Читать книгу Liebe ist kein Honigbrot - Iris Bulling - Страница 19
Kapitel 17
ОглавлениеAm nächsten Morgen brachen sie auf nach einem kräftigen Frühstück, welches ihnen Frau Beck genauso liebevoll hingerichtet hatte wie drei opulente Lunchpakete.
Sie kamen gut voran, legten auf Rastplätzen zwei kurze Pausen ein, um sich zu stärken und erreichten gegen 15.00 Uhr den Hafen von Calais. Es war sonnig, aber nicht zu heiß und vor allem nicht sehr windig.
Steffi blieb am Auto, während Volker und Henno sich nach Möglichkeiten für die Überfahrt erkundigen wollten. Zwar hatte Birgit ihnen die Fahrt mit der Hovercraft-Fähre vorgeschlagen, aber sie wollten nun doch noch einmal einen Zeit- und Preisvergleich machen.
Volker kam nach einer Viertelstunde zurück.
„Mit der Fähre haben wir Pech“, meinte er, „die ist gerade erst ausgelaufen. Aber das Luftkissenboot kommt bald an. Es wird beim Einlaufen ausgeladen und lässt die Passagiere aussteigen, dann legt es sofort wieder ab. Ich denke, wir nutzen das.“
Steffi nickte zustimmend und schaute suchend hinter ihn.
„Wo ist Henno denn abgeblieben?“ wollte sie wissen.
„Der sieht sich noch ein bisschen um. Er wird hoffentlich pünktlich hier sein. Ich glaube, ich sehe da schon was auf dem Wasser, was sich hierher bewegt. Dann müssen wir uns mit dem Auto richtig einordnen.“
Tatsächlich näherte sich ein Wasserfahrzeug dem Hafen, das schnell größer wurde. Fasziniert beobachtete Steffi sein Kommen, bis es auf den Strand zu springen schien und dort sein Luftkissen in sich zusammen fiel.
„Komm, steig ein“, drängte Volker und setzte sich hinters Steuer.
„Aber Henno…“, wollte sie einwenden, doch Volker winkte unwirsch ab.
„Der wird uns schon finden. Er weiß ja, dass wir mit dem Luftkissenboot fahren.“
Steffi sah, wie sich eine Luke öffnete und die ersten Autos herausfuhren. Noch einmal ließ sie suchend den Blick umherstreifen, bevor sie sich auf dem Beifahrersitz niederließ, damit Volker sich hinter den bereits Wartenden einreihen konnte.
Mit mulmigem Gefühl beobachtete sie, wie immer mehr Autos aus dem Boot auf den Strand und dann weg fuhren. Bald würde sich die Schlange Richtung Boot in Bewegung setzen, aber Henno war nirgends zu sehen.
Gerade wollte sie Volker bitten, aus der Reihe zu fahren und sich hinten anzustellen, als sie ihn entdeckte. Er schlenderte mit einer jungen attraktiven Frau auf die Autoschlange zu und unterhielt sich eingehend mit ihr. Steffi konnte geradezu spüren, wie er seinen Charme spielen ließ.
Auch Volker hatte ihn entdeckt und sagte mit einem leicht verächtlichen Unterton:
„Da kommt er ja.“
„Wer ist denn diese Frau?“ entfuhr es Steffi.
„Keine Ahnung. Mit der kam er vorhin ins Gespräch, und das muss sehr wichtig gewesen sein!“
Inzwischen waren die beiden fast am Auto. Steffi musterte fassungslos die schwarzhaarige Schönheit, die mit ihm neben dem Auto stehen blieb. Henno lächelte sie liebenswürdig an und öffnete schwungvoll die Beifahrertür.
„Das ist Claire Marie“, stellte er vor. „Die junge Dame möchte übersetzen, hat aber nicht genug Kleingeld. Können wir ihr für die Überfahrt den Platz neben mir auf dem Rücksitz überlassen? Uns kostet es nichts, und ihr ist damit geholfen.“
Steffi wechselte einen kurzen Blick mit Volker, der nur die Schultern zuckte.
„Von mir aus“, brummte er.
