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Kapitel 9

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Steffi sah Birgit erst am nächsten Tag wieder, als sie gegen 15.00 Uhr von der Arbeit nach Hause kam. Sie stürmte in ihr Zimmer und umarmte sie.

„Endlich Wochenende!“ jubelte sie und drehte sich mit ihr im Kreis.

Steffi machte sich lachend los und dachte: „So fröhlich erlebt man sie selten.“

Laut sagte sie: „Und - was hast du vor?“

Birgit griff in ihre langen Haare. „Och, erst mal brauche ich eine Dusche und wasche mir die Haare. Heute Abend gehen wir in ein nettes Lokal und anschließend in eine Disco. Kommt ihr mit?“

„Du stellst mich ja vor vollendete Tatsachen! Was ist, wenn wir nicht mitkommen?“

„Dann gehen wir getrennte Wege, was ich sehr schade finden würde. Es kann dir doch nicht schwer fallen, Volker zu überzeugen. Sicherlich taucht er bald auf.“

„Ich denke auch. Er wollte noch einiges für den Semesteranfang vorbereiten und gegen Spätnachmittag wieder hier sein.“

„Na also, dann kannst du ihn ja instruieren. Ich möchte heute auf jeden Fall nicht in die Studiosusklause, wo wahrscheinlich die meisten eintrudeln.“

„Sonst hast du dich doch immer so gefreut, die anderen wiederzusehen.“

„Okay, aber heute ist mir nicht danach. Also, wir sehn uns später!“

Damit verschwand sie singend in ihrem Zimmer und kurze Zeit später hörte Steffi sie in die Dusche gehen.

„Sie ist wohl mit diesem Heinrich verabredet“, überlegte sie. Ihre Neugierde war geweckt, denn sie wollte ihn unbedingt bald kennen lernen. Was konnte das nur für ein Typ sein, der die pragmatische Birgit so veränderte?

Etwa eine Stunde später läutete es zweimal, das Zeichen für Birgit, aber sie öffnete nicht. Als es wieder läutete, schaute Steffi nach und hörte, dass Birgit sich in ihrem Zimmer die Haare föhnte. Also hatte sie wahrscheinlich nichts gehört. Deshalb drückte sie auf den Türöffner. Kurz danach stand ein junger hochgewachsener schlaksiger Mann vor ihr mit einer wilden Künstlermähne, unter den Arm einen Block geklemmt, über der Schulter eine legere Stofftasche.

„Ich wollte zu Birgit“, meinte er sichtlich überrascht.

„Sie föhnt sich gerade die Haare“, erklärte Steffi. „Bist du Heinrich?“

„Heinrich?“ Jetzt schmunzelte er belustigt, was ihn unglaublich sympathisch machte. „Nein, ich bin Olaf. Olaf Mellers. Aber du bist wahrscheinlich Steffi?“

Er streckte ihr lässig die Rechte hin, die sie verlegen ergriff. Im Moment hatte sie das Gefühl überhaupt nichts mehr zu verstehen.

„Willst du in meinem Zimmer warten, bis sie fertig ist?“ brachte sie schließlich hervor.

„Ja, warum nicht.“

Er folgte ihr, nickte kurz, als er das Föhngeräusch hörte und setzte sich in den Sessel, den sie ihm anbot. Sie ließ die Tür offen, damit sie merkten, wenn Birgit fertig war.

„Entschuldige, dass ich dich verwechselt habe“, meinte Steffi. „Anscheinend ist in den Semesterferien einiges passiert, was ich nicht mitgekriegt habe.“

„Nun, du warst ja nicht da. Aber ich spiele keine besondere Rolle. Ich bin einfach nur Hobbymaler und wollte ein paar Skizzen von Birgit machen. Oh, ich glaube, sie ist mit dem Föhnen fertig.“

Tatsächlich war es leise geworden in Birgits Zimmer. Steffi ging hinüber, um ihr Bescheid zu sagen. Birgit steckte gerade ihr Mähne links und rechts mit Spangen fest und meinte nur: „Schick ihn einfach rüber.“ Olaf bedankte sich bei Steffi und verschwand mit Block und Tasche in dem anderen Zimmer. Steffi lauschte, ob sie irgendetwas mitkriegen würde, aber nach einer kurzen Begrüßung wurde es bald ruhig.

