Читать книгу Liebe ist kein Honigbrot - Iris Bulling - Страница 12

Kapitel 10

Оглавление

So gesehen war der Besuch in der Disco anschließend genau das Richtige, weil es laut und weitere Gespräche kaum möglich waren. Henno und Birgit befanden sich schon geraume Zeit auf der Tanzfläche und strahlten auch hier eine große Harmonie aus, während Steffi eher lustlos an ihrem Drink nippte. Volker hatte den Arm um sie gelegt und war zufrieden sie neben sich zu haben, denn wildes Tanzen war nicht so sein Ding, er wartete lieber auf die langsameren Nummern.

Schließlich kamen die beiden strahlend von der Tanzfläche zurück. Henno griff nach Steffis Hand.

„Ich möchte einmal gerne mit der besten Freundin meiner Liebsten tanzen“, meinte er lachend und zog sie hoch. Steffi blickte kurz Volker an, der sie notgedrungen losließ, und folgte ihm mit gemischten Gefühlen. Aber kaum auf der Tanzfläche begann sie die Musik zu genießen und bewegte sich versonnen im Rhythmus. Da das Gedränge sehr groß war, ließ es sich kaum vermeiden, dass sie immer wieder Körperkontakt mit Henno bekam, und jedes Mal durchfuhr sie ein wohliger Schauer. Der nächste Titel war ein langsamer Blues und er zog sie ohne Umstände an sich und wiegte sich mit ihr im Takt.

„Bist du sehr überrascht?“ wollte er wissen.

„Das kann man wohl sagen. Birgit hat mich ganz schön an der Nase herumgeführt!“

„Ich hoffe, du bist ihr nicht böse und hast kein Problem damit, mich in nächster Zeit öfter zu sehen.“

Sie schluckte. Ihn öfter zu sehen, nein, damit hätte sie bestimmt kein Problem, aber als Birgits Freund schon.

„Locker bleiben“, ermahnte sie sich und gab zur Antwort: „Wenn es für Birgit gut ist, freue ich mich natürlich!“

Er lachte und zog sie noch näher an sich heran.

„Birgit ist die interessanteste Frau, die ich je kennen gelernt habe. Aber sie hat auch eine ganz tolle Freundin. Ich genieße es wirklich, mit euch beiden zusammen zu sein.“

„Na denn, schauen wir mal, wie sich das so entwickelt.“

Der Blues war zu Ende und Henno ließ sie los. „Dein Freund schaut so sehnsüchtig. Er will bei dieser Musik wohl selbst mit dir tanzen.“

„Da kannst du Recht haben. Er genießt in der Disco immer nur die langsamen Titel.“

Sie gingen zurück an ihren Platz und stellten fest, dass sich noch ein Pärchen eingefunden hatte, das von Henno herzlich begrüßt wurde. Olaf kannte Steffi ja schon, aber er war in Begleitung einer jungen, eigentlich recht hübschen Frau, die durch eine große runde Brille und straff zurückgekämmtes, hochgestecktes Haar ziemlich streng wirkte.

„Das sind Olaf und Ella, meine beiden Mitbewohner und besten Freunde“, stellte er vor.

Sie rückten alle eng zusammen, damit die beiden auch bei ihnen sitzen konnten, aber jetzt wollte Volker auf die Tanzfläche und er zog Steffi mit sich. Sie folgte nur widerstrebend, denn eigentlich hätte sie lieber an der Unterhaltung teilgenommen, die in Gange kam, weil sie gerne mehr über Birgits neuen Bekanntenkreis erfahren hätte.

Volker zog sie so eng an sich, dass sie kaum noch Luft bekam, aber vor allem merkte sie, dass ihr Körper auf Hennos Berührungen ganz anders reagiert hatte. Sie drückte ihn von sich weg.

„Lass mich noch am Leben“, beschwerte sie sich, woraufhin er seine Umarmung etwas lockerte. Steffi schloss die Augen und atmete tief ein.

