Читать книгу Liebe ist kein Honigbrot - Iris Bulling - Страница 16
Kapitel 14
ОглавлениеBis zum 30. waren es nur knapp zwei Wochen. Steffi sah Birgit in dieser Zeit nur selten, und dann meist auch nur kurz. Viele Nächte verbrachte sie nicht in ihrem Zimmer. Dafür war Volker ein häufiger Gast bei Steffi. Er schleppte sie mit Vorliebe in die Studiosusklause, wo meist ein Großteil der Clique anwesend war. Auch Babs war regelmäßig da und wirkte burschikos wie immer. Allerdings hatte Steffi das Gefühl, sie suche sich immer einen Platz möglichst weit weg von ihr. Zu einem weiteren Gespräch kam es nicht mehr zwischen ihnen.
Dass Birgit sich die ganze Zeit nicht sehen ließ, wurde anfänglich noch kommentiert, doch mit der Zeit war es keine Bemerkung mehr wert. Steffi war froh darüber, dass sie nicht mehr auf das Thema angesprochen wurde, doch so richtig wohl fühlte sie sich nicht dabei. Mit Erstaunen verfolgte sie dagegen, wie Volker zunehmend unentbehrlich zu sein schien in dieser Gruppe, wie er inmitten ihrer Freunde regelrecht auflebte und ein äußerst interessanter Mitunterhalter war. Die Gespräche selbst fand sie eher flach, es wurde halt herumgealbert und das Leben von seiner leichten Seite beleuchtet.
Je näher der letzte Apriltag kam, desto kribbeliger wurde sie. Sie schalt sich selbst eine alberne Kuh. Was war denn schon dabei, sich einige Bilder anzuschauen? Doch es half nichts. Die Tatsache, dass sie Henno wieder sehen würde, machte sie nervös.
Am Abend davor kam sie mit Volker aus der Studiosusklause, als Birgit gerade mit einer Menge Büchern bepackt aus dem alten BMW stieg. Henno hatte sie nach Hause gebracht, fuhr aber gleich weiter. Im Vorbeifahren hob er kurz die Hand zum Gruß. Gemeinsam gingen sie ins Haus.
„Ich habe mich noch mit Lesestoff aus der Uni-Bibliothek eingedeckt“, meinte Birgit. „Morgen früh muss ich dringend was für mein Sportseminar tun.“
Bevor sie in ihrem eigenen Zimmer verschwand, vergewisserte sie sich noch einmal:
„Das klappt doch morgen bei euch?“
„Natürlich“, beeilte Steffi sich sagen. „Wir freuen uns auch schon.“
„Gut. Dann hätte ich noch eine Bitte. Kann ich mit euch fahren? Olaf braucht das Auto morgen dringend, weil er noch einiges vorbereiten muss, und Henno will ihm dabei helfen. Deshalb wäre es ungeschickt, wenn er mich auch noch abholen müsste.“
„Das ist doch selbstverständlich. Dann kannst du uns den Weg weisen.“
„Alles klar. Ich wünsche euch eine Gute Nacht!“
Volker folgte Steffi in ihr Zimmer.
„Ich bin gespannt, was uns da so geboten wird“, meinte er und streckte sich auf ihrem Bett aus. „Allerdings glaube ich, mit diesem Mischprogramm tun wir genau das Richtige. Zuerst die Muse, dann der Spaß.“
Steffi wollte darauf nichts erwidern. Sie zog sich langsam aus und kuschelte sich in seinen Arm. Doch so sehr sie sich auch dagegen wehrte – ihre Gedanken waren schon wieder bei jemand anderem.
Am nächsten Morgen schliefen sie richtig aus und frühstückten dann gemeinsam. Anschließend fuhr Volker zu seinem Zimmer, da er ebenfalls noch einiges aufarbeiten wollte.
„So um drei Uhr bin ich wieder bei dir, mein Schatz. Ich bringe ein paar Stückchen Kuchen mit vom Bäcker. Dann können wir noch gemütlich Kaffee trinken. Birgit kann sicher auch eine Stärkung gebrauchen, bevor es losgeht.“
Steffi umarmte ihn und gab ihm einen zärtlichen Kuss.
„Ich werde ihr Bescheid geben. Toll, dass du an so etwas denkst.“
Als er weg war, klopfte sie bei Birgit an. Sie saß tatsächlich am Schreibtisch und war voll konzentriert.
