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Kapitel 16
ОглавлениеZu Beginn der Semesterferien hatte Birgit noch zwei Wochen Zeit, bis sie Richtung England aufbrechen musste. Steffi blieb deshalb auch länger. Gemeinsam nutzten sie die Zeit, um die Route für den Englandtrip auszuarbeiten.
Henno hatte seinen Job bei der Baufirma bereits angetreten. Die Arbeit schien ihn ziemlich anzustrengen, denn anfänglich ließ er sich abends kaum blicken. Volker dagegen war ein häufiger Gast und versuchte bei der Planung massiv Einfluss zu nehmen, doch Birgit wies ihn diplomatisch immer wieder zurück, so dass Steffi zum Schluss das Gefühl hatte, wirklich eigenständig mit ihrer Freundin den Reiseverlauf gestaltet zu haben, was sie auch mit einem gewissen Stolz erfüllte.
Doch in einem Punkt setzte sich Volker durch: Er wollte mit seinem R4 nach England fahren.
„Dann könntet ihr Henno doch mitnehmen“, schlug Birgit vor. „Wenn ihr das Luftkissenboot von Calais nehmt, bezahlt ihr die Überfahrt nur für das Auto und nicht für die Anzahl der Personen. Das wäre für alle preisgünstiger. Wir mieten das Auto dann von Portsmouth aus, wo wir uns treffen.“
Dann war es soweit und Birgit musste ihre Reise nach Cornwall antreten. Steffi brachte sie noch zum Bahnhof, bevor sie selbst zu ihren Eltern nach Hause fuhr. Auf dem Bahnsteig verabschiedeten sie sich herzlich, Birgit gespannt, was nun auf sie zukommen würde, Steffi voller Vorfreude auf das Wiedersehen und den gemeinsamen Urlaub.
Volker war schon einige Tage früher nach Hause gefahren. An Steffis erstem Abend bei den Eltern luden diese ihn zu einem Grillabend ein. Er brachte ihrer Mutter einen wunderschönen Blumenstrauß und ihrem Vater eine edle Flasche Wein mit. Wieder einmal merkte Steffi, wie er ihre Eltern für sich einnahm. Sie hatte das Gefühl, er hätte schon immer zur Familie gehört und sie musste sich eingestehen, dass sie diese Situation genoss. Trotzdem war sie dankbar, als er sich spät am Abend von ihnen verabschiedete und nicht den Anspruch erhob, bei ihr übernachten zu wollen.
„Ich habe meinem kleinen Bruder versprochen, ihn morgen zu seinem Fußballtraining zu begleiten“, erklärte er lachend. „Das beginnt schon ziemlich früh, und ich will ihn nicht enttäuschen.“
Steffi begleitete ihn noch bis zum Gartentor, wo er sie liebevoll in den Arm nahm.
„Übermorgen machen wir irgend was ganz Tolles“, flüsterte er in ihr Haar. „Ich hole dich um elf Uhr ab!“
Sie winkte ihm noch zum Abschied zu und ging dann zu ihren Eltern zurück. Ihre Mutter saß versonnen lächelnd auf der Veranda.
„So ein netter Junge“, meinte sie. „Ich habe das Gefühl, er gehört schon seit Ewigkeiten zu unserer Familie.“
„Tatsächlich?“ murmelte Steffi und fühlte sich plötzlich unwohl.
Vorsichtig warf sie ihrem Vater einen Blick zu, den dieser mit einem verständnisvollen Lächeln erwiderte.
„Nun übertreibe mal nicht, meine Liebe“, wandte er sich an seine Frau. „Die beiden sollen erst mal ihre Ausbildung beenden, bevor sie sich mit weitergehenden Gedanken beschäftigen.“
„Findest du nicht, dass die zwei ganz ausgezeichnet zusammen passen?“ wollte sie wissen.
„Aber sicher doch. Trotzdem solltest du ihn nicht zu früh als Familienangehörigen betrachten. Du weißt doch: Drum prüfe, wer sich ewig bindet…“
„Ich bin müde“, unterbrach Steffi das Geplänkel. „Komm, Mutti, wir räumen noch zusammen das Geschirr weg, dann gehe ich ins Bett.“
Zwei Tage vor der geplanten Abreise rief Henno an. Zufällig war Steffi selbst am Apparat. Als sie seine Stimme hörte, stieg gleich wieder diese Erregung in ihr auf, die sie sonst stets in seiner Nähe empfand.
„Ich komme morgen um 15.15 Uhr mit dem Zug an“, verkündete er. „Wäre es vielleicht möglich, dass du mich am Bahnhof abholst?“
„Natürlich.“ Ihre Stimme klang seltsam heiser.
„Noch eine Bitte hätte ich. Kannst du mir eine günstige Unterkunft für diese eine Nacht besorgen?“
„Du kannst doch bei uns übernachten!“ platzte sie heraus, um dann etwas ruhiger fortzufahren, „Wir haben ein riesiges Haus und genug leerstehende Gästezimmer.“
Er zögerte keine Sekunde.
