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Kapitel 15
ОглавлениеDieses Semester wurde für Steffi zu einer sozialen Gradwanderung. Sie hätte ihre Freizeit gerne öfter mit Birgit und ihren neuen Freunden verbracht, aber Volker bestand auf das Zusammensein mit der Clique. Mit der Zeit ließ Birgit sich überreden, ab und zu mit in die Studiosusklause zu gehen. Aber die unbeschwerte und fröhliche Stimmung ließ sich nicht mehr heraufbeschwören und wenn Babs da war, wurde es sogar eisig.
Zweimal lud Babs zu sich ein, Steffi und Volker waren jedes Mal dabei, aber Birgit wurde ausgelassen.
Umso kostbarer waren ihr die seltenen Abende, die sie allein mit Birgit in ihrem Zimmer verbrachte, wo sie sich austauschten wie früher. Einmal bemerkte Birgit:
„Henno findet es lästig, dass er in meinem Freundeskreis – oder sollte ich eher ehemaligem Freundeskreis sagen? - so ausgeschlossen ist. Er ist sich keines Fehlers bewusst. Wäre es nicht möglich, dass wenigstens du und Volker auch mal was mit uns macht?“
Steffi schaute verlegen in ihr Glas.
„Volker ist da ganz eigen“, meinte sie nach einer Weile. „Er versteht sich so gut mit der Clique, vor allem mit Konrad, und dieser Kontakt ist ihm ungeheuer wichtig.“
„Dafür habe ich durchaus Verständnis, aber ihr seid ja nicht mit dieser Gruppe verheiratet. Du bist übrigens auch nicht mit Volker verheiratet. Du solltest mal ein ernstes Wort mit ihm reden. Er kann dir nicht vorschreiben, mit wem du zusammen sein darfst. Oder ist unsere Freundschaft dir inzwischen gleichgültig?“
Steffi fühlte sich plötzlich unwohl. Birgit hatte Recht, sie ließ sich zu viel von Volker vorschreiben, was ihre gemeinsame Zeit anbelangte. Dabei konnte sie sich gar nicht mehr erinnern, wann das angefangen hatte, aber inzwischen ließ sie zu, dass er die Pläne machte und sie sich anschloss. Irgendwo tief in ihr saß eine Angst vor Auseinandersetzungen, doch diese führte sie in eine Abhängigkeit, die sie früher schon gegenüber ihrer Mutter empfunden hatte. Jetzt hatte Volker ganz schleichend diese Rolle übernommen. Entschlossen setzte sie sich auf.
„Ich werde mit Volker reden. Wenn ihm etwas an mir liegt, muss er auch unsere Freundschaft akzeptieren!“
„Verstehe mich bitte nicht falsch. Wir wollen keineswegs ständig mit euch zusammen glucken, aber ich halte es schon für wichtig, dass unsere Partner sich einigermaßen verstehen. Sonst werden wir uns nämlich auf Dauer auch auseinanderleben.“
„Mmh“, brummte Steffi und nahm sich vor, gleich beim nächsten Zusammensein mit Volker für Klarheit zu sorgen. Hätte sie doch nur ein bisschen mehr von Birgits Selbstbewusstsein! Die schob nie etwas auf die lange Bank und sagte stets sofort, wenn ihr etwas nicht passte.
Zwar brachte sie sich dadurch auch ab und zu in Schwierigkeiten, doch sie kam meist zu ihrem Recht. Sie dagegen war des Öfteren von Selbstzweifeln geplagt.
„Ich habe einen Vorschlag“, fuhr Birgit jetzt fort. „Nächste Woche ist Uni-Ball. Wir könnten doch gemeinsam dort hin gehen.“
„Gleich morgen, wenn er kommt, werde ich das regeln“, versprach Steffi.
Als Volker am nächsten Abend kam, nahm er sie wie immer fest in die Arme und drückte ihr den obligatorischen Kuss auf den Mund.
„Ich habe grad Konrad getroffen. Die treffen sich bei dem tollen Wetter gleich auf dem Waldgrillplatz. Da sollten wir auch hinkommen.“
Steffi machte sich los und setzte sich erst einmal auf ihren Schreibtischstuhl.
„Ich muss mit dir sprechen.“
„So ernst? Ist irgendwas nicht in Ordnung?“
Sie wies auf den nächsten Stuhl.
„Bitte setz dich. Es ist schon etwas, wofür wir ein bisschen Zeit brauchen.“
Volker runzelte die Stirn, schob aber den Stuhl so, dass er ihr gegenüber sitzen konnte.
„Hast du Konrad schon zugesagt?“ wollte sie wissen.
„Natürlich. Oder musst du noch arbeiten?“
Steffi seufzte.
„Etwas anderes fällt dir nicht ein? Ich könnte doch auch etwas anderes vorhaben!“
„Wie? Hast du etwas anderes vor?“ fragte er erstaunt zurück.
