf.
„Schönes Fräulein, darf ich`s wagen, meinen Platz dir anzutragen?“
„Auf was für `nem Trip bist du denn?“ lachte Babs, freute sich aber sichtlich, dass Konrad seinen Platz neben ihr freigab für Birgit.
„Ich hab meinen Stundenplan noch nicht ganz fertig“, erklärte er. „Also düse ich gleich noch einmal los. Vielleicht sehen wir uns ja später noch mal.“
Birgit ließ sich aufatmend neben Babs nieder.
„Heute ist wirklich ein ziemliches Durcheinander. Mein vorgesehenes Englischseminar war schon voll, ich hoffe sehr, dass Mr. Brown mich noch aufnimmt. Falls er kein Auge zudrückt, muss ich zu Wander, und den kann ich überhaupt nicht ausstehen.“
„Da drücke ich dir die Daumen“, meinte Babs mitfühlend. „Dieser Wander ist wirklich ziemlich fies. Aber erzähl mal, wie waren deine Semesterferien? Ich habe gehört, dass sich einiges bei dir getan hat.“
Birgit wechselte einen raschen Blick mit Steffi und sagte dann hastig:
„Ich hole mir erst mal was zu essen. Bist du noch eine Weile da?“
„Denke schon. Bei mir lief es heute früh richtig gut.“
Viele der Kommilitonen verabschiedeten sich auch, weil sie noch weiter zu organisieren hatten. Steffi hoffte, dass sie alleine Gelegenheit zu einem Gespräch bekommen würden, und tatsächlich erhob sich als letzte auch Petra. Birgit kam mit ihrem Tablett wieder an den Tisch und schaute sich um.
„Alle schon wieder unterwegs?“
„Der erste Tag ist halt immer richtig stressig. Setz dich erst mal und erhole dich von dieser Rennerei.“
Das tat sie dann auch, stocherte aber ziemlich lustlos in ihrem Essen herum.
„Wann entscheidet es sich, ob du noch zu Mr. Brown kannst?“ wollte Babs wissen.
„Ich will versuchen, ihn ab 15.00 Uhr zu erwischen. Kann aber auch sein, dass er schon weg ist.“
„Dann hast du noch fast eine Stunde Luft. Lass dir nicht die Laune vermiesen. Sonst läuft doch alles super bei dir?“
Birgit legte das Besteck auf die Seite und schaute Babs direkt an.
„Was hast du denn gehört?“
„Nur dass du eine neue Flamme hast und gestern Besseres vorhattest als uns zu treffen.“
„Wer hat denn so einen Stuss erzählt? Doch bestimmt nicht Steffi!“
„Nein, natürlich nicht“, protestierte diese.
Und Babs fügte arglos hinzu:
„Das war Volker, der sich wohl wichtig machen wollte.“
„Den Eindruck habe ich auch“, brummte Birgit und warf Steffi einen verärgerten Blick zu, was die mit einem hilflosen Schulterzucken quittierte.
Birgit wandte sich wieder an Babs.
„Die Situation ist für mich nicht so einfach. Es stimmt, dass ich mich in jemanden verliebt habe und es wohl nicht einseitig ist. Aber – nun, es ist nicht irgendwer. Es ist – Henno.“
Nun war es ausgesprochen und Steffi konnte nicht umhin, Birgit wieder einmal für ihre direkte Art Dinge anzugehen zu bewundern. Trotzdem hielt sie fast den Atem an. Wie würde Babs reagieren?
Diese wurde blass und starrte Birgit ungläubig an. Eine ganze Weile schwiegen alle drei. Schließlich stieß Babs hervor: „Henno?“
Dann wandte sie sich an Steffi.
„War es das, was du gestern „in Ruhe“ mit mir besprechen wolltest? Wolltest du mich schonend darauf vorbereiten?“
Steffi nickte hilflos und kam sich plötzlich schäbig vor.
„Babs…“, setzte Birgit an, aber die winkte ab.