„Wenn das möglich ist, sage ich natürlich nicht nein. Also, dann bis morgen. Ich freue mich darauf, dich wiederzusehen.“
Nachdem er aufgelegt hatte, stand sie noch einige Zeit aufgeregt mit dem Hörer in der Hand neben dem Telefon. Dann atmete sie tief durch und rannte in die großzügige Hausbibliothek, wo ihre Mutter in einem gemütlichen Lesesessel saß und gerade von einem aufregenden Roman ihrer Lieblingsautorin Victoria Holt gefesselt war.
„Morgen kommt Henno, äh – Birgits Freund. Ich habe ihm angeboten, dass er bei uns übernachten kann. Dann können wir übermorgen sehr pünktlich wegfahren.“
Mit mäßigem Interesse schaute Frau Beck auf. Da es für ihren Mann eine Selbstverständlichkeit war, Geschäftsfreunde von weiter her bei sich zu Hause zu beherbergen, waren Übernachtungsgäste für sie nichts Besonderes.
„Birgits Freund? Ach wie nett. Ich glaube, in dem kleinen Gästezimmer ist das Bett noch bezogen. Du kannst dich ja darum kümmern.“
„Danke, Mutti. Das werde ich gleich tun.“
Sie raste die Treppe hoch und öffnete die Tür zu dem Raum. Tatsächlich war alles sauber hergerichtet und wartete nur auf einen Gast. Sie öffnete die Tür zum danebenliegenden Badezimmer. Es lagen noch keine Handtücher bereit. Rasch ging sie zur Wäschekommode und überlegte, welche Farbe ihm wohl am besten gefallen würde. Dann nahm sie ein kuscheliges blauweißgestreiftes Badelaken und ein dazu passendes Handtuch heraus. Das ergänzte harmonisch den dunkelblauen Badezimmerteppich. Zufrieden registrierte sie, dass alles einen einladenden Eindruck machte.
Als sie auf ihre Uhr schaute, stellte sie fest, dass sie in fünf Minuten bei Volker sein sollte.
Das würde sie nicht mehr schaffen. Sie raste wieder runter ans Telefon und wählte seine Nummer. Seine kleine Schwester nahm ab. Steffi atmete unbewusst auf und merkte, dass sie jetzt eigentlich gar nicht mit ihm sprechen wollte.
„Kannst du Volker sagen, dass ich aufgehalten worden bin? Es dauert noch etwa eine Stunde, bis ich da bin!“
Nachdem sie aufgelegt hatte, zog sie sich erst einmal in ihr Zimmer zurück und ließ sich aufs Bett sinken.
„Ich bin verrückt“, flüsterte sie vor sich hin. „Was soll das Ganze denn? Er ist Birgits Freund und ich habe Volker. Warum bringt mich so ein harmloser Anruf nur so durcheinander?“
Trotzdem musste sie sich erst wieder beruhigen, ehe sie Volker gegenübertreten konnte. Sie atmete tief durch den Bauch ein und aus, und schließlich fühlte sie sich stark genug aufzustehen und so zu tun, als wäre alles normal. Sie ging noch einmal zu ihrer Mutter.
„Mutti“, meinte sie, „Können wir morgen Abend noch mal grillen? Volker und Henno haben sich nun ja auch eine ganze Zeit nicht mehr gesehen. Es wäre doch schön, wenn wir den letzten Abend hier gemeinsam verbringen könnten!“
Am nächsten Tag stand sie schon um halb drei am Bahnhof, um Henno abzuholen. Der Zug hatte fünf Minuten Verspätung und sie hatte das Gefühl vor Erregung platzen zu müssen. Als er endlich einfuhr und so viele Menschen ausstiegen, bekam sie Angst, dass sie ihn nicht entdecken könnte in dem Trubel.
Aber natürlich war diese völlig unbegründet. Sie konnte seine hohe Gestalt sofort ausmachen, als er auf dem Bahnsteig in ihre Richtung kam. Er trug einen relativ kleinen Koffer und ging mit festen Schritten direkt auf sie zu. Sie versank in seinem Lächeln und konnte sich zunächst nicht rühren, als er ohne Umstände den Koffer abstellte, sie fest in die Arme nahm und ihr links und rechts einen Kuss auf die Wange drückte.
„Es ist wirklich nett von dir, dass du mich abholst“, meinte er gleichmütig. Das holte sie in die Realität zurück.
„Ist doch selbstverständlich“, murmelte sie und hoffte, genauso sachlich zu klingen. „Mein Auto steht gleich um die Ecke.“
Sie fuhren zu ihr nach Hause und er wollte wissen, wie sie bisher die Ferien verbracht hatte. Es entspann sich tatsächlich ein lockeres Gespräch und als sie bei ihr zu Hause anlangten, hatte sie ihre Ruhe wieder und schalt sich lediglich wegen ihrer unangemessenen Aufregung.
Ihre Mutter öffnete und begrüßte ihn herzlich, als würde sie ihn schon ewig kennen.
Nachdem Steffi ihn in sein Zimmer geführt und er sich kurz etwas erfrischt hatte, saßen sie im Garten und tranken Kaffee. Er verwickelte ihre Mutter sofort in ein lebhaftes Gespräch und sie merkte schnell, wie auch sie von seinem Charme sehr angetan war.