„Reiß dich zusammen!“ beschwor sie sich selbst. „Volker kann nichts dafür!“

Sie legte die Arme um seinen Hals für den Rest des Tanzes. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie Birgit und Henno eng umschlungen und auch Olaf und Ella bewegten sich eng aneinandergeschmiegt in ihrer Nähe.

Zwei Stunden nach Mitternacht verließen sie gemeinsam die Disco.

„Sollen wir euch mitnehmen?“ bot Volker Birgit und Henno an.

Birgit schüttelte den Kopf.

„Danke, aber wir fahren mit Olaf. Ich übernachte heute bei Henno.“

Dieser drückte sie fest an sich und küsste sie auf den Scheitel.

„Darauf habe ich lange gewartet“, flüsterte er, aber Steffi konnte trotzdem jedes Wort verstehen und es gab ihr einen Stich. Volker merkte nichts.

“Alles klar“, meinte er munter. „Dann wünsche ich euch allen eine gute Nacht!“

Olaf verabschiedete sich mit den Worten: „Man sieht sich sicher wieder“, dann gingen sie in verschiedenen Richtungen auseinander zu den Autos.

Steffi kämpfte mit widerstreitenden Gefühlen. Auf der einen Seite wollte sie sich am liebsten irgendwo ganz allein verkriechen, andererseits hatte sie Angst davor, allein in ihrem Zimmer, daneben Birgits leeren Raum, verbringen zu müssen. Nachdem Volker schon ein Stück gefahren war, legte sie entschlossen ihre Hand auf seinen Arm.

„Können wir heute Nacht zu dir fahren?“

Er schaute strahlend zu ihr hinüber. „Was für eine Frage! Das ist doch selbstverständlich.“

Am nächsten Morgen erwachte sie wie gerädert. Nachdenklich schaute sie auf Volker, der noch tief schlief. Fast hatte sie so etwas wie ein schlechtes Gewissen, denn in dieser Nacht hatte sie sich in seine Arme geworfen, um nicht mit der Realität konfrontiert zu sein. Und er hatte sie aufgefangen und keine Ahnung davon, dass eigentlich jemand anderer in ihrem Kopf herumspukte. Aber Henno war für sie doch immer nur ein Traumgespinst gewesen, genau so wie für Babs! Und jetzt war er offiziell mit Birgit zusammen, was sie einfach akzeptieren musste. Sie sollte glücklich sein, einen so tollen und verständigen Partner wie Volker zu haben, der sie wirklich zu schätzen und zu lieben schien.

Sie drückte ihm einen leichten Kuss auf die Stirn und glitt aus dem Bett. Verschlafen öffnete er die Augen. „Du stehst schon auf? Wir haben doch alle Zeit der Welt!“

„Ich wollte noch einiges für morgen vorbereiten“, schwindelte sie. „Bleib ruhig liegen. Ich mache uns erst einmal einen Kaffee.“

Zuerst ging sie ins Bad und erschrak, als sie einen kurzen Blick in den Spiegel warf. Sie hatte dunkle Augenringe, was durch die zerlaufene Wimperntusche noch betont wurde und fand sich äußerst unattraktiv. Rasch wusch sie sich das Gesicht und beseitigte die schwarzen Überreste. Doch mit ihrem Anblick war sie immer noch mehr als unzufrieden. Seufzend ging sie in Volkers Kochnische. Viel mehr als einen Schnellkaffee und einige Kekse fand sie nicht, aber sie stellte alles auf ein Tablett und trug es ans Bett. Volker hatte sich jetzt aufgerichtet und schaute ihr liebevoll entgegen.

„Ich wünschte, wir würden jeden Morgen gemeinsam frühstücken“, meinte er.

„Dann sollte das Angebot aber üppiger sein“, hielt sie ihm entgegen und knabberte lustlos an einem Keks.

Nach der spärlichen Mahlzeit verschwand Volker selbst im Bad und kam nach kurzer Zeit geduscht und gut gelaunt zurück.