„Ich wollte dich nicht stören. Aber gegen drei gibt`s Kaffee und Kuchen. Magst du dann rüber kommen?“
„Oh, danke für die Einladung. Bis dahin raucht mir bestimmt der Kopf. Ich komme gerne.“
Steffi zog sich zurück und beschloss, ebenfalls ihre Unterlagen und Notizen der letzten Woche zu sichten. Doch irgendwie konnte sie sich nicht konzentrieren. Immer wieder schweiften ihre Gedanken ab und landeten zwangsläufig bei der Begegnung, die am Spätnachmittag unweigerlich stattfinden würde. Ihr Herz klopfte und sie fragte sich, ob sie sich überhaupt normal benehmen könnte. Was würde für ein Gespräch stattfinden? Ob es nur um die Kunst ginge? Hoffentlich würde sie ganz cool bleiben. Das Beste wäre sicherlich, nicht von Volkers Seite zu weichen und zu demonstrieren, wie glücklich sie mit ihm war. Und das war sie doch auch!
Schließlich ging sie zum Kleiderschrank und überlegte, was sie am sinnvollsten anziehen könnte. Nach einigen Versuchen entschied sie sich für ganz normale Jeans, dazu aber eine etwas elegantere Bluse, von der sie wusste, dass sie ihr sehr gut stand. Dann bürstete sie ihre Haare in Form und betonte mit Lidschatten und Wimperntusche ihre Augen.
So verging die Zeit wie im Flug. Als sie sich kritisch im Spiegel musterte, war sie eigentlich ganz zufrieden mit dem, was sie sah. Und da läutete es auch schon.
Volker war überrascht. „Wow, du siehst toll aus. Ich habe mich gar nicht besonders in Schale geworfen.“
Erfreut über das Kompliment nahm sie ihm zuerst den Kuchen ab und stellte ihn auf den Tisch, dann fiel sie ihm um den Hals.
„Ich hatte einfach Lust darauf, mich ein bisschen schick zu machen. Schließlich gehen wir nicht jeden Tag zu einer Vernissage.“
Da klopfte auch schon Birgit, vom Läuten und dem Kaffeeduft angelockt, und ihr fiel Steffis Outfit ebenfalls sofort auf.
Der anschließende Kaffeeklatsch war sehr ungezwungen. Steffi war zufrieden mit ihrem Aussehen, Birgit war mit ihrer Arbeit sehr gut vorangekommen und bei Volker hatte man sowieso den Eindruck, für ihn sei die Welt immer in Ordnung.
Um halb fünf brachen sie auf.
Am Baggersee war schon viel Trubel. Es war ein ziemlich buntes Völkchen, das sich hier versammelt hatte. Der Eingang der alten Scheune stand weit offen. Henno stand mit Olaf und Ella davor. Als er sie erblickte, eilte er mit großen Schritten auf sie zu und schloss zuerst Birgit stürmisch in die Arme, als habe er sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Über ihren Kopf hinweg fand er schließlich Steffis Blick und lächelte ihr zu. Er gab Birgit frei und nahm stattdessen sie in die Arme.
„Schön, dass ihr uns die Ehre gebt“, sagte er mit seiner sonoren Stimme und hauchte ihr links und rechts einen leichten Kuss auf die Backe. Steffi hatte das Gefühl zu verbrennen, so heiß war ihr plötzlich geworden. Allerdings dauerte dieser Moment nicht lange, er ließ sie sofort wieder los und schüttelte Volker kräftig die Hand.
„Ihr werdet bestimmt auf eure Kosten kommen“, versprach er. „Ich bin gespannt, ob ihr Olafs Werk erkennt.“
„Wie sollten wir?“ versetzte Volker. „Wir sind mit Olafs Stil ja nicht so vertraut.“
„Trotzdem müsste es euch auffallen“, Henno zwinkerte Steffi zu, „Es ist sehr eigen.“
Sie gingen zum Eingang und begrüßten Olaf und Ella.
„Geht am besten schon rein und sucht euch einen guten Platz“, schlug Olaf vor. „Das Vorprogramm ist auf jeden Fall auch hörens –und sehenswert.“ Damit gab er Ella einen liebevollen Kuss auf die Wange. Sie lächelte ihn ebenso liebvoll an.
