Читать книгу Liebe ist kein Honigbrot - Iris Bulling - Страница 7
Kapitel 5
ОглавлениеSeufzend schob Steffi die Bücher zur Seite und las noch einmal, was sie bisher von ihrer Hausarbeit fertiggestellt hatte. Irgendwie fiel es ihr heute schwer sich zu konzentrieren, aber eigentlich war ihr der Grund dafür klar. Morgen war Samstag, und ihre Mutter erwartete ganz selbstverständlich, dass sie nach zwei Wochen wieder zu Hause aufkreuzte und das Wochenende mit ihren Eltern verbrachte. Sie wollte unbedingt mehr Wochenenden hier verbringen wie Birgit, doch das Gespräch mit Mutter scheute sie, da diese es immer wieder schaffte, ihr ein schlechtes Gewissen zu suggerieren, indem sie sie vorwurfsvoll und gleichzeitig tief traurig anschaute mit der unausgesprochenen Frage, wie die einzige Tochter denn nur so undankbar und familienfeindlich sein konnte.
Steffi beschloss in die Studiosusklause zu gehen, um sich abzulenken. Birgit war noch in einem Sportseminar und würde garantiert nachkommen, wenn sie fertig war. Samstag- vormittags saß sie jetzt regelmäßig bei Wertkauf an der Kasse und frischte so ihren Lebensunterhalt auf. Aus diesem Grunde fuhr sie gar nicht mehr mit nach Hause.
Aber ihre familiäre Situation war auch ganz anders als die von Steffi. Birgits Mutter war gestorben, als sie gerade neun und ihr Bruder Thomas elf war. Drei Jahre später hatte ihr Vater wieder geheiratet, und bereits ein halbes Jahr danach war ein Stiefschwesterchen da. Mit der neuen Frau konnten weder Birgit noch Thomas eine Beziehung aufbauen, und so empfand ihr Vater es durchaus als Erleichterung, dass beide ihr Studium nutzten, um sich vom Elternhaus zu lösen.
Steffis Mutter dagegen hatte in ihrer Tochter den ganzen Lebensinhalt gesehen, denn ihr Vater war als erfolgreicher Architekt immer beschäftigt. Die Familie schwamm im Geld, aber Zeit für ein gemeinsames Miteinander war Mangelware. So klammerte Frau Beck sich nach wie vor an Steffi und wollte nicht akzeptieren, dass diese inzwischen erwachsen war.
„Dieses Mal muss ich es durchziehen“, murmelte Steffi vor sich hin, während sie ihre Schreibarbeit auf die Seite packte.
Das Wetter war unfreundlich geworden. Heute war es feucht und kalt, ein richtiger Novembertag. Steffi fröstelte und beeilte sich, wieder ins Warme zu kommen.
Sobald sie den ersten Blick ins Kneipeninnere werfen konnte, entdeckte sie schon Babs, die missmutig vor einer Cola saß. Steffi ließ sich ihr gegenüber nieder.
„Was ist los?“ wollte sie wissen. „Hast du Ärger gehabt?“
Babs warf ihr einen raschen Blick zu und vertiefte sich dann wieder in ihr Getränk.
„Ist alles in Ordnung“, brummte sie.
„Das ist nicht zu übersehen“, konterte Steffi. „Komm, mir brauchst du doch nichts vorzumachen!“
„Also gut. Ich habe das Gefühl, mich ganz schön zum Affen gemacht zu haben.“
„Wie meinst du das?“
„Wegen Henno. Ich hatte doch tatsächlich angenommen, der Kerl macht sich etwas aus mir.“
Steffi schluckte. „Und jetzt glaubst du das nicht mehr?“
„Was heißt glauben? Ich weiß es! Nach meiner Party vor vier Wochen habe ich ja keinen Ton mehr von ihm vernommen. Habe mir eingeredet, er hat keine Zeit wegen seines Studiums und so. Aber heute bin ich mal zur Luisenstraße geradelt. Und während ich noch überlege, ob ich einfach klingeln soll kommt er doch tatsächlich aus dem Haus. Aber nicht allein! Eng umschlungen mit einer Blondine, die aus irgendeinem Starmagazin entsprungen sein könnte. Und als er mich sieht, ist er kein bisschen verlegen, sondern stellt mich vor als die liebe Babs, die ihn anfänglich ins Studentenleben eingeführt hat. Leider habe er grad gar keine Zeit, weil er, wie ich ja sehen könnte, sehr beschäftigt sei. Wir würden sicher mal wieder voneinander hören!“
„Hatte er dir denn irgendwelche Hoffnungen gemacht vorher?“
„Was weiß ich? Er war so nett und so zuvorkommend und hat mir das Gefühl vermittelt, er sei total gern mit mir zusammen. Aber wahrscheinlich habe ich mir alles nur eingebildet.“
Steffi seufzte. „Ich denke nicht. Eher scheint mir, dass er allen dieses Gefühl gibt.“
„Wie soll ich das denn verstehen?“
„Na ja, er ist einfach zu allen unheimlich nett und zuvorkommend. Birgit drückte sich in etwa so aus, dass er jedem das Gefühl vermittelt, die Hauptperson zu sein, aber sich nicht festlegen will.“
„Wie, ihr habt über uns gesprochen?“
„Nicht über euch, aber über ihn! Schließlich wird uns nicht jeden Tag so ein Typ vorgestellt.“
„Wohl wahr“, brummte Babs.