Volker kam etwa eine halbe Stunde später. Die beiden Männer begrüßten sich, Volker schob seinen Stuhl zwischen den von Henno und Steffi, um neben ihr sitzen zu können, und nahm dankbar eine Tasse Kaffee von Frau Beck entgegen. Aber die leichte Unterhaltung war ins Stocken geraten.
„Ich habe noch einiges an Stauraum im Auto“, erklärte Volker schließlich. „Wollen wir deine Sachen auch gleich noch einpacken? Für Henno wäre es ja angenehmer, wenn alles im Kofferraum Platz hat.“
„Wir fahren morgen um sieben los“, wandte er sich dann an diesen. „Der Einfachheit halber übernachte ich auch hier.“ Er lächelte Frau Beck zu. „Vielen Dank, dass Sie so viel Verständnis haben.“
„Na ja“, lachte sie. „Du übernachtest hier ja nicht das erste Mal.“
Steffi spürte Hennos Blick auf sich und merkte, wie sie errötete.
„Ich weiß nicht, was das jetzt zur Sache tut“, versetzte sie ärgerlich. „Wenn wir morgen so früh los müssen, ist das doch die beste Lösung. Ich hoffe, Mutti, die Arbeit wird dir nicht zu viel.“
„Ach was, deine Gäste sind mir genauso willkommen wie Vatis Gäste. So, jetzt will ich aber mal anfangen mit den Salaten für heute Abend.“
Steffi erhob sich ebenfalls, um ihr zu helfen.
„Ihr könnt ja mal die Route von morgen durchgehen“, meinte sie an die beiden gewandt und war froh, dass sie einen Grund hatte, sie allein zu lassen.
Frau Beck hatte schon angefangen verschiedene Salatsorten aus dem Kühlschrank zu legen. Steffi holte Schneidebretter, Messer und Schüsseln heraus. Eine Weile arbeiteten sie schweigend, dann meinte Frau Beck plötzlich:
„Was ist das für ein reizender junger Mann! Aber Volker scheint sich nicht sehr gut mit ihm zu verstehen.“
Steffi unterbrach ihre Arbeit und musterte sie fragend. Doch ihre Mutter schien keine Antwort zu erwarten, und so fuhr sie verbissen in ihrer Beschäftigung fort.
Als später ihr Vater kam, schmissen er und Volker den Grill an, während Henno in die Küche kam und den Frauen dann half, den Tisch zu decken.
Beim Essen fanden Herr Beck und Henno sehr schnell einen Gesprächsstoff. Steffis Vater war sehr interessiert am Studium heute, und Henno erzählte sehr fesselnd. Irgendwann zeigte er auf das Haus.
„Sie haben hier wirklich einen Traum. Haben Sie es selbst entworfen?“
Herr Beck nickte.
„Ja, wie Sie richtig erkannt haben, habe ich mir einen Traum erfüllt. Früher wohnten wir im gleichen Haus, in dem ich mein Büro hatte, aber diese räumliche Entfernung sorgt für mehr Entspannung.“ Er lächelte verschmitzt. „Anfänglich habe ich gehofft, meine Tochter würde in meine Fußstapfen treten, aber das war halt nichts. Und jetzt hat sie sich in einen Mediziner verguckt - also auch da keine Chance auf einen Nachfolger.“
Hennos Blick traf den von Steffi und er lächelte amüsiert.
„Ich glaube, Ihre Tochter weiß auf jeden Fall, was gut für sie ist“, gab er dann zur Antwort.
„Und letztlich haben Sie mehr davon, wenn sie ihren richtigen Weg findet. Mein Vater war Cellist im Sinfonieorchester. Es wäre eine Katastrophe gewesen, wenn er das Gleiche von mir erwartet hätte.“
„Ich weiß fast nichts über ihn“, dachte Steffi verwundert. „Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass er aus einer Musikerfamilie stammt! Aber eigentlich passt das zu ihm.“
Herr Beck lachte schallend.
„Da haben Sie Recht, junger Mann. Aber was für ein Glück hat doch Volkers Vater, dass das Herz seines Sohnes auch für die Kindermedizin schlägt. Das erleichtert im Leben einiges.“
Schließlich waren alle müde und zogen sich nach gemeinsamem Aufräumen zurück. Henno verabschiedete sich höflich und ging die Treppe hoch. Die anderen Schlafzimmer lagen im Erdgeschoss.
Steffis Koffer stand gepackt in ihrem Zimmer, weil sie keine Lust gehabt hatte ihn schon zum R4 zu tragen. Rasch schob sie ihn beiseite und schlüpfte in ihr Bett. Volker ließ sich nicht viel Zeit ihr zu folgen.
Zärtlich strich er über ihre Brust und am liebsten hätte sie Müdigkeit vorgeschützt. Aber sie wagte es nicht aus Angst, seinen Argwohn zu wecken. So gab sie sich ihm hin. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie sich sogar vorstellen, jemand anders würde sie so innig lieben.