„Nun, ich muss mich bereitmachen. Euch wünsche ich viel Spaß!“
Sie gingen gemeinsam hinein. Steffi war überrascht, wie groß diese Räumlichkeit war. An den Seiten hingen und standen Kunstwerke, sowohl Bilder als auch Plastiken.
Im Mittelteil des Raumes waren Klappstühle, vorn ein Podium aufgestellt, wo an einer Seite ein Rednerpult stand, auf der anderen Seite Musikinstrumente und Verstärker. Hier saßen einige junge Leute, zu denen Ella sich gesellte. Olaf steuerte auf die zweite Reihe zu, da sich in der ersten schon einige gesetzt hatte.
„Hier ist`s ganz gut“, meinte er und ließ sie durchgehen, Volker zuerst, gefolgt von Steffi, Birgit und Henno. Dann ließ er sich selbst neben Henno nieder.
Langsam füllten sich die Reihen mit Menschen aller Altersgruppen, und schließlich begannen die Musiker zu spielen. Sie intonierten einen melancholischen Song von Joan Baez, und Ella sang dazu mit glockenreiner Stimme. Steffi war sehr beeindruckt, und ein Blick auf Volker zeigte ihr, dass es ihm genauso ging.
„Sie singt ja herrlich“, flüsterte sie Birgit zu, und diese nickte lächelnd.
Hennos Hand lag auf ihrem Oberschenkel und sie hatte sie fest umklammert. Steffi musste schlucken und suchte ihrerseits Volkers Hand.
Als der musikalische Einstieg zu Ende war, ging ein gesetzter Herr an das Rednerpult, um einiges über die aufstrebenden Künstler und ihre Werke zu sagen. Er hielt sich aber recht kurz, und bald spielte wieder die Band, diesmal ein Potpourri von Simon and Garfunkel.
Steffi hatte das Gefühl dahinzuschmelzen, so sehr genoss sie diese Musik. Anschließend verkündete Ella durchs Mikrofon:
„Jetzt wünschen wir euch allen viel Vergnügen beim Anblick dieser vielfältigen Kunstwerke. Vielleicht besteht bei dem einen oder anderen auch Kaufinteresse, was durchaus erwünscht ist. Wir wollen nicht ausschließen, dass heute etwas günstig erstanden werden kann, was später einen immensen Wert hat.“
Dafür erntete sie noch einmal großen Applaus und alle erhoben sich von ihren Plätzen.
Auf einem Tisch am Rande wurden Sekt und kleine Häppchen angeboten. Dahin lotste Olaf sie zuerst und bot jedem ein Glas Sekt an. Ella schloss sich ihnen wieder an, und Olaf prostete ihr zu.
„Du warst wunderbar“, sagte er stolz.
„Einfach umwerfend“, stimmte Henno zu. „Die Originale würden neidisch werden, wenn sie dich gehört hätten.“
Birgit nahm sie einfach in den Arm und drückte sie fest an sich, während Steffi und Volker ebenfalls die Qualität des Vortrags lobten.
„Vergessen wir nicht, dass heute etwas anderes im Mittelpunkt steht“, lachte Ella. „Schauen wir uns die Kunstwerke mal genauer an. Ich bin gespannt, wie Olafs Werk ankommt.“
So defilierten sie an den Kunstwerken vorbei. Steffi wollte unbedingt zuerst Olafs Werk begutachten und entfernte sich so von den anderen, weil sie nach jedem fremden Namenszug gleich weiterging. An der Rückwand fiel ihr ein Bild ins Auge, das sie magisch anzog. Es wirkte auf den ersten Blick wie eine angedeutete Landschaft, doch beim genauen Hinsehen war es verwoben mit einem überdimensionalen Gesicht: Birgits Gesicht!
„Das ist es“, dachte Steffi und ging näher, aber nicht zu nahe, um alle Feinheiten noch aufnehmen zu können.
Plötzlich legten sich von hinten zwei Hände auf ihre Schultern und bevor sie seine Stimme hörte wusste sie, wer es war, denn eine seltsame Erregung ergriff sie.
„Nun, was hältst du davon?“ murmelte seine Stimme dicht an ihrem Ohr.