„Nein, sag jetzt nichts mehr. Es war mir ja klar, dass er sich jemanden anlachen wird, aber dass es eine meiner besten Freundinnen ist, hätte ich mir dann doch nicht träumen lassen. Na ja, wenigstens habe ich es nicht von irgendeinem anderen erfahren!“
Sie schwiegen, bis Babs heftig weitersprach:
„Ich will den Kerl nicht mehr sehen, verstehst du? Ich würde es nicht ertragen, euch beide turtelnd auf einer unserer Partys oder sonstigen Treffen zu sehen. Also genieße dein Glück, aber achte bitte darauf, dass ihr mir dabei nicht unter die Augen kommt!“
Damit erhob sie sich und eilte zum Ausgang. Birgit und Steffi schauten sich an. Dann stützte Birgit den Kopf auf ihre Hände.
„Verdammter Mist! Offensichtlich kann man nicht alles haben. Ich muss für mich eine Entscheidung treffen.“
Steffi versuchte sie zu ermuntern. „Vielleicht muss einfach ein bisschen Zeit vergehen. Es ist klar, dass sie im ersten Moment geschockt ist.“
„Sie ist verletzt und fühlt sich hintergangen! Wahrscheinlich würde es mir an ihrer Stelle genauso ergehen.“
„Okay. Was willst du jetzt machen?“
„Wenn ich das wüsste! Ist Henno es wert eine solche Freundschaft aufs Spiel zu setzen? Vielleicht ist die Sache in ein paar Wochen schon wieder erledigt. Aber jetzt muss ich das Wichtigste für mein Semester in Angriff nehmen – Mr. Brown.“
Damit räumte sie ihr Geschirr und auch das von Babs aufs Tablett und erhob sich ebenfalls. Steffi schaute ihr nach, wie sie das Tablett zurückbrachte und dann, ohne sich noch einmal umzusehen, die Mensa verließ. Sie selbst hatte ihren Stundenplan schon fast fertig und wollte nur noch einige Vorlesungen eintragen. Während sie noch einmal durch die Aula und die Flure streifte, hielt sie angestrengt Ausschau nach Babs, konnte sie allerdings nirgends mehr entdecken. Zu gerne hätte sie noch einmal ein paar klärende Worte mit ihr gesprochen. Stattdessen lief Konrad ihr übern Weg.
„Hast du Babs in der letzten halben Stunde getroffen?“
„Nein. Ihr habt euch doch vorhin erst gesehen. Was gibt`s denn noch so Wichtiges?“
„Neugierig bist du ja gar nicht, lieber Konrad! Ich wollte einfach etwas mit ihr besprechen. Frauenangelegenheit.“
„Okay, okay! Entschuldige meine Indiskretion. Falls ich sie sehe, werde ich ihr ausrichten, dass du sie suchst.“
„Nein, warte. Du brauchst ihr nichts zu sagen. Ich werde sie schon finden.“
Sie trug noch zwei Vorlesungen in ihren Stundenplan ein und verließ dann das Gebäude. Weitere Gespräche mit Kommilitonen, die teilweise in Gruppen zusammenstanden, mied sie und eilte nach links und rechts blickend über den Campus. Nirgends eine Spur von Babs.
„Wahrscheinlich fährt sie gleich nach Hause, wenn sie ihren Stundenplan fertig hat“, überlegte sie und wandte sich Richtung Straßenbahnhaltestelle.
Dieses Mal hatte sie Glück. Babs saß auf einer Bank und wartete. Rasch ging Steffi auf sie zu.
„Bitte, Babs, geh nicht so nach Hause. Ich fahre dich mit dem Auto und wir können miteinander reden.“
„Was soll das bringen?“ fragte Babs müde. „Das Beste ist, wenn du mich in Ruhe lässt.“
„Du solltest jetzt nicht alleine sein. Glaube mir, ich war auch geschockt, als ich es erfahren habe, aber Birgit macht es sich nicht leicht. Bitte, komm mit mir!“
Die Straßenbahn kam, doch Babs machte keine Anstalten aufzustehen, für Steffi ein Zeichen, dass sie sich nicht total gegen ihr Ansinnen sträubte. Tröstend legte sie ihr die Hand auf den Arm und setzte sich neben sie. So warteten sie, bis die Leute aus- beziehungsweise eingestiegen waren und die Türen sich wieder schlossen. Als die Bahn sich in Bewegung setzte, schaute Babs Steffi ernst an.
„Vielleicht ist es wirklich besser, wenn ich mit jemandem rede. Im Grunde bin ich ja so blöd!“
„Nein“, widersprach Steffi heftig. „Deine Reaktion war total verständlich. Aber lass uns zu dir fahren, damit wir in aller Ruhe sprechen können.“