Etwa eine halbe Stunde später kam Volker. Er war bester Laune und küsste sie leidenschaftlich. „Ich habe dich vermisst“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Steffi machte sich frei und meinte nur: „Wir haben uns doch heute Morgen noch gesehen!“

Lachend ließ er sich auf ihr Bett plumpsen. „Manchmal bist du einfach zu sachlich. Was stellen wir an, wenn dir nicht nach Liebe ist?“

Kurz berichtete sie von Birgits Vorschlag und setzte hinzu: „Ich möchte das unbedingt mitmachen. Immerhin ist es Birgits erster Abend nach dieser Jobzeit, und das ist doch auch ein Grund zu feiern!“

Volker war einverstanden. „Wann gehen wir?“ wollte er nur wissen, während er in Steffis Schallplatten herumsuchte. Dann hatte er gefunden, was er suchte und legte „You`re the one that I want “ auf.

Steffi zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht, wann Olaf mit seinen Skizzen fertig ist. Da muss ich erst einmal nachfragen.“

Sie ging über den Flur und klopfte an. Auf Birgits „Ja!“ streckte sie den Kopf hinein.

Birgit saß am Fenster, den Arm auf den Sims gestützt, während Olaf auf dem Boden saß, gegen ihr Bett gelehnt, den Block auf den Knien und einen Stift in der Hand. Stirnrunzelnd blickte er auf, offensichtlich fühlte er sich gestört.

„Ich wollte nur wissen, wie lange ihr noch braucht“, sagte Steffi verlegen. „Volker ist da, und wir kommen gerne nachher mit.“

Birgit warf Olaf einen kecken Blick zu. „Nun, großer Meister, wann darf dein Modell sich erheben?“

Er ging nicht auf den neckischen Ton ein. „Gib mir noch eine halbe Stunde. Dann habe ich, was ich wollte.“

„Du hast es gehört“, wandte Birgit sich an Steffi. „Wir kommen zu euch rüber, wenn er soweit ist.“

Steffi hätte gerne einen Blick auf die Skizzen geworfen, aber Olafs Haltung und Gesichtsausdruck zeigten ihr überdeutlich, dass sie im Moment nicht erwünscht war. Also zog sie sich rasch zurück und ging wieder zu Volker. Kopfschüttelnd setzte sie sich.

„Dieser Olaf ist ein richtiger Künstler. Anscheinend will er Birgit portraitieren.“

„Birgit ist immer wieder für eine Überraschung gut. Wir werden sicher bald erfahren, wie sie zu dieser neuen Aufgabe gekommen ist. Bisher war mir nicht bekannt, dass sie ein Herz für Maler hat.“

Steffi hing ihren Gedanken nach, während Volker wieder in ihren Schallplatten herumsuchte.

Als nächstes legte er dann den Schmusesong „Love is in the air“ auf und rückte ganz eng neben sie. Doch in diesem Moment klopfte es zu ihrer Erleichterung kurz und Birgit kam herein. „Na, ihr zwei Turteltäubchen, ich wollte nur Bescheid geben, dass Olaf fertig ist. Wir können dann aufbrechen. Am besten fahrt ihr mit einem Auto hinterher.“

Olaf hatte einen alten BMW vor dem Haus stehen, in den er und Birgit einstiegen. Volkers R4 stand nicht weit davon weg, so dass Steffi und er beschlossen, ihn zu benutzen anstatt des Polos.

Sie fuhren nicht sehr weit. Olaf bog in die Luisenstraße ein und Steffi erinnerte sich sofort, dass das auch Hennos Wohnstraße war.

Sie parkten vor einem alten, fast herrschaftlich anmutenden mehrstöckigen Gebäude, das allerdings sehr renovierungsbedürftig aussah. Der Garten hinter dem schäbigen Zaun war ziemlich verwildert, aber vielleicht machte gerade das seinen Reiz aus, den er trotzdem versprühte. Olaf und Birgit waren schon ausgestiegen und warteten jetzt an dem verwitterten Gartentürchen, bis Steffi und Volker nachkamen. Gemeinsam gingen sie über einen schmalen Gartenweg zum Haus. Olaf schloss die Haustür auf.