Henno lachte. „Habe ich dir nicht gesagt, dass Volker ein ganz feiner Kerl ist? Also komm. Steig ein.“
Claire Marie bedankte sich artig mit einem reizenden französischen Akzent und ließ sich von Henno die Tür hinter Volker öffnen. Sie warf ihren Rucksack auf den Boden und stieg ein. Er ließ sich hinter Steffi neben ihr nieder und führte sofort die Unterhaltung mit ihr fort. Es war fast, als wären nur er und sie da.
Fassungslos lauschte Steffi dem lockeren Geplänkel auf der Rückbank und fragte sich, was da eigentlich passierte. War Claire Marie eine alte Bekannte von ihm, die er zufällig getroffen hatte? Auf jeden Fall schienen die beiden sehr vertraut zu sein. In ihr stieg etwas auf – Wut? Eifersucht?
Nun, es war schon hart genug, ihn als Birgits Freund neben sich zu haben, aber für Birgit war nichts gut genug und sie gönnte es ihr von Herzen. Doch diese Frau?
Volker ließ das Auto in den Bauch des Schiffes rollen. Alle stiegen aus. Während Volker und Steffi zuschauten, wie der R4 angeschnallt wurde, meinte Henno lässig: „Ich gehe mit Claire Marie schon mal nach oben und schaue, dass wir vernünftige Plätze bekommen.“
Er wartete keine Antwort mehr ab und drängte sich mit ihr im Schlepptau nach draußen. Steffi fand endlich wieder Worte.
„Bist du sicher, dass er sie vorher nicht kannte? Die zwei wirken so – so vertraut.“
„Was weiß ich? Soviel ich weiß, hatte er noch nie Schwierigkeiten, mit jemandem ins Gespräch zu kommen.“
„Aber wir sind auf dem Weg zu Birgit!“
„Na und? Das bleiben wir ja weiterhin.“
Sie schwieg, weil Volker ziemlich verärgert wirkte. Und wahrscheinlich hatte er ja Recht. Warum sollte Henno nicht mit jemandem ins Gespräch kommen? Eigentlich ging sie das ja gar nichts an!
Als sie in die Passagierkabine kamen, saßen er und Claire Marie schon in einer Fensterreihe, welche immer drei Personen nebeneinander Platz bot. Er wies auf zwei Reihen davor, wo auch noch Plätze frei waren. Schweigsam steuerten sie darauf zu und ließen sich von einer Stewardess anschnallen.
Es war eine ruhige Überfahrt. Obwohl sie nicht sehr lange dauerte hatte Steffi das Gefühl einer Ewigkeit. Immer wieder klang Hennos sonore Stimme zu ihr, doch verstehen konnte sie nichts. Volker versuchte sie anfänglich in ein Gespräch zu verwickeln, doch sie starrte angestrengt aus dem Fenster und erweckte den Anschein, als gäbe es nichts Interessanteres als dieses graue Wasser da draußen. Schließlich lehnte er sich zurück und schloss die Augen. Er hatte nichts dagegen, sich jetzt ein bisschen zu entspannen, immerhin hatte er eine weite Autostrecke zurückgelegt.
Die weißen Kreidefelsen von Dover kamen in Sicht, bald landete das Boot auf dem Strand und sie begaben sich wieder zu ihrem Auto. Auch Henno und Claire Marie stiegen ein. Gemeinsam fuhren sie heraus, passierten Pass- und Zollkontrolle und befanden sich schon auf der Strasse.
„Vorsicht, Linksverkehr“, witzelte Henno, als Volker sich in den den Hafen verlassenden Konvoi einreihte.
„Wie geht`s jetzt weiter?“ fragte Steffi. „Claire Marie ist nun ja am Ziel.“
„Dafür bin ich euch sehr dankbar“, ließ diese sich vernehmen. „Ich muss weiter nach Hastings. Meine Großmutter lebt da.“
„Das liegt nicht auf unserer Route“, versetzte Steffi süßlich. „Wir werden über Guildford fahren.“
„Ich habe mir überlegt, dass ich von hier aus einen Mietswagen nehme“, erklärte Henno. „Ich bin euch zwei Turteltäubchen lange genug zur Last gefallen.“
„Aber das ist doch Quatsch! Wir wollten doch zusammen nach Portsmouth fahren!“
„Birgit können wir erst morgen treffen, weil sie heute Abend Abschied feiert. Das bedeutet, wir müssen so und so irgendwo übernachten. Da man „Bed and Breakfast“ besser als Pärchen oder Einzelner bekommt, ist es sogar vernünftig, wenn wir von hier aus getrennt weiter fahren.“
„Da hat er Recht“, stimmte Volker zu. „Dann treffen wir uns morgen in Portsmouth bei Birgit.“
„Da drüben ist schon eine Leasing – Firma“, mischte Claire Marie sich ein. „Vielleicht könnt ihr uns da herauslassen?“
Volker fuhr auf den Parkplatz und stieg mit Henno aus.