Als die Eingangstür aufging, blickten sie beide hoch und sahen Konrad hereinkommen.
„Kein Wort mehr davon“, zischte sie und setzte wieder ihr burschikoses Babs-Grinsen auf.
Er kam fröhlich an ihren Tisch und setzte sich. „Gut, dass ich euch treffe. Wir sollten uns am Wochenende mal zusammensetzen wegen unserer Arbeit. Ich habe einen Teil soweit fertig, jetzt müssen wir die Sache mal koordinieren.“
Das brachte Steffi wieder zu ihrem eigenen Problem zurück.
„Ich muss morgen nach Hause fahren.“
„Was, schon wieder? Du warst doch erst vor zwei Wochen.“
„Na ja, meine Mutter…“
„Mama klammert“, feixte Konrad, „Kannst du ihr nicht klar machen, dass unsere Arbeit wichtiger ist?“
„Ich komme Sonntag nicht so spät zurück. Vielleicht können wir dann an der Sache weitermachen.“
„Sonntagabend? Nicht optimal, aber wenn`s nicht anders geht. Wie sieht es bei dir aus, Babs?“
„Ist okay. Wir können uns ab 17.00 Uhr bei mir treffen.“
Wenige Minuten später kam auch Birgit mit einigen weiteren Kommilitonen herein. Das Gespräch driftete ab ins Allgemeine, worüber Steffi ziemlich froh war. Irgendwie hatte sie auch etwas zu verdauen….
Als sie mit Birgit nach Hause ging, hielt sie es nicht mehr aus.
„Wir müssen Babs in nächster Zeit ein bisschen aufmuntern.“
„Wieso? Ist etwas passiert?“ In kurzen Worten gab sie das Gespräch wieder, verschwieg aber beharrlich, wie sehr es sie selbst getroffen hatte. Obwohl sie Henno auch die ganze Zeit nicht mehr gesehen hatte, spukte er doch immer wieder in ihrem Kopf herum. Was war sie doch für ein dummes Huhn!
Birgit nahm es gelassen. „Wir schleppen sie öfter mit in eine Disco“, schlug sie vor. „Wäre doch gelacht, wenn wir sie nicht auf andere Gedanken brächten. Aber du bist ja am Wochenende nicht da!“
„Ich will Sonntag nicht zu spät zurück sein. Babs, Konrad und ich müssen uns zusammensetzen wegen unserer Semesterarbeit in Geschichte.“
Birgit klopfte ihr auf die Schultern. „Nutze diese Gelegenheit, um mit deiner Mutter zu reden. Du brauchst an den Wochenenden mehr Zeit für deine Arbeit mit den Kommilitonen. Das sieht bestimmt auch sie ein! Hey, ist das nicht Volker, der uns da entgegenkommt?“
Er war es tatsächlich. Als er sie sah, beschleunigte er seine Schritte.
„Hallo, ihr zwei. Ich wollte euch einen Besuch abstatten, aber ihr wart nicht da. Schön, dass ich euch jetzt treffe!“
„Du strahlst so. Gibt es etwas Besonderes?“
Lachend hob er eine Tasche hoch, in der er eine Flasche Sekt trug.