„Heute Abend nicht“, versetzte sie ärgerlich, „Aber es stört mich, dass du so oft etwas ausmachst ohne mich vorher zu fragen. Für dich ist es inzwischen ganz selbstverständlich, dass ich mich auf deine Pläne einlasse. Aber vielleicht habe ich ja auch mal auf etwas anderes Lust!“
„Was ist denn heute los mit dir? Ist dir irgendeine Laus über die Leber gelaufen?“
Diese Ignoranz brachte sie fast zur Weißglut.
„Volker, ich versuche dir gerade klar zu machen, dass du Dinge ausmachst, ohne vorher mit mir darüber zu reden! Du übergehst mich einfach und denkst, du kannst für uns beide entscheiden. Das stört mich gewaltig. Ich habe auch Interessen!“
„Ist doch gut, wir können darüber reden. Was willst du?“
„Also pass auf: Ich tue dir den Gefallen und gehe heute Abend mit. Aber nächste Woche will ich auf den Uni-Ball, und zwar mit Birgit, Henno – und dir!“
Er schwieg einen Moment und schaute sie zweifelnd an. Dann zuckte er die Schultern.
„Na ja, warum nicht? Dann machen wir das, wenn dir so viel daran liegt.“
Steffi wusste nicht, ob sie sich über diese Reaktion freuen oder ärgern sollte. Schließlich beschloss sie einfach sie als Zusage zu werten und nicht nachzuhaken.
„Das wäre also geklärt“, versetzte sie kühl. „Ich muss sagen, es ist mir schon wichtig, dass wir auch mit Birgit öfter etwas unternehmen. In diesem Semester kam es bisher ein wenig zu kurz.“
„Birgit geht ihre eigenen Wege, wenn ich dich daran erinnern darf. Sie nimmt auf andere keine Rücksicht, wenn es um ihre Interessen geht.“
„So siehst du das also!“ brauste Steffi auf. „Aber vielleicht würde ich viel lieber Birgits Weg einschlagen, nehme aber immer nur Rücksicht auf deine Interessen!“
Jetzt schwieg er und schaute sie verletzt an.
„Ich hatte bisher nie das Gefühl, dass wir mit dem, was wir unternehmen, gegen deine Interessen handle“, stieß er schließlich hervor. „Wir treffen uns doch ausschließlich mit deinen Freunden, die ich inzwischen so schätzen gelernt habe, dass ich sie auch als meine Freunde betrachte. Ist das nicht eine hervorragende Basis für unsere Beziehung?“
„Für mich ist nach wie vor die Freundschaft mit Birgit das Wichtigste, und das gerät immer mehr in den Hintergrund.“
„Okay, okay! Entschuldige, wenn ich das zu wenig berücksichtigt habe. Es war nicht meine Absicht, eure Freundschaft in Gefahr zu bringen.“
„Das ist jetzt auch übertrieben“, lenkte Steffi rasch ein, „Was ich verlange ist einfach eine größere Ausgewogenheit in unseren Unternehmungen. Auf keinen Fall möchte ich die Treffen mit unserer Clique aufgeben.“
Volker erhob sich, ging zu ihr hin und zog sie vom Stuhl hoch. Er schloss sie in die Arme und küsste sie ungestüm. Völlig perplex ließ sie es über sich ergehen, auch als er sie Richtung Bett drängte, sich mit ihr fallen ließ und ihr ins Ohr flüsterte: „Und ich möchte auf keinen Fall dich aufgeben.“
Eine Woche später fand der Uni-Ball statt. Steffi hatte sich extra ein neues Kleid dafür gekauft und auch dieses Mal ergriff sie eine seltsame Erregung, wenn sie daran dachte, dass sie Henno treffen würde. Aber als Birgit zu ihr hereinschneite in ihrem uralten kleinen Schwarzen, das sie schon beim Abi-Ball getragen hatte und darin einfach wieder umwerfend aussah, fühlte sie sich schlagartig ernüchtert.
„Lass uns starten“, sagte sie bemüht heiter.
Birgit musterte sie anerkennend.
„Ein neues Kleid? Das ist super geschnitten, betont genau das, was es soll. Du siehst prima aus!“
Diese Worte munterten sie wieder auf. Sie schnappte ihr Täschchen und öffnete schwungvoll die Tür.