„Nochmals vielen Dank“, zwitscherte Claire Marie und stieg, sich ihren Rucksack schnappend, ebenfalls aus. Nachdem Henno sich sein Gepäck aus dem Kofferraum genommen hatte, ging er noch einmal zu Steffi auf dem Beifahrersitz und drückte ihr einen zarten Kuss auf die Stirn.
„Wir sehen uns dann morgen“, lächelte er sie an, dann wandte er ihr den Rücken zu und verabschiedete sich kurz von Volker, ehe er zusammen mit Claire Marie in das Büro ging.
Volker ließ sich wieder am Steuer nieder.
„Sie fährt wohl mit ihm“, meinte Steffi unsicher.
Er warf ihr einen unergründlichen Blick zu.
„Was hast du denn gedacht? Claire Maries Großmutter bietet auch ein Zimmer für „Bed and Breakfast“ an, wie ich zufällig mitgehört habe. Ich bin davon überzeugt, unser edler Henno weiß schon, wo er heute Nacht schläft. Im Gegensatz zu uns. Also lass uns losfahren, damit wir auch bald etwas finden.“ Dann beugte er sich zu ihr hinüber und küsste sie auf die Backe.
„Aber mit einem hatte er schon Recht. Ich freue mich, dass wir jetzt eine Nacht für uns haben.“
Kurz nachdem sie Ashford hinter sich gelassen hatten, sahen sie ein einzelnes altes Haus auf einem Hügel mit einem deutlich lesbaren „Bed and breakfast“ – Schild.
„Versuchen wir es doch gleich hier“, meinte Volker und lenkte das Auto auf den kleinen Feldweg, der hinaufführte. Oben stiegen sie aus und läuteten. Ein junges pausbäckiges Mädchen öffnete ihnen und führte sie auf ihre Anfrage hin in ein kleines altmodisches Zimmer mit einem nicht sehr breiten Französischen Bett. Das Bad war auf dem Flur und offensichtlich sowohl für die Familie wie auch für die Gäste gedacht.
Doch Steffi war inzwischen so müde, dass ihr alles passend erschien. Während Volker das Gepäck aus dem Auto holte, streckte sie sich auf dem Bett aus. Ihre Gedanken waren allerdings immer noch bei dem Erlebten. Wie hatte Henno sich nur so benehmen können?
War dieses Verhalten Birgit gegenüber fair? Allerdings konnte sie auch nicht mit Gewissheit sagen, dass sich da etwas angesponnen hatte zwischen ihm und dieser Französin.
Aber eines war für sie klar: Hätte Volker so gehandelt, wäre sie mehr als nur verletzt gewesen. Sie empfand das als gewaltigen Vertrauensbruch!
Die Tür wurde geöffnet und Volker drückte sich herein mit zwei Koffern, die den Rest des Zimmerchens ausfüllten.
„Unsere erste Nacht auf englischem Boden“, lachte er. „Doch erst mal habe ich gewaltigen Hunger. Fühlst du dich noch fit genug, um ein Stück zurückzufahren? In dem kleinen Inn am Ortsausgang gibt es sicher eine Kleinigkeit zu essen.“
Steffi erhob sich und musterte ihn. Anscheinend war seine Laune immer besser geworden, seit Henno sie verlassen hatte. Plötzlich empfand sie tiefe Dankbarkeit und legte ihm die Arme um den Hals.
„Aber natürlich! Jetzt machen wir uns noch einen richtig schönen Abend. Der erste englische Sonnenuntergang – nur schade, dass wir nicht näher am Meer sind.“