„Wir wohnen ganz oben unterm Dach“, meinte er beiläufig, „Macht euch nichts draus, wenn die Treppenstufen knarren. Aber unsere Vermieterin ist schon etwas betagt und zum Glück auch schwerhörig, wir werden sie also nicht stören.“

Das Dachgeschoss lag im vierten Stock und begann zunächst mit einem riesigen Flur, wo mehrere Türen in andere Räume führten. Zwischen den Türen waren mehrere bemalte Leinwände abgestellt. Vom Ende des Flurs spendete ein kleines Dachfenster Tageslicht.

„Hast du hier dein Atelier?“ wollte Steffi wissen.

„Ich habe ein Zimmer, wo ich ein bisschen malen kann“, meinte er. „Zum Glück sind diese Räumlichkeiten erschwinglich, zumindest wenn man sie zu dritt mietet. Okay, Birgit, du kennst dich ja aus. Ich sage erst mal Tschüss!“

Damit öffnete er eine der Türen und verschwand. Birgit ging den Gang ein Stückchen weiter und klopfte an. Fast sofort wurde die Tür geöffnet.

„Da bist du ja endlich“, ertönte eine dunkle Männerstimme, die Steffi einen Schauder über den Rücken jagte. Und da stand er, ihr Traummann, groß und gutaussehend den Türrahmen ausfüllend, und schloss Birgit liebevoll in die Arme. Sie ließ es sich offensichtlich gerne gefallen und erwiderte seinen zärtlichen Kuss, dann schob sie ihn zurück und sagte lächelnd: „Ich bin nicht alleine, Heinrich.“

Er lachte und zupfte sie am Ohr. „Lass den Quatsch. Du weißt, wie ich es hasse so genannt zu werden.“

Steffi bemühte sich um Normalität. „Hallo, Henno“, grüßte sie beherrscht. „Volker, kannst du dich noch an ihn erinnern?“

„Natürlich, du warst doch auf Babs` Party.“

Volker und Henno schüttelten sich die Hand, dann nahm Henno Steffi bei den Schultern und drückte ihr links und rechts ein Küsschen auf die Wange, was Volker zu einem Stirnrunzeln veranlasste. Doch Henno ließ sich davon nicht beeindrucken.

„Schön, euch zu sehen“, meinte er munter. „Dann werden wir heute also einen netten Abend gemeinsam verbringen. Aber kommt doch erst mal rein in meine Bude!“

Sie folgten ihm in einen geräumigen, aber niedrigen Raum mit schrägen Wänden, der sehr minimalistisch eingerichtet war: ein Bett, ein Schrank, ein Regal, ein Schreibtisch und zwei Stühle. Er bot Steffi und Volker Platz auf den Stühlen an und zog Birgit mit sich aufs Bett.

„Wir haben eine nette kleine Pizzeria entdeckt“, meinte er. „Wir hoffen, dass euch das auch zusagt.“

„Für Pizza bin ich immer zu haben.“ Volker blickte zu Steffi. „Du doch auch?“

Sie nickte rasch, hatte aber das Gefühl, einen Kloß im Hals zu haben. Sie konnte einfach nicht verstehen, dass Birgit sie so an der Nase herumgeführt hatte.

Henno holte sich eine Jacke aus dem Schrank und zog sie an.

„Wenn es euch Recht ist können wir starten“, meinte er. „Allerdings müssten wir euer Auto nehmen. Olaf braucht unsere Kiste noch, aber er wird später nachkommen.“

Sie verließen das alte Haus und stiegen unten in Volkers R4. Henno setzte sich wie selbstverständlich auf den Beifahrersitz. „So kann ich besser den Weg weisen. Es macht dir doch nichts aus?“ fragte er Steffi.

„Das ist schon okay“, brachte sie heraus und setzte sich hinten neben Birgit.

Die Pizzeria am Rande der Stadt war wirklich sehr schnuckelig und das Essen gut. Es entwickelte sich auch ein lebhaftes Gespräch über einige Begebenheiten, die sich während der Semesterferien zugetragen hatten, Volker erzählte begeistert von Paris und fand in Birgit und Henno ein interessiertes Publikum, aber Steffi beschränkte sich so ziemlich aufs Zuhören. Die sichtbare Vertrautheit zwischen den beiden und ihr offensichtliches Glück hätten sie eigentlich erfreuen sollen – wirklich, sie gönnte es Birgit von Herzen! – und doch war da ein kleiner Stachel in ihrem Herzen.

Liebe ist kein Honigbrot

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