„Also dann! Ich hoffe, unsere beiden Herren vertragen sich heute. Manchmal kann Volker wirklich stur sein.“
„Ach was, Volker ist nicht stur. Und Henno hat mir versprochen, sich ganz auf ihn einzustellen. Es wäre doch gelacht, wenn sich die zwei nicht wenigstens ein bisschen anfreunden könnten. Das sind sie uns beiden doch schuldig, oder?“
Steffi fuhr mit ihrem Polo zuerst zu Henno, der bereits am Anfang der Luisenstraße auf sie wartete. Er öffnete zunächst die Beifahrertür. Birgit stieg aus und es folgte ein leidenschaftlicher Kuss, ehe Birgit den Vordersitz zurückschlug und auf den Rücksitz kletterte. Bevor Henno sich neben sie zwängte, ging er noch einmal ums Auto und öffnete die Fahrertür.
„Ich freue mich so, dich wieder einmal zu sehen, Steffi“, erklärte er und strahlte sie herzlich an. Ehe sie sich versah, hatte er sie umarmt und drückte ihr links und rechts einen Kuss auf die Wange. Ihr wurde siedend heiß und die Röte schoss ihr ins Gesicht. Doch zum Glück ging er ganz schnell zurück und kletterte auf Birgits Seite, wobei er die Fahrertür zuzog und den Sitz in die richtige Position kippte.
„Nett, dass du fährst“, fuhr er von hinten fort. „Olaf und Ella müssen heute zu einer anderen Veranstaltung, deshalb konnte ich den BMW nicht haben.“
Im Rückspiegel sah sie, wie er den Arm liebevoll um Birgit legte und sie fest an sich drückte. „Verdammt, diese Umarmung hatte nichts zu bedeuten!“ schalt sie sich in Gedanken, als sie den Wagen startete. „Warum regt mich das denn bloß so auf? Er steht voll auf Birgit, das sieht man doch!“
Sie fuhr als nächstes zu Volkers Bude. Auch er stand schon draußen, sah richtig schick aus mit einer gut sitzenden Jeans, weißem Hemd und Sakko. Als er einstieg, grüßte er die beiden auf den Rücksitzen kurz, um dann Steffi einen raschen Kuss auf die Wange zu drücken. Und wieder einmal fragte sie sich, warum sie keinerlei Empfindungen hatte. War sie diese Liebkosungen schon zu sehr gewohnt? Aber war ihr überhaupt jemals so heiß geworden, wenn Volker sie in den Arm nahm?
Auf dem Unigelände einen Parkplatz zu finden war sehr schwierig. Doch schließlich hatten sie auch diese Hürde gemeistert und schlenderten gemeinsam zu der festlich geschmückten Aula, wo Henno es schnell schaffte, vier ganz annehmbare Plätze für sie zu organisieren. Anschließend verschwand er kurz und kam bald darauf mit einer Flasche Wein und vier Gläsern zurück.
Die Musik war ganz nach Steffis Geschmack, aber so weit entfernt, dass man sich auch gut unterhalten konnte. Henno zeigte sich sehr interessiert an Volkers Studium, und so kam schnell ein lebhaftes Gespräch zustande. Insgeheim wunderte Steffi sich, wie locker er immer wieder Themen fand, die von den anderen aufgegriffen und diskutiert wurden. Irgendwann kam die Sprache auf die Semesterferien.
„Was habt ihr vor? Habt ihr euch schon ein Reiseziel überlegt?“ fragte er Volker und bedachte Steffi dabei mit einem Lächeln.
Dieser schüttelte den Kopf und schaute Steffi an.
„Wir haben uns noch nicht festgelegt. Was plant ihr? Vielleicht könnt ihr uns einen Tipp geben.“
„Nun, Birgit geht ja nach Cornwall in ein Feriencamp. Ich werde in dieser Zeit bei einer Baufirma arbeiten. Anschließend treffe ich sie in Portsmouth und wir machen eine zweiwöchige Rundreise mit Mietwagen.“
„Das klingt toll“, meinte Steffi begeistert. „Habt ihr euch die Route schon ausgesucht?“
„Noch nicht ganz“, antwortete Birgit. „Hättet ihr nicht Lust mitzumachen? Dann stellen wir beide“, sie nickte Steffi zu, „ die Route zusammen und überraschen euch beide.“
„Das ist eine tolle Idee!“ rief Steffi, „Was meinst du dazu, Volker?“
Dieser schaute sie ziemlich perplex an.
„Können wir das nicht in Ruhe besprechen?“
Aber Steffi war nicht zu bremsen. „In Paris hast du das ganze Programm festgelegt, da ist es doch nur fair, wenn dieses Mal ich mir etwas ausdenke. Oh bitte, Volker, lass uns das machen!“
Henno lachte. „Ich habe den Eindruck, wir haben schon nicht mehr viel mitzureden, Volker. Willst du deinem Herzen nicht einen Stoß geben und deine Angebetete glücklich machen?“
„Man sollte so etwas nicht überstürzen…“
Der DJ legte gerade „She`s a lady“ von Tom Jones auf. Fröhlich zog Henno Birgit vom Stuhl. „Komm, meine Lady, lass uns tanzen. Derweil können die beiden überlegen!“
Versonnen schaute Steffi ihnen hinterher. So ein schönes Paar!