„Ich habe einen Studienplatz für Medizin. Das wollte ich mit euch feiern!“
Birgit fiel ihm um den Hals und gab ihm einen freundschaftlichen Kuss auf die Backe.
„Das ist ja toll!“
Auch Steffi freute sich aufrichtig. Sie wusste, wie sehr er gehofft hatte, über das Nachrückverfahren sein Traumstudium starten zu können. Er hatte lange warten müssen und halbherzig ein Romanistikstudium begonnen. Aber sein Ziel war es immer gewesen, die Kinderarztpraxis seines Vaters zu übernehmen, die in einer kleinen Ortschaft in der Nähe von Steffis und Birgits Heimatstadt lag.
Gemeinsam gingen sie zu dem großen Wohnhaus und dann gleich in Steffis Zimmer, wo sie als Gastgeberin drei Gläser auf den Tisch stellte. Volker ließ den Korken knallen und schenkte gleichmäßig ein.
„Auf dein neues Studium“, prostete Birgit ihm zu.
Auch Steffi strahlte ihn an. Plötzlich war die ganze Enttäuschung über Babs`Eröffnung wie weggeblasen. Volker erschien ihr wie in einem anderen Licht und es tat ihr wirklich leid, dass sie ihn sich so auf Abstand gehalten hatte. Sie beobachtete ihn über ihr Glas hinweg und stellte fest, dass er eigentlich ganz gut aussah und eine sehr positive Atmosphäre verbreitete. Warum bloß war ihr das vorher nicht aufgefallen?
Die Stimmung wurde immer besser, doch irgendwann schaute Birgit auf die Uhr und erhob sich. „Sorry, aber ich muss mich zurückziehen. Morgen geht`s früh los, und an der Kasse brauche ich meine ganze Konzentration.“
Nachdem sie das Zimmer verlassen hatte, räusperte Volker sich. „Macht es dir was aus, wenn ich noch ein bisschen bleibe?“
„Nein, überhaupt nicht. Ich freue mich so für dich, dass es endlich geklappt hat.“
„Ich wollte aber eigentlich etwas anderes mit dir besprechen! Es geht um die Party bei Babs.“
Steffi blickte verlegen auf ihr Glas. Sie hatten sich seither nicht mehr gesehen und sie hatte schon das Gefühl gehabt, Volker habe das Gelände der PH und insbesondere die Studiosusklause gemieden. Jetzt wartete sie gespannt auf seine nächsten Worte.
„Also …ich meine… also es geht um Babs` Party. Ich habe das Gefühl, dich irgendwie verletzt zu haben. Falls das der Fall sein sollte, möchte ich mich entschuldigen.“
„Nein, so war es nicht“, sagte Steffi schnell. „Mir ging es bloß nicht so gut. Es tut mir leid, dass wir uns so missverstanden haben!“
Er griff nach ihrer Hand. „Steffi, du weißt, wie sehr ich dich schätze. Ich würde gerne mehr Zeit mit dir verbringen.“
„Ich mag dich auch sehr gerne. Aber irgendwie brauche ich noch ein bisschen Zeit. Birgit…“
Er unterbrach sie lachend. „Ich weiß, ich weiß. Ihr zwei seid nur im Doppelpack zu haben.“
„Nein, so ist es nicht! Aber wir wollen schon … wie soll ich sagen… unsere Freundschaft ist mir sehr wichtig!“
„Ich habe auch Freunde, die mir wichtig sind. Keineswegs will ich dich total vereinnahmen. Aber ich muss wissen, ob es überhaupt eine Chance für uns gibt.“
Sie atmete tief aus.
„Ja“, antwortete sie schließlich, „ich glaube schon. Aber morgen muss ich erst einmal nach Hause fahren und etwas regeln. Können wir uns nächste Woche einmal abends treffen?“
„Ich kann Montagabend vorbeikommen.“
„Okay, Montagabend passt mir auch. Gegen 19.00 Uhr?“
Volker erhob sich und zog sie an sich heran. Zärtlich drückte er ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ich werde pünktlich sein. Gute Fahrt dann erst mal.“
Nachdem er gegangen war, setzte Steffi sich erst einmal auf ihr Bett und grübelte. Vielleicht wartete sie auch auf die Schmetterlinge im Bauch, die sich nicht einstellen wollten.
„Mal sehen, was Birgit zu der Situation sagt“, dachte sie schließlich und beschloss, erst einmal über die Angelegenheit zu schlafen.