„Soll ich dich gleich zu deinem Zimmer fahren?“

Steffi schüttelte den Kopf.

„Ich möchte gerne zu Fuß gehen. Die frische Luft wird mir gut tun.“

„Da bist du ja mindestens eine Stunde unterwegs!“

„Das ist mir auch klar. Aber das Wetter ist herrlich – und in der Bude sitze ich nachher noch lange genug.“

„Wenn du das so möchtest! Sehen wir uns dann heute Abend? Wir können in die Studiosusklause gehen, wo wir bestimmt viele treffen. Einstimmung fürs neue Semester!“

„Einverstanden. Kommst du - so gegen sechs?“

Volker nahm sie noch einmal in den Arm und küsste sie leidenschaftlich. „Ich bin pünktlich da.“

Steffi hatte es plötzlich eilig. Sie schlüpfte in ihre Jacke und öffnete die Tür.

„Also bis heute Abend.“

Dann stand sie auf der Straße, atmete tief die würzige Frühlingsluft ein und marschierte los.

Als sie in ihrer Straße ankam, fragte sie sich mal wieder, was eigentlich mit ihr los war. Sie hatte wahrscheinlich mehrere Blasen an den Füßen, denn die Discoschuhe waren nicht gerade ihre bequemsten. Und doch hatte ihr der lange Weg geholfen einen klareren Kopf zu bekommen.

Birgit war noch nicht zu Hause, aber damit hatte sie auch nicht gerechnet. Sie duschte erst einmal ausgiebig und verarztete dann ihre Füße. Anschließend legte sie sich ins Bett und schlief auch gleich noch einmal für eine Stunde ein.

Birgit kam gegen 14.00 Uhr. Sie ging gar nicht erst in ihr Zimmer, sondern klopfte gleich bei Steffi. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen glänzten, aber ihr Gesicht war ernst. Sie ließ sich in einen Sessel fallen.

„Und?“ fragte sie.

„Was und?“

„Was willst du mir sagen? Begeistert wirkst du ja nicht gerade.“

„Na ja, ich bin gelinde gesagt etwas überrascht. Immerhin hast du behauptet, ihn auf dieser Abschlussfete nur flüchtig gesehen zu haben.“

„Und jetzt denkst du, ich habe dich angeschwindelt?“

„Ganz ehrlich, ich weiß nicht, was ich denken soll.“

„Wir haben bei dieser Feier tatsächlich kaum miteinander gesprochen. Schließlich war ich nicht allein dort und man hatte eher den Eindruck, er wolle uns meiden. Er hat mich aber bei Wertkauf an der Kasse gesehen und stand abends plötzlich da. Und von da an hat er mich fast jeden Abend abgeholt. Du kannst mir glauben, anfänglich war es mir sogar unangenehm.“

„Jetzt offensichtlich nicht mehr. Was ist denn mit der Frau, mit der Babs ihn gesehen hat?“

„Das war seine Schwester, die ihn gerade besuchte. Da Babs Anhänglichkeit ihm unheimlich wurde, hat er die Gunst der Stunde genutzt.“

„Das hat er dir gesagt?“

„Natürlich. Und ich habe keinen Grund es anzuzweifeln.“

„Mmh“, brummte Steffi.

Birgit warf ihre Haare zurück. „Mein Gott, Steffi, mir ist auch nicht wohl, wenn ich an Babs denke. Deshalb wollte ich ja auch nicht in die Studiosusklause. Aber glaub mir, sie hatte nie eine Chance! Und ich - ich kann einfach nichts dagegen tun. Ich habe solche Männer immer gemieden, weil ich der Meinung bin, denen kann man nicht trauen, aber er hat nicht aufgegeben und nun ist es passiert.“

Steffi hing ihren Gedanken nach und war dankbar, dass Birgit nur bei Babs ein Problem sah. Sie zuckte zusammen, als Birgit fortfuhr:

„Für dich ist alles so einfach. Du hast Volker, der wie geschaffen für dich ist, und jeder freut sich mit dir über dein Glück. Aber ich manövriere mich in so eine Situation. Du weißt, wie sehr ich Babs schätze und ich möchte ihre Freundschaft wirklich nicht verlieren. Nur – auf Henno kann ich auch nicht mehr verzichten. Du musst mir helfen.“

„Wie soll ich das denn anstellen?“

„Bitte, du musst mit Babs reden, es ihr schonend beibringen! Sie muss einfach einsehen, dass ich ihr nicht den Traummann ausspannen wollte.“

Steffi hob den Kopf und betrachtete Birgits Gesicht.

„Wie schön sie ist!“ dachte sie. „Es ist kein Wunder, dass er sich ausgerechnet in sie verliebt hat.“

„Ich mache uns mal einen Kaffee“, sagte sie laut. „Schätze, das tut uns beiden gut.“

Als der Kaffe fertig war, saßen sie erst eine Weile schweigend da und nippten an dem heißen Getränk. Schließlich fragte Steffi: „Was hast du heute Abend vor? Volker und ich wollten in die Studiosusklause.“

„Ella hat vier Karten fürs Frühlingskonzert. Olaf holt mich später ab.“

„Olaf? Auch ein interessanter Typ. Ist er Maler?“

Birgit hatte ihr Lachen wiedergefunden.

„Das wäre er gerne. Aber seine Eltern haben verlangt, dass er etwas Bodenständiges lernt, deshalb studiert er wie Henno Architektur. Nebenbei ist er sein bester Freund und sie teilen sich fast alles: die Wohnung, das Auto, ich glaube sogar Ideen. Ella ist Olafs langjährige Freundin, sie studiert an der Musikhochschule Violine und Gesang. Die beiden sind ein richtiges Künstlerpärchen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Olaf sich nach dem Studium ganz der Malerei widmet.“

„Das ist auf jeden Fall eine ganz andere Welt, als wir sie mit unserer Clique gewohnt sind. Fast möchte ich dich beneiden!“

„Du bist doch jederzeit willkommen! Ich würde mich wirklich freuen, wenn du und Volker öfter etwas mit uns gemeinsam unternehmt. Allerdings habe ich Henno gebeten, die Studiosusklause erst einmal zu meiden. Ich möchte keine Gefühle verletzen.“

„Tja, aber ausgerechnet da fühlt Volker sich am wohlsten! Es wundert mich ja schon manchmal, dass er lieber in unserer Gesellschaft ist als bei seinen Medizinern.“

„Mich wundert das gar nicht. Wir sind so ein lustiges Völkchen und würden auch füreinander durchs Feuer gehen. Das findet man nicht oft!“

„Aber du möchtest dich erst einmal rar machen!“

Birgit zuckte die Schultern.

„Im Moment weiß ich nicht genau, was ich will. Du weißt, wie sehr ich an unserer Clique hänge, sie war immer wichtiger und vor allem beständiger als irgendwelche Typen. Doch mit Henno – das ist etwas ganz Besonderes. Und wenn Babs sich nicht so in ihn verknallt hätte, wäre alles kein Problem. Dann könnte ich ihn als meinen Freund vorstellen und er wäre so ein Bestandteil wie Volker. Er hätte bestimmt kein Problem mit den Leuten!“

„Ja, das glaube ich auch.“

Aber sie dachte: „Außer dass sich wahrscheinlich noch mehr in ihn verknallen würden.“

Nachdenklich schwiegen sie sich eine Weile an und nippten nur an ihrem inzwischen kalt gewordenen Kaffee. Schließlich erhob sich Birgit.

„Danke, Steffi. Ich werde jetzt mal duschen, aber unser Gespräch hat mir sehr gut getan. Falls wir uns nicht mehr übern Weg laufen, wünsche ich euch einen schönen Abend. Vielleicht sieht morgen schon alles einfacher aus, falls du mit Babs sprechen kannst….“

Liebe ist kein Honigbrot

Подняться наверх