Volker nippte an seinem Glas.
„Ich dachte, wir könnten zusammen nach Kreta reisen. Das interessiert dich doch auch!“
„Kreta läuft doch nicht weg. Ich stelle es mir toll vor, zu viert zu reisen. So eine Gelegenheit gibt es vielleicht nie mehr.“
Er brachte noch einige Einwände vor, aber Steffi ließ sich von nichts überzeugen. Schließlich gab er seufzend auf.
„Na, ja, Henno ist netter als ich dachte, und du verstehst dich mit Birgit sowieso. Wir können es ja einmal probieren.“
Steffi fiel ihm vor Freude um den Hals.
„Das wird bestimmt toll! Wie ich mich freue!“
Als sie vom Tanzen zurückkamen, wurden sie von einer überglücklichen Steffi mit der positiven Antwort empfangen. Auch Birgit freute sich aufrichtig und umarmte Volker herzlich.
„Das rechne ich dir hoch an“, flüsterte sie ihm zu, was ihn dazu veranlasste zu sagen:
„Steffi hat mir ja von Anfang an klar gemacht, dass ich euch im Doppelpack nehmen muss!“
„Och“, feixte sie, „da bist du bisher aber ganz glimpflich davongekommen. Siamesische Zwillinge sind wir ja nicht gerade!“
Hennos Augen ruhten auf Steffi.
„Lass uns tanzen“, sagte er plötzlich. „Das heißt natürlich, nur, wenn du nichts dagegen hast, Volker, dass ich dir deine Freundin entführe.“
„Was soll er denn dagegen haben!“ rief Steffi übermütig und sprang auf. „Ich habe richtig Lust zu tanzen!“
Lachend legte er ihr die Hand auf den Rücken und führte sie zur Tanzfläche.
„Soll ich dich auch zum Tanzen auffordern?“ fragte Birgit neckend, denn ihr war nicht entgangen, wie sauertöpfisch Volker ihnen nachblickte. Er schüttelte ärgerlich den Kopf.
„Erzähl mir lieber noch ein bisschen über die Ziele, die du ins Auge gefasst hast.“
Inzwischen bewegten Henno und Steffi sich zu heißen Rhythmen. Plötzlich nahm er sie in den Arm.
„Mir scheint, dein Volker will dich unbedingt von mir fernhalten“, flüsterte er in ihr Ohr
Verdutzt schaute sie zu ihm hoch.
„Wieso sollte er das?“
„Vielleicht kannst du es mir erklären“, versetzte er schelmisch lächelnd.
Verlegen nagte Steffi an ihrer Unterlippe. Sie wusste nicht so recht, wie sie darauf reagieren sollte. Etwa heraustönen, dass er wahrscheinlich eifersüchtig war? Nein, denn dann hätte sie sich auch eingestehen müssen, dass er mit seinem Empfinden gar nicht so falsch lag. Und das wiederum ging Henno natürlich gar nichts an!
„Ich glaube, du siehst das falsch“, erwiderte sie schließlich. „Er ist nur nicht so ein Tanzbär und fühlt sich deshalb auf solchen Bällen nicht ganz wohl.“
„Soso“, grinste er frech und Steffi hatte das Gefühl, er könne bis tief in ihr Inneres sehen.
Sie spürte, wie abermals eine peinliche Röte ihr Gesicht überzog. Deshalb ging sie wieder auf Abstand zu ihm und konzentrierte sich auf die flotte Musik.
Nachdem dieser Tanz zu Ende war, kündigte die Band eine Pause an und sie war froh, an den Platz zurück zu können.
Birgit und Volker waren in eine angeregte Unterhaltung vertieft über die Schönheiten Südenglands und den Möglichkeiten, die sich da boten. Birgit schaute fröhlich auf, als Henno für Steffi den Stuhl zurechtrückte, sich dann selbst eng neben sie setzte und nach ihrer Hand griff.
„Volker ist eine echte Bereicherung“, lachte sie, „Er war als Kind schon in Cornwall, Wales und London und kann sich noch an einiges erinnern, was wir unbedingt in unsere Planung mit einbeziehen sollten.“
Die Diskussion, die dann folgte, war überaus belebend. Volker erzählte einiges von früheren Reisen mit seinen Eltern und Henno ging wieder sehr feinfühlig auf sämtliche Argumente für und wider einzelne Ziele ein. Steffi lehnte sich entspannt zurück und beobachtete die beiden, die im Moment den Eindruck machten, als seien sie immer schon die besten Freunde gewesen. Einmal fing sie Birgits Blick auf, die ihr verschmitzt zuzwinkerte.
Sie verstanden sich auch ohne Worte: Dieser Abend war ein voller Erfolg!