„Oh“, sie drehte sich um, sah direkt in sein lächelndes Gesicht und musste schlucken, „es ist - es ist phantastisch!“
„Ja. Olaf ist wirklich ein begnadeter Künstler mit Ideen ohne Ende. Aber ich kann mich glücklich schätzen, dass er mit mir Architektur studiert.“
„Wieso? Wäre es für ihn nicht fruchtbarer, wenn er Kunst studieren könnte?“
„Wahrscheinlich schon. Doch so wie er sich immer wieder eine Muse sucht, gibt er mir Inspirationen mit seinen Ideen.“
Steffi musste lachen. „Heißt das, dass er deine Muse ist?“
„Vielleicht kann man das so nennen. Aber die, die ihn zu diesem Werk inspiriert hat, ist natürlich meine größte Muse.“
Bei diesen Worten schwand der magische Augenblick, dem sie sich kurz hingegeben hatte.
„Natürlich“, meinte sie betont locker. „Ich werde mir jetzt die anderen Sachen noch ein bisschen genauer ansehen. Nun bin ich auch gespannt, ob Volker Olafs Arbeit auf Anhieb erkennt.“
Sie wandte sich um und ging zu einer Skulptur, die in der Nähe stand. Er blieb an ihrer Seite, was sie mit gemischten Gefühlen bemerkte, und verwickelte sie in ein lockeres Geplänkel über Kunst im Allgemeinen und Kunst im Besonderen. Ihr fielen Birgits lange zurückliegenden Worte ein: „Er vermittelt jedem das Gefühl, die Hauptperson zu sein.“
Als die anderen plötzlich bei ihnen standen, wusste sie nicht, ob sie sich freuen oder ärgern sollte. Volker legte ihr besitzergreifend den Arm um die Schultern und gab seine Meinung kund:
„Wirklich beeindruckend. So viel Professionalität hatte ich nicht erwartet.“
„Bleibt ihr noch? Es gibt Live-Musik zum Tanzen“, fragte Ella.
Volker schüttelte bedauernd den Kopf.
„Tut uns Leid, aber wir hatten uns schon mit anderen zum Tanz in den Mai verabredet. In einer halben Stunde müssen wir los.“
In Steffi kroch der Ärger hoch.
„Lass uns doch wenigstens noch eine Stunde bleiben“, bat sie, „So eine tolle Atmosphäre finden wir so schnell nicht wieder!“
„Da muss ich dir zustimmen. Aber ich breche nicht gern mein Wort.“
Steffi fühlte Birgits Blick. Spontan nahm die Freundin sie in den Arm.
„Ist schon okay“, flüsterte sie, „Du musst nicht mit ihm streiten.“
„Ich würde wirklich lieber hier bleiben.“
Als sie aufschaute, blickte sie genau in Hennos blaue Augen. Das machte sie noch wütender auf Volker, aber sie versuchte vernünftig zu sein. Deshalb machte sie sich los und sagte so ruhig wie möglich:
„Es war ein toller Start. Beim nächsten Mal sind wir bestimmt bis zum Ende dabei.“
Gemeinsam verließen sie die Scheune und stellten fest, dass schon verschiedene Lagerfeuer entzündet worden waren, was der Landschaft am See einen sehr romantischen Anflug gab.
Olaf drückte Ella an sich: „Das könnte mein nächstes Motiv sein.“
Nach einem herzlichen Abschied eilte Volker mit Steffi im Schlepptau zu seinem Auto.
„Ich wäre wirklich gerne noch geblieben“, brummte Steffi. „Ich hoffe, dass wir das beim nächsten Mal auch hinkriegen!“
„Ja, ja“, versetzte Volker. „Jetzt freu dich auf unsere Freunde. Die warten schon auf uns!“
„Birgit und Henno sind doch auch unsere Freunde!“
Volker startete das Auto und fuhr an.
„Also ganz ehrlich“, meinte er nach einer Weile, „Wenn ich nicht wüsste, dass er mit Birgit zusammen ist, könnte ich eifersüchtig werden.“
„Das ist doch albern. Ich bin ja auch nicht auf Petra eifersüchtig.“
Er schaute sie von der Seite her an.
„Dazu hast du auch keinen Grund. Aber willst du jetzt streiten?“
Verstimmt hielt sie den Mund und presste die Lippen zusammen. Plötzlich packte er ihre Hand und drückte einen Kuss darauf.
„Nicht böse sein. Ich habe doch nur Spaß gemacht. Komm, jetzt lass uns auch den Rest des Abends genießen!“